Ein genauerer Blick auf das Thema Zölle und die attraktivsten Makro-Anlageklassen für den Start ins Jahr 2025.
Was passiert, wenn sich Zölle nicht als inflationstreibend, sondern als wachstumshemmend erweisen? Und was, wenn Trump im ersten Halbjahr auf kurzfristig schmerzhafte Maßnahmen setzt, um im zweiten Halbjahr durch Steuererleichterungen wieder für Schwung zu sorgen?
Diese Überlegung wird im aktuellen Marktkonsens bisher kaum berücksichtigt – doch genau hier lohnt es sich, genauer hinzusehen.
Lassen Sie uns den Gedankengang hinter der Idee „Zölle mit anti-inflationärer Wirkung“ etwas aufdröseln.
In einer aktuellen Analyse des neuen Vorsitzenden des Council of Economic Advisors (CEA), Steve Miran, wird dieses Konzept näher beleuchtet. Hier eine kompakte Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:
Die Grundidee ist überraschend simpel. Während der vorherigen Amtszeit der Trump-Administration stieg der effektive Zollsatz auf chinesische Importe um 18 %. Gleichzeitig legte der USD gegenüber dem chinesischen Yuan um 14 % zu (USD/CNY).
Was bedeutet das konkret? Trotz der Zölle blieb der Preis chinesischer Waren in US-Dollar fast unverändert. Solange der Dollar weiter an Wert gewinnt, werden US-Verbraucher kaum spürbare inflationäre Effekte durch Zölle wahrnehmen.
Wir wissen jedoch auch, dass Zölle die Stimmung in der Wirtschaft belasten und Investitionen sowie Wachstum ausbremsen können. Selbst wenn sie als Verhandlungstaktik schrittweise eingeführt werden, sendet das eine unmissverständliche Botschaft: Wer weiterhin Produkte in die USA exportieren will, muss sein Geschäftsmodell anpassen oder Einbußen bei den Gewinnen in Kauf nehmen.
Hinzu kommt, dass ein stark aufgewerteter US-Dollar für Unternehmen in den USA zur doppelten Herausforderung werden kann. Denn es ist gut dokumentiert, dass ein „Super-Dollar“ das Ertragswachstum bremst – insbesondere für Unternehmen mit einem hohen internationalen Umsatzanteil.
US-Unternehmen erzielen rund 60 % ihrer Einnahmen außerhalb der Vereinigten Staaten – ein starker US-Dollar ist für dieses Geschäftsmodell alles andere als förderlich.
Die historischen Daten zeigen deutlich, was passieren kann: Sowohl zwischen 1996 und 2001 als auch erneut von 2021 bis 2023 führte eine unaufhaltsame Dollar-Aufwertung (orangefarbene Linie nach unten) dazu, dass das Gewinnwachstum (blau) der US-Unternehmen allmählich unter Druck geriet.
Der Grundgedanke, dass betroffene Länder Zölle einfach durch eine Abwertung ihrer Währungen ausgleichen könnten, mag in manchen Fällen zutreffen. Doch dies birgt eine entscheidende Annahme: dass diese Länder diese Abwertung tatenlos hinnehmen.
Und genau hier wird es spannend. Warum sollte China beispielsweise nicht versuchen, aktiv gegenzusteuern? Eine Stabilisierung des Yuan wäre durchaus denkbar – oder sogar eine Strategie, die darauf abzielt, wirtschaftlichen Druck auf die USA auszuüben, indem Inflation in den US-Markt „exportiert“ wird.
Versetzen wir uns einmal in die Lage der Entscheidungsträger im chinesischen System:
Im Grunde stehen China drei Strategien offen:
- Den Schlag akzeptieren: Den Yuan (CNY) abwerten lassen und die Nachteile in Kauf nehmen.
- Zurückschlagen: Die Währung stützen, indem massiv US-Dollar-Reserven verkauft werden, um sich aktiv gegen die USA zu behaupten.
- Auf Zeit spielen: Eine abwartende Strategie verfolgen und taktisch kluge Maßnahmen ergreifen, um den Druck zu verteilen.
Ich bin überzeugt, dass China sich für Option 3 entscheiden wird – und genau das ist der Kern meiner Überlegung.
Während die Trump-Regierung auf die Zwischenwahlen 2026 zusteuert, steht China vor einer anderen Ausgangslage: Die chinesische Führung muss sich keiner Wählerbasis stellen. Das verschafft ihr die nötige Geduld, langfristige Strategien zu verfolgen, anstatt auf kurzfristige Eskalationen zu setzen.
