Von Robert Zach
Investing.com - Die Rohöllagerbestände in den USA sind letzte Woche überraschend gefallen. Der Bericht lieferte weitere Beweise dafür, dass der US-Ölmarkt womöglich das Schlimmste schon überstanden hat. Fraglich ist, ob der Ölpreis deshalb bereits für eine nachhaltige Erholung bereit ist. Tatsächlich reagierten die Ölhändler zunächst euphorisch auf den Lagerbericht der US-Energiebehörde und die US-Ölsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Juni-Lieferung stieg auf 26,44 Dollar je Barrel. Allerdings konnte der Terminkontrakt die Gewinne nicht halten und drehte gegen 16.45 Uhr wieder ins Minus.
Die von der Energy Information Administration (EIA) errechneten US-Rohöllagerbestände in der Woche bis zum 8. Mai fielen um 700.000 Barrel. Die Zahl stand im krassen Gegensatz zu der Schätzung des American Petroleum Instituts (API), das den Lageraufbau auf 7,6 Millionen Barrel taxierte. Auch die von Reuters befragten Fachleute lagen mit plus 4,1 Millionen Barrel voll daneben. So kam es zum ersten Lagerabbau seit Januar. In die strategische Ölreserve (SPR) wurden 1,9 Millionen Barrel eingelagert.
Erfreulich war auch die Entwicklung der Lagerbestände am wichtigen Umschlagplatz für WTI in Cushing, Oklahoma. Die hiesigen Reserven an der bekannten "Pipeline Kreuzung der Welt" gingen um mehr als 3 Millionen Barrel zurück. Nichtsdestoweniger bleiben die Lagerkapazitäten hoch. Nach eigenen Hochrechnungen sind die dortigen Ölspeicher zu 81 Prozent gefüllt.
Hauptgrund für den Rückgang der Rohöllagerbestände war wohl der sich fortsetzende Rückgang der Ölproduktion. Sie ging um weitere 300.000 Barrel letzte Woche zurück und steht aktuell bei 11,6 Millionen Barrel pro Tag. Seit den Märzhochs wurde die Produktion insgesamt um gut 1,5 Millionen Barrel pro Tag gedrosselt. Angesichts der katastrophalen Folgen des Ölpreis-Crashs für die Bilanzen der US-Ölförderer dürfte sich dieser Trend auch nicht so schnell umkehren. Gestützt hatte den Rückgang der Ölreserven zudem die Tatsache, dass die Nettoimporte letzte Woche um 300.000 Barrel pro Tag gefallen waren.
Parallel zum starken Wachstum der impliziten Benzinnachfrage, die im Vergleich zum Vormonat um gut 40 Prozent gestiegen ist, sind die Benzinvorräte um 3,5 Millionen Barrel zurück gegangen.
Der EIA-Bericht gibt Grund zur Hoffnung. Die Sorgen um die Lagerkapazitäten in den USA lassen nach, aber dennoch bleiben die Aussichten für die Ölnachfrage auf kurze Sicht weiterhin düster. Das Ölkartell Opec senkte heute seine Prognose für die globale Ölnachfrage um 2,23 Millionen Barrel pro Tag. Die Organisation erwartet in ihrem Monatsbericht, dass die Nachfrage um 9,07 Millionen Barrel täglich auf 90,59 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2020 fallen werde. Die beispiellosen Förderkürzungen durch die Opec+ dürften jedoch zumindest in der zweiten Jahreshälfte einen tragfähigen Boden unter die Ölpreise spannen.
Das an der ICE gehandelte Barrel der Sorte Brent Öl zur Juli-Lieferung (CBN20) verlor 2,76 Prozent auf 29,16 Dollar. Für das an der Warenterminbörse NYMEX in New York gehandelte Rohöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI-Öl) mit einer Laufzeit bis Juni (CLM20) geht es um 1,98 Prozent nach unten auf 25,27 Dollar.
Der Preisunterschied zwischen Brent und WTI, der so genannte Spread, verengte sich in der Spitze auf 3,29 Dollar und schloss bei 3,56 Dollar. Die von der CBOE errechnete zu erwartende Volatilität für die US-Sorte WTI Öl sank um 2,6 Prozent auf 84,60 Indexstellen. So tief stand das Volatilitätsbarometer zuletzt Anfang März.
Der Spread zwischen Juni und Juli WTI steht bei 0,41 Dollar, nach knapp 7 Dollar Ende April. Steigt das Contango, signalisiert dies in der Regel ein hohes Überangebot bei Öl. Nimmt die Steigung ab, so ist dies ein Zeichen dafür, dass die Sorge vor einem anhaltenden Überangebot leicht zurück geht.
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