Von Geoffrey Smith
Investing.com - Nachdem die deutsche Regierung die Lufthansa (DE:LHAG) mit Milliardenhilfen gerettet hat, ist nun eine Beteiligung an TUI (DE:TUIGn), dem größten Tourismusunternehmen der Welt, in aller Munde.
Die jüngste staatliche Finanzspritze führte bei TUI zu einer gewissen Selbstsicherheit und so legte man am Donnerstag einen Quartalsbericht vor, in dem von einer Übergangsphase bis 2022 und einer rosigen Zukunft die Rede war. Doch die Realität sieht ganz anders aus: Ohne die Unterstützung wäre das Unternehmen nicht lebensfähig und bis zu 70.000 Menschen würden ihren Arbeitsplatz über kurz oder lang verlieren.
Berlin beteiligt sich an dem Konzern mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro (1,42 Milliarden Dollar). Was nicht vergessen werden darf ist, dass nur vier Monate zuvor Kredite in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bereitgestellt wurden. Von der Beteiligung entfallen 150 Millionen Euro auf eine Anleihe, die der Staat in eine Beteiligung von 9% an der Gruppe umwandeln kann. Außerdem scheint ein weiterer Liquiditätsabruf an die derzeitigen Investoren möglich, nachdem die Gruppe am Donnerstag erklärt hat, dass sie "Möglichkeiten evaluieren wird, um die optimale Bilanzstruktur zur langfristigen Unterstützung des Unternehmens zu erreichen". Wer die Zeichen richtig deutet merkt ganz schnell, dass man sich auf eine längere Durststrecke einstellt und wer bitteschön glaubt dann noch die Geschichte von einer rosigen Zukunft ab 2022?
Die Finanzspritze reicht gerade einmal für die 1,1 Milliarden Euro, die TUI in den drei Monaten bis Juni, dem dritten Quartal des Geschäftsjahres, vor Gewinn und Steuern verloren hat. Die Einnahmen fielen um 98% (sic), da Kunden in ganz Europa gezwungen waren, ihre Urlaubspläne zu stornieren. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, verlor das Unternehmen außerdem 189 Millionen Euro durch Treibstoff- und Devisenabsicherungsgeschäfte.
Auf Basis dieser erschreckenden Zahlen kann man selbstverständlich von einer rosigen Zukunft sprechen, denn viel schlechter geht es nicht mehr. Bis heute verfügt das Unternehmen über eine Gesamtliquidität und verfügbare Fazilitäten von 2,4 Milliarden Euro. Das existenzielle Risiko für das TUI Geschäft ist so zumindest vertagt worden. Die Buchungen für das nächste Jahr liegen um 145% über dem Vorjahresniveau. Ein Zeichen dafür, dass das Bedürfnis nach Urlaub noch vorhanden ist.
Angesichts der unausgewogenen Fortschritte bei der Wiedereröffnung der europäischen Wirtschaft wird es sich erst noch zeigen müssen, ob der Konzern im laufenden Quartal sein Ziel eines ausgeglichenen Cash-Breakeven erreicht. Die Buchungen sind um 81% und die durchschnittlichen Verkaufspreise um 10% gesunken. Die Kreuzfahrtschiffe liegen noch immer vor Anker und viele Flugzeuge stehen am Boden. Erst diese Woche musste TUI wegen des Wiederauflebens der Covid-19-Fälle auf den Kanarischen und Balearen-Inseln die Aussetzung britischer Flüge ausdehnen. Das spanische Festland wurde bereits vorher nicht mehr angeflogen.
CEO Fritz Joussen sagte, dass er ein "Übergangs"-Fiskaljahr anstrebe, das im Oktober beginnt, um dann mit einer neuen, schlankeren Normalität im Geschäftsjahr 2022 weiterzumachen. Im deutschen Fernsehen sagte er am Mittwoch, dass "das Geschäftsmodell noch intakt" sei.
Wen wundert diese Aussage, wenn das Geschäftsmodell auf mehr als 3 Milliarden Euro an Steuergeldern beruht und die Regierung in Anbetracht der erwarteten Arbeitsplatzverluste bereit ist dem schlechten Geld weiteres gutes hinterherzuwerfen. Der bis heute angekündigte Abbau von 8000 Arbeitsplätzen ist sicherlich nicht der letzte.
Die TUI Aktie, die nach der Ankündigung der Rettungsaktion am Mittwoch das Ein-Monats-Hoch erreichte, fiel am Donnerstag um 5,1%, da das Ausmaß der finanziellen Herausforderungen langsam aber sicher deutlich wurde. Der DAX gab 0,1% ab.