Washington/Chicago (Reuters) - Angesichts des schwelenden Handelskonflikts der EU mit den USA dringt die Bundesregierung bei US-Präsident Donald Trump auf baldige Klärung.
Es sei nur noch eine kurze Frist bis zum Ende der Ausnahme der EU von US-Schutzzöllen auf Stahl und Aluminium am 1. Mai, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. "Man sieht schon daran, dass es eine Angelegenheit von großer Dringlichkeit ist." Er warnte, die USA und die EU könnten in eine Spirale eines Handelskonfliktes geraten, der allen schade. Im Regierungslager richten sich nun große Hoffnungen auf das Gespräch zwischen Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus, das am 27. April ansteht.
Die USA erheben zum Schutz der heimischen Industrie einen Zoll von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium und begründen dies mit Sorgen um die nationale Sicherheit. Die EU und sechs weitere Länder sind davon vorerst bis Ende des Monats ausgenommen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hielt sich nach einem Besuch im Weißen Haus zu dem Streitthema Handel bedeckt. Er sprach nach Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence und dem Wirtschaftsberater von Präsident Trump, Larry Kudlow, lediglich von einer "sehr freundlichen" Atmosphäre. Im Laufe des Tages stand ein Treffen mit seinem US-Kollegen Steven Mnuchin an. Bundesbankchef Jens Weidmann erteilte der von Trump angestoßenen Abschottungspolitik in der US-Hauptstadt unterdessen eine Absage: Menschen sollten auf breiter Ebene vom internationalen Handel profitieren. Dazu gebe es viele Möglichkeiten. "Protektionismus, von einem Handelskrieg ganz zu schweigen, ist bestimmt keine Lösung", sagte er auf der IWF-Frühjahrstagung in Washington.
Der neue Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, setzt vor diesem Hintergrund große Erwartungen in das Treffen von Merkel mit Trump. Angesichts vieler Streitthemen gebe es "keine Zeit mit Etiketten zu verschwenden", sagte der CDU-Politiker im Reuters-Interview. "Das Thema Handel ist sicher das dringendste Problem, weil es die amerikanische Frist des 1. Mai gibt", sagte Beyer. Ziel müsse nicht nur eine Verlängerung sein, sondern die vollständige Ausnahme der Europäer sein.
"EUROPA NICHT ZUM SPIELBALL MACHEN"
Beyer forderte einen transatlantischen Wirtschaftsdialog. "Wirtschaftsfragen sind von entscheidender Bedeutung für das transatlantische Verhältnis. Hier darf es keine Spannungen geben." Letztlich stehe China im amerikanischen Denken im Zentrum des Handelsstreits. "Es ist wichtig, dass sich Deutschland und Europa nicht als Spielball in dem Konflikt zwischen USA und China missbrauchen lassen." Diese Gefahr werde in Brüssel und Berlin aber erkannt.
Trump stört sich an dem riesigen Defizit im Warenhandel mit der Volksrepublik. Er wirft China zudem unfaire Handelspraktiken und Diebstahl geistigen Eigentums von US-Firmen vor. Zuletzt schaukelte sich der Streit immer weiter hoch, da sich beide Seiten Strafzölle androhten. Dies beeinträchtigt den Handel bereits: Nur Stunden nach der Ankündigung aus Peking vom Dienstag, auf US-Hirseimporte Strafzölle von bis zu knapp 180 Prozent zu verhängen, änderten mindestens fünf Frachter mit dem Ziel China auf hoher See ihren Kurs. (Grafik dazu: https://tmsnrt.rs/2JZz9An) Insgesamt waren zu dem Zeitpunkt nach Auskunft der US-Behörden 20 Schiffe unterwegs, die überwiegend an der texanischen Golf-Küste mit US-Hirse beladen worden waren. Sie haben 1,2 Millionen Tonnen des Getreides im Wert von mehr als 216 Millionen Dollar gebunkert.