Als ein Tanker einer schwedischen Reederei unter britischer Flagge in der Straße von Hormus von Kräften der iranischen Revolutionswächter Anfang dieser Woche beschlagnahmt wurde, stieg der US-Ölpreis um dürftige 1,1%. Es ist nicht das erste Mal, dass die Ölmärkte in diesem Frühling und Sommer auf Bedrohungen für den Öltransport im Persischen Golf im Wesentlichen mit einem Achselzucken reagiert haben. Als die Ölpreise die steigenden geopolitischen Spannungen im Zentrum des Ölhandels im Nahen Osten weiter ignorieren, wollen die Händler wissen, ob und wann die Ereignisse beginnen könnten, die Märkte zu beeinflussen.
Wieso reagieren die Ölpreise nicht auf die reale und wachsende Bedrohung, die das iranische Militär für die sichere und freie Passage von Öltankern durch die Straße von Hormus darstellt? Dabei sind mehrere Faktoren im Spiel.
1. Abschwächung der Ölnachfrage steht bevor
Anzeichen darauf, dass die Nachfrage nach Öl sich in nächster Zeit abschwächen wird, nehmen zu und spiele eine kritische Rolle dabei, die Ölpreise im jetzigen Markt tief zu halten. Makroökonomische Indikatoren und ein Mangel an Zuversicht, dass der Handelskrieg zwischen den USA und China bald zu Ende geht, sind die Hauptgründe für die jetzige Stimmung am Markt und lassen Befürchtungen in den Hintergrund treten, dass der Ölfluss aus dem Nahen Osten unterbrochen werden könnte.
2. Öllieferungen bislang nicht betroffen
Der Iran hat (noch) nichts konkret unternommen, um die Rohölexporte zu bedrohen oder zu unterbrechen. Keiner der im Juni sabotierten Tankschiffe hatte Rohöl geladen und auch die in dieser Woche festgesetzten Tanker waren leer gewesen. Sehr häufig, wenn diese Ereignisse Schlagzeilen machen, scheint es so, als wären tatsächlich reale Rohöllieferungen betroffen, aber dank Spezialfirmen wie TankerTrackers.com, die in der Lage sind, das Gebiet genau im Auge zu behalten, haben sich Tatsachen und Fakten schnell herumgesprochen, sodass Händler und Marktbeobachter verstehen, dass der Ölfluss ununterbrochen weitergeht. Trotz der bösen Absichten des Irans, hat die heutzutage vorhandene Möglichkeit, Ölschiffe in Echtzeit zu verfolgen, den Ölhändlern essentielle und beruhigende Informationen zukommen lassen.
3. Geopolitische Risiken schon eingepreist
Die geopolitischen Risiken sind schon in den Ölmarkt eingepreist. Das wurde letzte Woche klar, als die Ölpreise fielen, nachdem berichtet worden war, dass die Trump-Administration und der Iran einen diplomatischen Prozess beginnen könnten. Die Meldungen wurden in der Folge rasch dementiert und die Preise stiegen wieder, und demonstrierten damit, dass der Markt diese Art von geopolitischem Risiko im Nahen Osten schon eingepreist hat und nur ein Rückgang der Spannungen eine Anpassung der Preise nach sich ziehen würde.
4. Steigende US-Ölproduktion
Die US-Ölproduktion ist ein gewichtiger Faktor im Markt. Die Vereinigten Staaten fördern rund 12 Mio Fass Öl am Tag und exportieren wachsende Mengen davon an Abnehmerländer, die damit teilweise Öl aus dem Nahen Osten ersetzen. Wöchentliche EIA-Daten zur US-Ölförderung, Vorräten, Exporten und Nutzungsarten haben einen weitaus stärkeren Effekt auf die Preise, als geopolitische Ereignisse am Persischen Golf. Die amerikanische Ölproduktion und -exporte helfen die Preise im Zaum zu halten, trotz der Sanktionen gegen den Iran oder die iranische Bedrohung für Öllieferungen aus dem Persischen Golf.
Und wie lange könne diese vier Faktoren die Ölpreise unten halten, sollte der Iran seine Aggressionen fortsetzen oder sogar eskalieren? Das kommt drauf an.
Ein dauerhafter Anstieg der Preise würde erfordern, dass sich die Situation in mehr als einem der oben angeführten Punkte ändert. Sollten zum Beispiel die Verhandlungen zwischen den USA und China vielversprechend laufen und die Zölle gegen China gesenkt werden und sich ein wie auch immer gearteter Engpass in der US-Ölindustrie hinzugesellen (die Schließung einer Pipeline oder eines Hafen, zum Beispiel), dann würden wir wahrscheinlich einen Anstieg der Ölpreise beobachten können, der dann auch Bestand hat.
Es ist ebenfalls möglich, dass der Iran seine Attacken dramatisch eskaliert, was zu einem neuen Paradigma führen würde, in dem der Markt seine Preiserwartungen erhöhen müsste. Sollte der Iran ernsten Schaden an einem Tanker voller Öl anrichten oder gar einen versenken oder eine Ölpest im Golf verursachen, dann würden wir wahrscheinlich ebenfalls einen Preisanstieg beobachten, der bleiben wird, solange die Bedrohung besteht. Dieses Bedrohungsszenario ist derzeit nicht eingepreist, da die meisten Analysten glauben, dass der Iran nicht selbstzerstörerisch agieren wird und die Region um den Golf zerstören will.
Händler die glauben, dass das Regime in Teheran in seiner Politik vom Eigeninteresse am Überleben gelenkt oder zumindest beschränkt ist, sollten Vorhersagen, dass diese Spannungen am Golf ernsthafte Folgen für die Ölpreise haben werden, mit Misstrauen begegnen. Diejenigen die glauben, dass das iranische Regime völlig unberechenbar und vielleicht erratisch oder irrational ist, könnten eine nicht vorhergesehene drastische Eskalation erwarten, die den Status quo beenden würde.
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