BERLIN (dpa-AFX) - Die umstrittene Ökostromreform von Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) nimmt konkretere Züge an. In einem Entwurf für ein neues Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), der am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur vorlag, wurden geplante Einschnitte, etwa bei Solaranlagen, teilweise nochmals verschärft und Fördersätze präzisiert. Zudem sollen die umstrittenen Rabatte für Bahnen und Verkehrsbetriebe bei der Ökostrom-Umlage neu geregelt werden. Im Streit um den Ausbau der Stromnetze suchten Bund und Länder bei einem Treffen im Kanzleramt nach Kompromissen. Bayern und Thüringen wollen aber nicht nachgeben.
Wie aus dem EEG-Entwurf hervorgeht, sollen künftig auch kleinere Bahnbetriebe ab einem Stromverbrauch von drei statt bisher zehn Gigawattstunden in den Genuss von Nachlässen kommen, um von der EU-Kommission monierte Wettbewerbsverzerrungen zu mindern.
Damit diese Ausweitung nicht die Strompreise der anderen Verbraucher zusätzlich belastet, sollen die begünstigten Bahnunternehmen für 15 Prozent des verbrauchten Stroms die volle Ökostrom-Umlage von 6,24 Cent je Kilowattstunde zahlen, für den restlichen Strom 0,05 Cent je Kilowattstunde.
Die EU-Kommission fordert eine Reduzierung der Rabatte für die deutsche Industrie bei der Ökostrom-Förderung. 2014 steigen die Begünstigungen nach neuen Schätzungen auf das Rekordniveau von 5,1 Milliarden Euro. 'Wenn wir es schaffen, eine Milliarde da rauszukriegen, dann wären wir schon außerordentlich gut', hatte Gabriel zuletzt betont.
Der Vize-Fraktionschef der Grünen, Oliver Krischer, warf Gabriel vor, ohne Not etwa den Ausbau von Windenergie an Land auszubremsen: 'Das Absurde ist, dass durch die Vorschläge zur Reform des EEG von Schwarz-Rot der Strompreis keinesfalls sinken wird', sagte Krischer.
Gabriel trifft am kommenden Montag in Berlin den zuständigen EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. In dem Entwurf für die EEG-Reform, die zum 1. August in Kraft treten soll, verteidigt die Bundesregierung erneut die Rabatte und warnt bei einem Wegfall davor, dass deutsche Industriebetriebe dann Fabriken ins Ausland verlagern könnten. Konzerne könnten auch in Länder ausweichen, die deutlich weniger ehrgeizige Klimaschutzziele hätten. 'Dies würde zu einer Erhöhung des globalen Ausstoßes von Treibhausgasen führen', schreiben Gabriels Beamte.
Unter Leitung von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) berieten in Berlin Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haselhoff (CDU), die bayerische Energieministerin Ilse Aigner (CSU) und Thüringens Staatskanzleiminister Jürgen Gnauck (CDU) mit den Netzbetreibern 50Hertz und Amprion. Dabei ging es vor allem um eine 450 Kilometer lange Trasse zwischen Bad Lauchstädt (Sachsen:Anhalt) und Meitingen (Bayern), die Braunkohle- und Windstrom in den Süden bringen soll. Thüringen zeigte sich hart.
Für diese Trasse durch Ostthüringen sehe sie derzeit keine zwingenden Argumente, erklärte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) in Erfurt. 'Wir haben unser Soll erfüllt', sagte sie mit Blick auf die 'Thüringer Strombrücke' als Nord-Süd-Verbindung für Windstrom, die derzeit durch den Thüringer Wald Richtung Bayern gebaut wird. Der Freistaat sei deshalb 'im Moment nicht zu Kompromissen bereit'.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte einen Planungsstopp gefordert, um später in einem Gesamtpaket zu entscheiden. 'Wir wollten die Energiewende, wir stehen zur Energiewende, es wird auch kein Zurück zur Kernenergie geben', sagte er am Mittwoch in München. Es sei aber zugleich 'völlig natürlich', dass es dabei auch Diskussionen gebe, 'die außerhalb der Staatskanzlei und des Kanzleramtes immer als Streit aufgefasst werden'. Im März sind Kommunalwahlen in Bayern. 2013 hatten Bundestag und Bundesrat im Bundesbedarfsplangesetz 36 vordringliche Stromnetz-Projekte beschlossen, auch mit Stimmen der CSU.
Am Mittwochabend wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Chefs führender europäischer Energiekonzerne über Klimaschutz, Investitionsbedingungen und den Emissionshandel diskutieren. An dem lange geplanten Meinungsaustausch sollten auch Gabriel, Altmaier und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) teilnehmen.