BERLIN (dpa-AFX) - Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat Ungarn in der Debatte um drohende Nahrungsmittelengpässe vor Protektionismus als Reaktion auf den Ukraine-Krieg gewarnt. "Ich rate allen Staaten, hier vernünftig zu agieren. Ich sage das auch an die Adresse des EU-Mitglieds Ungarn", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Wer seine Märkte schließt, handelt wie ein Brandbeschleuniger. Wenn das alle machen, fahren wir gegen die Wand. Dann schießen die Preise durch die Decke."
Zugleich bekräftigte Özdemir eine stärkere Unterstützung des Welternährungsprogramms. "Wir sind zweitgrößter Zahler nach den USA - und wir werden mehr machen als in der Vergangenheit", sagte er. 50 Prozent des Getreides für das World Food Programme kämen bisher aus der Ukraine: "Nun muss das WFP auf anderen Märkten trotz steigender Preise Weizen kaufen." Bereits am Freitag hatte Özdemir mitgeteilt, Deutschland wolle bis zu 200 Millionen Euro zusätzlich für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen bereitstellen.
Im Streit über den Umgang mit Brachflächen in der Landwirtschaft unterstützt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Vorschlag Özdemirs, ökologische Vorrangflächen in diesem Jahr für Futtermittel zu nutzen. Es gehe hauptsächlich um Flächen, auf denen schon jetzt der Anbau von Zwischenfrüchten erlaubt sei. "Die Ausnahme, die nur für dieses Jahr gelten soll, erlaubt nun auch die Nutzung dieser Zwischenfrüchte als Futtermittel." Eine allgemeine Freigabe dieser ökologischen Vorrangflächen inklusive des Pestizideinsatzes sei nicht sinnvoll, sagte Lemke. Aus Sicht von unions- und SPD-geführten Ländern sollten brachliegende Agrarflächen zeitweise auch für den Anbau zur Lebensmittelversorgung freigegeben werden. Doch die grünen Ressortchefs im Bund und in den Ländern sehen das anders.
Aus Sicht von Lemke gibt es effektivere Maßnahmen: "In Deutschland müssen wir insgesamt unsere Flächennutzung neu bewerten." Mehr als die Hälfte der Ackerflächen werde zum Anbau von Tierfutter genutzt. Knapp 60 Prozent des angebauten Getreides würden verfüttert. Darüber hinaus würden Flächen für den Anbau von Pflanzen wie Raps für den Tank genutzt. "Da stellt sich schon die Frage, ob das sinnvoll ist.