von Robert Zach
Investing.com - Die Ölpreise dürften in den kommenden Wochen aufgrund der unsicheren Entwicklung der Nachfrage und eines "beängstigenden" Lagerüberhangs in den Pullback-Modus übergehen, meinte Goldman Sachs (NYSE:GS) in einer Notiz vom Montag.
"Der Zusammenbruch der (Raffinerie) Margen auf beispiellose Tiefststände spiegelt sowohl überhöhte Rohölpreise als auch eine moderatere Erholung der Nachfrage wider, zwei Säulen, auf denen unsere kurzfristig bärische Sichtweise beruht", sagte die Wall-Street-Bank.
Goldman geht davon aus, dass Brent kurzfristig auf 35 Dollar pro Barrel fallen wird. Am Montag erreichte die Nordseesorte mit Notierungen von 43 Dollar den höchsten Stand seit Anfang März.
Die Ölpreise kletterten am Montag auf ein Dreimonatshoch, nachdem das Kooperationsbündnis OPEC+ vereinbart hatte, die Produktionssenkungen in einer Rekordhöhe von 9,7 Millionen Barrel pro Tag bis in den Juli hinein zu verlängern, trotz Anzeichen auf eine schneller als erwartet einsetzende Erholung der Wirtschaft. Allerdings soll Saudi-Arabien gesagt haben, dass das Land die im Mai und Juni freiwillige zusätzliche Förderkürzung nicht über Juni hinaus verlängern werde.
Brent-Futures wurden am Dienstag bei rund 40,5 Dollar pro Barrel gehandelt. Der Benchmark-Kontrakt ist seit dem Erreichen von 15,98 Dollar im April - seinem schwächsten Stand seit Juni 1999 - um mehr als 150% gestiegen.
Die Rohöl-Futures für die US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) verbilligten sich vor den heute Abend anstehenden API-Daten, die einen Einblick in die Lagersituation in den USA geben werden, auf 38,02 Dollar pro Barrel.
Goldman erhöhte seine Brent-Preisprognose für 2020 von 35,60 Dollar zuvor auf 40,40 Dollar pro Barrel und verwies auf die positive Stimmung hinsichtlich der Wiedereröffnung der Volkswirtschaften. Die WTI-Preise werden in diesem Jahr voraussichtlich 36 Dollar erreichen. Zuvor lag die Prognose von der US-Großbank bei 33,10 Dollar.
"Diese Erholung wurde durch makroökonomisches Risikobereitschaft und eine politisch herbeigeführte Importorgie in China ausgelöst, während die Fundamentaldaten aber bärisch werden", schrieb Goldman.
Angesichts von Nachfrageerwartungen, die einer graduelleren und immer noch unsicheren Erholung davongelaufen sind, steht der Ölmarkt vor der großen Herausforderung, eine Milliarde Barrel überschüssiger Lagerbestände auf ein Normalniveau abzubauen, schrieben Analysten der Bank.
Goldman geht davon aus, dass das Angebot mit der Wiederinbetriebnahme der Produktion in den US-Schieferölgebieten und in Libyen wieder zunehmen wird, was zu einem Defizit von 1,2 Millionen Barrel pro Tag (bpd) führend würde, während dieses in der letzten Schätzung noch mit 2 Millionen bpd für Juni angegeben worden war.
Ähnlich skeptisch hatte sich gestern bereits Morgan Stanley zu den kurzfristigen Aussichten am Ölmarkt geäußert. In einer Notiz hieß es, dass die Rallye "eher angebots- als nachfrageorientiert erscheint und die Frage aufwirft, wie stark die Raffinerieauslastung vor diesem Hintergrund zunehmen kann“.
Es sei unwahrscheinlich, dass der Verbrauch vor Ende 2021 wieder vollständig auf das Niveau von vor der Corona-Pandemie zurückkehren werde, erklärte Morgan Stanley (NYSE:MS) und fügte hinzu, dass die Lager nach den Einspeisungen im April ungewöhnlich voll seien.
Das Wachstum der US-Schieferölförderung könnte zudem auf Niveaus zurückkehren, die zu hoch sind, sollte die US-Leitsorte WTI zu deutlich über Werten von 40 Dollar gehandelt werden.
Die Bank sieht auch ein Risiko bei der Einhaltung der Produktionskürzungen durch die OPEC-Staaten, die zu ungewöhnlich hohen Kapazitätsreserven geführt haben.
"Wenn die Kürzungen einmal aufgehoben werden, könnte die Produktion stark zunehmen", gab Morgan Stanley zu Bedenken.
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