Die Finanzmärkte befinden sich weiterhin fest im Würgegriff der Bären. Dem können sich auch die Edelmetallpreise nicht entziehen. Während im Hochsommer zunächst noch eine ansehnliche Erholung gelang, rutschten die Gold- und Silberpreise ab dem 15.August zielstrebig zusammen mit den Aktienmärkten wieder gen Süden.
Ausgehend von einem neuen 20-Monatstief bei 17,55 US-Dollar am 1.September zeigt der Silberpreis aktuell jedoch unvermittelt eine relative Stärke. So notiert der Preis für eine Feinunze Silber derzeit mit knapp 19,50 US-Dollar zwar leicht unter der runden psychologischen Marke von 20 US-Dollar, trotzdem steht seit Monatsbeginn ein Plus von fast 11% zu Buche. Gut möglich, dass diese relative Stärke nur ein vorübergehendes Phänomen ist, denn während die Silberbullen den Befreiungssprung über die seit April etablierte Abwärtstrendlinie proben, droht dem Goldpreis der Durchbruch unter die Unterstützung um 1.680 US-Dollar. Sollte es dazu kommen, wird sich die relative Stärke beim Silber vermutlich wieder schnell verflüchtigen.
Silber Sentiment vom 15.September 2022. ©Gold.de
Im großen Bild kommt der Silberpreis schon seit Jahren nicht auf die Beine. Der letzte Angriff auf das Allzeit-Hoch um 50 US-Dollar liegt über 11,5 Jahre zurück. Und seit dem letzten Hochpunkt bei knapp 27 US-Dollar Anfang März verlor Silber bis Ende August fast 35%. Die ausgebombte Marktlage macht sich jedoch zunehmend an den Terminmärkten bemerkbar und liefert grundsätzlich eine antizyklische Chance. Die Stimmung ist im Keller und die meisten Spekulanten haben das Handtuch geworfen. Das verbleibende Kursrisiko auf der Unterseite sollte daher überschaubar sein. D.h. auch wenn die Bären am Drücker bleiben, werden sie die Silberkurse vermutlich nur zäh und langsam weiter nach unten bewegen können.
Insgesamt bleibt die Konstellation für den Silberpreis angesichts der miserablen Ausgangslage an den Finanzmärkten kurz- bis mittelfristig sehr ungünstig. Alles dreht sich nur noch um die Frage, wie stark die US-Notenbank die Zinsen noch weiter anheben wird und wie groß der dadurch verursachte Schaden an den Finanzmärkten und in der Realwirtschaft tatsächlich werden wird. Eine Umkehr der restriktiven Notenbankpolitik wird es wohl erst geben, wenn die Kreditmärkte oder ein großes Finanzinstitut ins Wanken geraten. Je nachdem, wie schnell sich die Lage verschärft, wird die US-Notenbank spätestens im Laufe des nächsten Jahres zu einer dramatischen Kursänderung gezwungen sein. Dann werden die Edelmetallpreise massiv von der absehbaren neuen Geldruckorgie profitieren können. Bis dahin heißt es Geduld, Ruhe und eine hohe Liquiditätsreserve in US-Dollar und Schweizer Franken zu bewahren. Eine antizyklische und schrittweise physische Akkumulation in die fallenden Edelmetallkurse hinein ist ebenfalls sehr ratsam.
Silberpreis in US-Dollar, Tageschart – Nur ein Strohfeuer oder bullische Flagge?
Silber in US-Dollar, Tageschart vom 15.September 2022. ©Gold.de
Vom frischen 20-Monatstief bei 17,55 US-Dollar konnte sich der Silberpreis in den letzten zwei Wochen um deutliche 14% erholen. Aktuell wird diese steile Gegenbewegung womöglich in Form einer bullischen Flagge am Abwärtstrendlinie der letzten Monate konsolidiert. Angesichts der überkauften Tages-Stochastik sowie dem starken Widerstand in Form des oberen Bollinger Bandes (19,93 US-Dollar) sollte das Kursgeschehen aber vorläufig besser als eine Art Strohfeuer eingeordnet werden. Erst wenn die Silberbullen nachhaltig die Marke von 20,00 US-Dollar zurückerobern, werden weitere Ziele auf der Oberseite freigeschaltet. Diese wären dann zum einen die nächste Abwärtstrendlinie im Bereich um 21,10 US-Dollar sowie eine Etage höher die fallende 200-Tagelinie (22,14 US-Dollar).
Silber Saisonalität,18.August 2022. © Seasonax und Gold.de
Gleichzeitig schließt sich in diesen Tagen das günstige saisonale Fenster und statistisch betrachtet sollten die Silbernotierungen bis Mitte Dezember unter Druck bleiben.
Zusammengefasst überrascht der Silberpreis momentan mit einer relativen Stärke. Ob sich daraus angesichts der schwierigen Gesamtlage mehr entwickeln kann, muss sich erst noch zeigen. Scharfe Erholungsbewegungen sind typisch in einem Bärenmarkt und ohne einen festeren Goldpreis wird sich Silber sicherlich schwertun. Langfristig führt an den Edelmetallen kein Weg vorbei, insofern liefern schwache Kurse weitere gute Einstiegschancen. Eine übermäßig aggressive Positionierung verbietet sich derzeit aber. Dazu stecken die Finanzmärkte und auch die Edelmetallpreise zu tief in einer Korrektur bzw. einem Bärenmarkt.
Silber in Euro: Neues Kauflimit 18,00 EUR
Mit dem zuletzt genannten Kauflimit von 18,75 Euro konnte man die günstigen Silberpreis in der letzten August- sowie in der ersten Septemberwoche wunderbar abfischen. Aktuell notiert die Feinunze mit 19,55 Euro schon wieder ein gutes Stück höher. Wir bleiben kurz- bis mittelfristig eher skeptisch und reduzieren daher das nächste Kauflimit leicht auf 18,00 Euro.