Der US-Dollar ist in den letzten Wochen unter die Räder gekommen, und es sieht so aus, als könnte es für die Weltreservewährung noch tiefer gehen. Perspektivisch droht dem US-Dollar-Index, der den Greenback gegenüber sechs Währungen - den EUR, GBP, CHF, CAD, JPY und SEK - abbildet, sogar ein Rutsch bis auf 94 Punkte. Am 30. August schrieb ich, dass die Tage des Dollars wahrscheinlich gezählt sind. Seitdem wertet der Dollar ab und dürfte aufgrund der Renditedifferenzen aus aller Welt noch weiter fallen.
Ein schwächerer Dollar könnte eine positive Überraschung für den Aktienmarkt mit sich bringen. Er könnte multinationalen Unternehmen einen dringend benötigten Umsatz- und Gewinnschub bescheren, durch den die Wall Street in ungeahnte Höhen vordringen könnte.
Der Dollar-Index scheint auf der Grundlage der technischen Analyse bei gut 99 Punkten ein Top ausgebildet zu haben. Schließlich ist der Index unter die seit September 2018 etablierte Aufwärtstrendlinie gefallen und bewegt sich nun in Richtung seines sekundären Aufwärtstrends, der ungefähr zur gleichen Zeit begann. Sollte der Index unter diesen sekundären Aufwärtstrend fallen, droht ein rascher Kurssturz auf die nächste größere technische Unterstützung bei gut 94 bis 95 Punkten. Dies entspricht einem Kursrückgang von etwa 3,5%.
Die Maßnahmen der Fed vom 30. Oktober dürften helfen, den Dollar nach unten zu treiben, wie es der technische Chart nahelegt. Basierend auf dem Begleittext und der Pressekonferenz könnten wir länger als erwartet in ein Umfeld niedriger Zinsen geraten. Dies gilt umso mehr, als der Fed-Vorsitzende Jerome Powell die Notwendigkeit eines deutlichen Inflationsanstiegs als Voraussetzung für eine Zinserhöhung genannt hat.
Angesichts der niedrigen Inflation, die wir in der Vergangenheit bei Indikatoren wie dem Kern-PCE beobachtet haben, ist es möglich, dass die Federal Reserve ihren Leitzins auf dem derzeitigen Niveau belässt oder aber noch tiefer absenkt, falls sich Inflation und Wirtschaftswachstum nicht verbessern.
Wenn sich die Fed für die Niedrigzinspolitik entscheiden sollte, dürfte das auch die Renditen für einige Zeit belasten. Das macht die US-Währung für Investoren weniger attraktiv.
Die Spreads zwischen US-Anleihen und den Pendants in Europa haben sich im Laufe des vergangenen Jahres zusammengezogen. Derzeit liegt die Renditedifferenz zwischen den 10-jährigen Renditen in den USA und Deutschland bei rund 2,1%, nach einem historischen Hoch Ende letzten Jahres mit 2,75%. Zuletzt wurde ein solches Niveau Ende der achtziger erreicht. Die Gründe für die Ausweitung der Spreads zwischen den USA und Deutschland waren die steigenden Zinsen in den USA, während die Zinsen in Europa weiterhin unter Druck standen. Aber jetzt hat die Fed die Zinsen dreimal gesenkt, da sich das Wachstum verlangsamt hat - und fallende Zinsen in den USA führen dazu, dass sich die Spreads einengen und zu ihren historischen Normen zurückkehren.
Jetzt, da sich diese Spreads zusammenziehen, hat der Dollar, gemessen am Dollar-Index, seine Aufwertung gestoppt und dürfte in diesem Sommer seinen Höhepunkt gesehen haben. Derzeit spricht einiges dafür, dass der Dollar an Bodenhaftung verliert und schließlich abwertet.
In diesem Szenario wäre es möglich, dass die Gewinne multinationaler Unternehmen deutlich steigen. Das wiederum bedeutet, dass deren Aktienkurs noch Spielraum auf der Oberseite hat. Ein schwächerer USD erhöht die Attraktivität der von US-Unternehmen produzierten Waren im Ausland. Darüber hinaus kann ein schwächerer Dollar dazu beitragen, Umsatz und Gewinn zu steigern, da Unternehmen von dem günstigeren Wechselkurs profitieren. Höhere Unternehmensgewinne tragen dazu bei, das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei Aktien zu schmälern und diese Aktien attraktiver zu machen.
Alles in allem sieht es so aus, als ob der Wind der Veränderung weht, was darauf hindeutet, dass der Dollar im Begriff ist, gegenüber anderen Währungen an Schwung zu verlieren. Sollte dieses Szenario eintreten, stehen die Chancen gut, dass auch die US-Wirtschaft einen sehr kräftigen Schub erhält und vielleicht auch einige inflationäre Kräfte aufkeimen.