Heute wird um 20.00 Uhr das FOMC-Sitzungsprotokoll veröffentlicht. Die vorsichtige und abwartende Stimmung, die wir seit Montag an den Märkten erkennen, hängt mit dieser Veröffentlichung zusammen. Ergeben sich neue Informationen, welche die weiteren Pläne der Fed konkretisieren? Welche Hinweise gibt es, wann und wie die Anleihekäufe zurückgeführt werden?
Mosaiksteinchen der Überinterpretation
Man wird sich also wieder durch das gesamte seitenlange Protokoll quälen müssen, um hier und da ein Mosaiksteinchen zu finden, das in die eigene Meinung passt oder dieser widerspricht. Ich frage mich dabei, ob diese höhere Transparenz wirklich die Märkte beruhigt. Ich habe eher das Gefühl, dass es die Märkte nur noch hysterischer werden lässt.
Wie schön war doch die Zeit, als sich die Fed nicht hat in die Karten schauen lassen. Den übereifrigen Analysten blieb mangels anderer Informationen nichts anderes übrig, als darauf zu achten, wie dick die Tasche von Alan Greenspan beim Weg zu dieser Sitzung war. Daraus wurden dann die abenteuerlichsten Erkenntnisse abgeleitet. Damals war es auch dem normalen Anleger noch möglich, zu erkennen, dass das ein wenig hysterisch und verrückt war.
Weniger wäre mehr
Schaut man sich die Auswirkung der höheren Transparenz der Fed in den vergangenen Jahren an, muss man fast zu dem Schluss kommen, den hysterischen Börsenteilnehmer wurde aufgrund einer deutlich höheren Informationsmenge lediglich ein größerer Interpretationsspielraums ermöglicht. Die höhere Transparenz führte damit, wenn man genau hinsieht, lediglich zu noch mehr Unsicherheit. Die Folgen davon haben wir in diesem Jahr gesehen, als „unbedachte“ Äußerungen der Fed den Markt massiv unter Druck gesetzt haben und die Fed daraufhin wieder zurückrudern musste.
Aber das alles hält natürlich die EZB nicht davon ab, jetzt nachzuziehen. Sie will nun ebenfalls im Sinne einer höheren Transparenz die Protokolle der Sitzung des Zentralbankrates veröffentlichen. Wir haben nun die Aussagen der EZB-Mitglieder, die Kommentare des EZB-Chefs nach den Zinssitzungen und die Protokolle der Sitzungen. Ganz ehrlich, wen soll das eigentlich alles noch interessieren? Hier wäre sicherlich weniger Information, die dafür akzentuierter ausfallen würde, hilfreicher.
Und machen wir uns nichts vor: Sobald die Protokolle veröffentlicht werden, finden die eigentlichen Verhandlungen und Diskussionen dann im Vorfeld statt, bei einem Dinner. Was ist also gewonnen?
Niedrigzinspolitik erfordert enge Kommunikation mit dem Markt
Aber wir wissen, warum die Fed und die EZB ein so großes Bedürfnis nach Kommunikation haben. Die extreme Niedrigzinspolitik macht es notwendig, dass die Notenbanken dicht an den Finanzmärkten bleiben. Schließlich ergeben sich daraus auch erhebliche Risiken, die man im Falle der Fälle durch eine erhöhte Kommunikation eventuell abfedern kann.
Eine wilde Theorie
Und so könnte man vielleicht auch daraus einen wichtigen Indikator für die Börse ableiten. Da Notenbanken und Politik immer nur sehr zeitversetzt reagieren können, wird dieses sehr hohe Kommunikationsbedürfnis eher am Ende einer Krise entstehen. Sollten also die Märkte sich beruhigen und in einen langen Aufwärtstrend einmünden, könnten die Notenbanken wieder „wortkarger“ werden. Wenn irgendwann dann wieder die Dicke der Aktentasche eines Notenbankchefs oder etwas Vergleichbares in den Medien thematisiert wird, müsste man wahrscheinlich sofort alles verkaufen. Es wäre der ultimative Hinweis darauf, dass das Ende der Rally nah ist.
Gold nimmt Rückführung der Anleihekäufe vorweg
Dazu passt die Entwicklung im Gold. Hier die weitere Entwicklung des bekannten Charts:
Gold ist aus dem Dreieck nach unten ausgebrochen und hat zudem die 1.260er Marke unterschritten. Damit ist der Weg nach unten wieder frei, sofern es in Verbindung mit der Veröffentlichung des Protokolls nicht ein Fehlsignal wird. Offenbar rechnen einige Gold-Anleger damit, dass in dem Protokoll doch Hinweise auf eine Rückführung enthalten sind. Es wird also, wie immer, spannend…
Jochen Steffens
Stockstreet GmbH