Zwei denkbare Säulen dieser Strategie:
A) Gezielte Abwertung des CNY bei gleichzeitigem Einsatz fiskalischer Anreize
China könnte es sich leisten, eine schrittweise und kontrollierte Abwertung seiner Währung zuzulassen, um den Handel auszugleichen, während es das wirtschaftliche Loch mithilfe von Investitionsprogrammen und anderen fiskalischen Anreizen stopft. Dies wäre ein Mittelweg: Der Yuan wird nicht komplett fallen gelassen, aber auch nicht auf Kosten gigantischer Reserven künstlich hochgehalten.
B) Umgehung der Zölle durch Handel über Drittstaaten
China könnte sich weiterhin „Strohmänner“ im Handel zunutze machen – beispielsweise durch befreundete Nachbarländer wie Vietnam, Südkorea, Thailand und Malaysia.
Diese Hypothese ist nicht aus der Luft gegriffen. Seit der Einführung der ersten Trump-Zölle im Jahr 2018 ist das direkte Handelsvolumen zwischen den USA und China (inklusive Hongkong) um 5 % gesunken. Gleichzeitig ist der Handel zwischen den USA und genau diesen asiatischen Ländern deutlich gestiegen.
Zufall oder Strategie?
Der allgemeine Marktkonsens sieht die Einführung neuer Zölle als folgendes Szenario:
- Ein bedeutendes Makroereignis, das die Finanzmärkte bewegt.
- Negative Auswirkungen vor allem für den Rest der Welt, während das US-Wirtschaftswachstum dank „US-Wachstums-Exzeptionalismus“ weiter robust bleibt.
- Ein zusätzlicher Unsicherheitsfaktor, der die Inflationsvolatilität in den USA erhöht.
Doch was, wenn dieser Konsens in allen drei Punkten falsch liegt?
Ich halte es für durchaus möglich, dass wir in eine Situation geraten, in der:
- Trump Zölle zwar schrittweise und wohlüberlegt einführt,
- China erfolgreich die meisten Zölle umgeht, indem es den Handel über Drittstaaten lenkt,
- die viel befürchtete Inflationsvolatilität ausbleibt,
- sich das Wachstum dennoch verlangsamt – nicht wegen der Zölle an sich, sondern weil Unternehmen angesichts der Unsicherheit weniger investieren.
In einem solchen Umfeld könnte sich der Markt also nicht wie erwartet auf steigende Inflationsrisiken konzentrieren, sondern auf die zunehmende Wachstumsunsicherheit. Das Ergebnis? Ein stärkerer Fokus auf sichere Anlageklassen wie Anleihen.
Unsere Modelle zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, die in den Optionspreisen impliziert ist, dass die Fed die Zinsen in den nächsten 12 Monaten erneut anhebt, bei 40 % liegt. Das ist eine bemerkenswert hohe Quote und verdeutlicht, wie aggressiv die Marktteilnehmer aktuell auf eine restriktive Geldpolitik setzen – trotz Anzeichen, dass sich das Wirtschaftswachstum abschwächen könnte.
Und nicht nur das: Die Zinskurve ist steiler geworden, und die Laufzeitprämie hat sich bis zum langen Ende der Renditekurve ausgeweitet.
Bei einem aktuellen Leitzins von 4,25 % wäre die Hürde für eine weitere Zinserhöhung seitens der Fed sehr hoch. Gleichzeitig notieren die 10-jährigen Staatsanleihen bei einer Rendite von 4,60 %, was Anlegern einen positiven Carry bietet – ein potenziell attraktives Renditeprofil im aktuellen Umfeld.
Warum das Timing für Anleihen günstig sein könnte
Anleihen werden besonders dann interessant, wenn Sie davon ausgehen, dass:
- der starke US-Dollar die Unternehmensgewinne zunehmend bremst und
- der Einfluss der Zölle auf das Wachstum überschätzt wird, während der Inflationsschock ausbleibt.
In diesem Szenario könnte sich der Fokus der Märkte schnell verlagern – weg von der Erwartung einer höheren Inflation hin zu den Risiken eines schwächeren Wachstums und potenziellen Zinssenkungen.
Für Anleger könnte das bedeuten, dass Anleihen nicht nur eine defensive Anlage sind, sondern eine Chance bieten, von einer möglichen Neubewertung des makroökonomischen Umfelds zu profitieren.
Das war's für heute – bleiben Sie informiert und wachsam.
Haftungsausschluss: Dieser Artikel wurde ursprünglich auf The Macro veröffentlicht. Werden Sie Teil der lebendigen Community von Makro-Investoren, Asset Allocators und Hedge-Fonds - finden Sie heraus, welche Abo-Stufe am besten zu Ihnen passt, indem Sie auf diesen Link klicken.