Die norwegische Minderheitsregierung muss zugunsten der Verabschiedung des Haushalts die erste Lizenzrunde für den Meeresbodenbergbau aussetzen. Die Vorbereitungen gehen jedoch weiter.
Die Regierung in Norwegen wird nicht wie geplant bereits im Frühjahr die ersten Genehmigungen für die Exploration im Tiefseebergbau erteilen. Ursprünglich war geplant, große Teile der Arktisregion für die erste Runde der Meeresboden-Lizenzvergabe zu öffnen.
In Oslo regiert eine Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Jonas Gahr Store. Diese wird durch Stimmen der Sosialistisk Venstreparti (SV) gestützt, die sich gegen die Lizenzvergabe ausgesprochen hat. Die SV hatte ihre Zustimmung zum Haushalt von der Rücknahme der ersten Lizenzierungsrunde abhängig gemacht.
Kirsti Bergstoe, Vorsitzende der SV-Partei, äußerte gegenüber Medien: "Wir stoppen Pläne, den Bergbau auf dem Meeresboden zu eröffnen". Frode Pleym, Leiter von Greenpeace Norwegen, sieht in der Rücknahme einen "entscheidenden Sieg im Kampf gegen den Tiefseebergbau".
Regierung sieht lediglich Verschiebung
Die Regierung schließt sich dieser Interpretation nicht an. So sollen die Vorbereitungsarbeiten trotz der Aussetzung des Plans fortgesetzt werden. Dazu gehören die Ausarbeitung von Vorschriften und die Kartierung der Umweltauswirkungen. "Das wird eine Verschiebung sein", beschwichtigte Premierminister Jonas Gahr Stoere von der Arbeiterpartei.
In Norwegen wird im September ein neues Parlament gewählt. In den Umfragen liegen die Konservativen und die Fortschrittspartei vorn – beide befürworten den Tiefseebergbau. Die SV-Partei hatte bei der Wahl 2021 7,6 % der Stimmen erhalten und besetzt 13 Sitze im Parlament.
Anfang 2023 hatten norwegische Behörden über substanzielle Rohstoffvorkommen in der Tiefsee berichtet. Eine Studie der norwegischen Erdöldirektion (NPD) hatte auf dem Meeresboden des erweiterten Kontinentalschelfs eine "erhebliche" Menge an Metallen und Mineralien von Kupfer bis zu Seltenen Erden entdeckt.
"Von den Metallen, die auf dem Meeresboden im Untersuchungsgebiet gefunden wurden, stehen Magnesium, Niob, Kobalt und Seltene Erden auf der Liste der kritischen Mineralien der Europäischen Kommission", hieß es damals in einer Stellungnahme.
38 Mio. Tonnen Kupfer
Eine erste Ressourcenschätzung taxierte die in polymetallischen Sulfiden enthaltenen Vorkommen auf 38 Mio. Tonnen Kupfer und 45 Mio. Tonnen Zink. Auch 24 Millionen Tonnen Magnesium, 3,1 Millionen Tonnen Kobalt und 1,7 Millionen Tonnen des Seltenerdmetalls Cer werden auf dem Meeresboden vermutet, darüber hinaus Neodym, Yttrium und Dysprosium.
Neben Norwegen arbeiten viele weitere Länder an Fortschritten im Tiefseebergbau. China etwa vermeldete im Sommer den erfolgreichen Test seines Fahrzeugs Kaituo 2 im Westpazifik. Zu den aufgestellten Rekorden gehörte ein Tauchgang bis in 4.100 m Tiefe.
Das NASDAQ-notierte kanadische Explorationsunternehmen The Metals Company (TCM) hat es allerdings bereits bis in 4.300 m Tiefe geschafft. TCM besitzt Explorations- und Handelsrechte in der Clarion-Clipperton-Zone des Pazifiks.
Alle großen Nationen sind am Tiefseebergbau interessiert
Indien vermeldete im Oktober ebenfalls einen Erfolg. Das National Institute Of Ocean Technology führte in der Andamanensee zwischen den indischen Andamanen und Nikobaren und Myanmar einen erfolgreichen Versuch durch, bei dem es gelang, polymetallische Knollen auf dem Meeresboden zu gewinnen. Der Test wurde in einer Tiefe von 1.200 Metern in Indiens ausschließlicher Wirtschaftszone betrieben. Zuvor waren bei einem Test im zentralen Indischen Ozean bereits Tiefen von bis zu 5.270 m erreicht worden.
Wissenschaftler hatten dafür mit Varaha-3 ein speziell für dieses Meeresgebiet entwickeltes Gerät eingesetzt. "Es wurde eine Maschine entwickelt, die den Strapazen der Andamanensee standhält, da es sich hier um ein felsiges Gebiet handelt, das ganz anders ist als der weiche Boden in der Tiefseeebene, und die außerdem mit minimalen Auswirkungen auf die Umwelt abbauen kann", erläuterten die beteiligten Forscher.
Für die länderübergreifende Regulierung des Meeresbodenbergbaus ist zumindest auf dem Papier die Internationale Meeresbodenbehörde ISA zuständig. Diese hat jedoch noch keine verbindliche Regelung getroffen. Für 2025 wurde ein verbindliches Regelwerk angekündigt. Ob es dazu kommt, ist ungewiss, auch wenn die im August gewählte neue Chefin der ISA, die brasilianische Ozeanografin Leticia Carvalho, als Gegnerin des Tiefseebergbaus gilt.