- von Andreas Rinke und Tom Körkemeier
Berlin/Brüssel (Reuters) - Für einen eintägigen EU-Gipfel sieht das Programm der 28 EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag prall gefüllt aus: Es soll über Syrien, die Ukraine, über Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik, über Flüchtlinge und den Brexit gesprochen werden.
Aber die Tatsache, dass Ratspräsident Donald Tusk den eigentlich zweitägigen Gipfel auf den Donnerstag zusammengestrichen hat, zeigt schon, dass kein Treffen echter Weichenstellungen geplant ist. Dennoch bewege man sich wegen vieler nationaler Befindlichkeiten "auf einem Minenfeld", wie ein hochrangiger EU-Vertreter in Brüssel sagt.
Zumindest für eine verstärkte MILITÄRISCHE ZUSAMMENARBEIT in der EU wollen die Regierungen einen Schub geben: Vor allem Deutschland und Frankreich wollen sich hinter Vorschläge der EU-Kommission stellen, etwa in eine gemeinsame Militärforschung einzusteigen. "Wir sind auf diesem Gebiet nicht immer ein einfacher Partner. Umso wichtiger ist es, dass wir uns engagieren", heißt es dazu in Berlin. Allerdings werden in Brüssel Debatten darüber erwartet, wie konkret sich die EU-Staaten verpflichten sollten, ihre Verteidigungsausgaben angesichts einer größeren Bedrohung zu erhöhen. Denn nicht alle 28 Länder gehören der Nato an, die für ihre Mitglieder die Selbstverpflichtung vorsieht, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Sicherheit und Verteidigung auszugeben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nimmt an den Beratungen teil.
Bei anderen Themen werden nur wenige kontroverse Debatten erwartet. So stellt die EU-Kommission den Kompromiss vor, der der niederländischen Regierung ermöglichen soll, nach dem gescheiterten Referendum doch noch dem EU-UKRAINE-ASSOZIIERUNGSABKOMMEN zustimmen zu können. Beim Thema MIGRATION präsentiert die Brüsseler Behörde einen Fortschrittsbericht über die Verhandlungen mit afrikanischen Ländern. Und gegen die Verlängerung der EU-Sanktionen gegen RUSSLAND gibt es nach Angaben aus der Bundesregierung keinen Widerstand. Die Umsetzung könne schon am Freitag eingeleitet werden. "Es wird eine Frage von Tagen sein", bestätigt der Brüsseler EU-Vertreter.
Dass Tusk die britische Premierministerin Theresa May angesichts des bevorstehenden BREXITS gebeten hat, noch vor dem gemeinsamen Abendessen abzureisen, gilt zwar als kleine Spitze der 27 EU-Staaten gegen die abtrünnigen Briten. Aber auch im kleineren Kreis werden keine Beschlüsse erwartet. Die 27 wollen sich versichern, dass niemand aus der Verhandlungsfront ausschert. Ansonsten warten alle darauf, dass May den Austrittsantrag in Brüssel einreicht - was sie bis spätestens Ende März tun will.
WAS BEDEUTET TRUMP FÜR EUROPA?
Ein Thema steht offiziell gar nicht auf der Agenda des EU-Gipfels, obwohl es die Welt grundlegend verändert: Was bedeutet der neue US-Präsident DONALD TRUMP für Europa? Eine solche Debatte sei nicht vorgesehen, heißt es in Berlin. Allerdings müssen sich die 28 Politiker mit den bereits jetzt sichtbaren Folgen beschäftigen. Seit der Wahl Trumps erleidet die Opposition in SYRIEN im Kampf gegen Staatschef Baschar al-Assad eine Niederlage nach der anderen. Trump hat bereits angekündigt, die US-Hilfe für sie zurückzufahren und eine Verständigung mit Assads Verbündetem Russland suchen zu wollen.
Weil die Europäer nicht militärisch in den Konflikt eingreifen, sondern sich auf den Kampf gegen die Extremistenmiliz IS konzentrieren wollen, wird die Abschlusserklärung wohl auf eine Mischung aus Empörung und Aufforderung an die Kriegsparteien hinauslaufen, die Versorgung der Bevölkerung in Aleppo sicherzustellen. Inwieweit weitere Sanktionen gegen Russland angedeutet werden könnten, ist offen.