Tallinn (Reuters) - Die Pläne von Deutschland und Frankreich für eine höhere Besteuerung von Internet-Riesen wie Google (NASDAQ:GOOGL) und Facebook (NASDAQ:FB) stoßen in der EU auf Widerstand.
"Wir sollten sehr vorsichtig sein", sagte der dänische Finanzminister Kristian Jensen am Samstag auf einem EU-Treffen im estnischen Tallinn. Es bestehe die Gefahr, dass Europa mit dem Vorstoß innovative Unternehmen vergraulen könnte. Auch Jensens Luxemburger Amtskollege Pierre Gramegna äußerte sich skeptisch und mahnte eine weltweite Vereinbarung an. Es sei nicht sinnvoll für Europa, mit dem Vorschlag alleine vorzupreschen, sagte Gramegna.
Das Thema stand am zweiten Tag des informellen Treffens der EU-Finanzminister in Estland im Mittelpunkt. Deutschland und Frankreich führen eine Gruppe von zehn EU-Ländern an, die nach Wegen suchen, um Internet-Konzerne stärker zu besteuern. Europäische Politiker werfen US-Unternehmen vor, in der EU nicht genügend Steuern zu zahlen. Stattdessen würden die Gewinne in Länder wie Irland und Luxemburg umgeleitet, die sehr niedrige Steuersätze haben. Häufig weisen die Firmen trotz boomender Geschäfte sogar rote Zahlen aus, indem sie komplexe Geschäfts- und Steuerstrukturen für sich nutzen.
Es hat sich schon länger angebahnt, dass die EU die Aktivitäten der meist aus den USA stammenden Online-Konzerne stärker unter die Lupe nimmt. Brüsseler Politiker argumentieren, dass den Bürgern in Europa in Zeiten leerer öffentlicher Kassen nicht vermittelbar sei, warum hochprofitable Unternehmen hierzulande kaum etwas an den Fiskus zahlten.
Im Visier steht etwa Apple (NASDAQ:AAPL). Der iPhone-Hersteller
wurde vor gut einem Jahr von der EU-Kommission dazu verdonnert, wegen eines illegalen Steuerdeals in Irland 13 Milliarden Euro zu zahlen. Nach Berechnungen der EU zahlte Apple 2014 auf seine in Europa erzielten und in Irland gebündelten Gewinne nur 0,005 Prozent Steuern. Der Konzern bestreitet die Vorwürfe.
ZWEI GESCHWINDIGKEITEN
Die Art der Steuerverschiebung will sich die EU nicht länger bieten lassen. "Wir müssen handeln - es ist wichtig für unsere Steuereinnahmen", sagte EU-Kommissions-Vizepräsdent Valdis Dombrovskis in Tallinn. Zum einen werde deshalb an einer globalen Lösung gearbeitet, zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris.
Doch falls der weltweite Ansatz versande, müsse die EU einen Plan B parat haben. Die schnellste und einfachste Lösung wäre es, den Umsatz der Online-Firmen zu besteuern.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich nicht begeistert über die Idee, betont aber auch ihre Vorteile: "Wie so häufig in der Globalisierung ist zweitbeste Lösung besser als gar keine."
Estland, dass derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, preist eine andere Lösung an und will Online-Firmen nicht an ihrem physischen Sitz besteuern, sondern an ihrem digitalen. Die Vorschläge sollen auf dem Digitalgipfel der EU am 29. September in Tallinn diskutiert und bis Ende des Jahres in eine unionsweite Position überführt werden. Einen eigenen Gesetzesvorschlag will die EU-Kommission dann nächstes Frühjahr vorstellen.