LUXEMBURG (dpa-AFX) - Im Rechtsstreit um Kompetenzen der europäischen Börsenaufsicht ESMA hat Großbritannien eine überraschende Schlappe erlitten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) urteilte am Mittwoch in Luxemburg, die Aufseher dürften in Krisensituationen sogenannte Leerverkäufe verbieten. Darunter versteht man riskante Börsenwetten, bei denen ein Händler Wertpapiere verkauft, die er zum Verkaufszeitpunkt nicht besitzt. Während der Finanzkrise waren Leerverkäufe in die Kritik geraten, weil sie die Aktienkurse mächtig ins Rutschen brachten. (Rechtssache C-270/12)
Die britische Regierung hatte beim höchsten EU-Gericht gegen die Kompetenz der ESMA bei den Leerverkäufen geklagt. Das Urteil überraschte, weil der einflussreiche Gutachter des höchsten EU-Gerichts empfohlen hatte, London Recht zu geben und den entsprechenden Artikel 28 der EU-Verordnung zu kippen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, seinen Gutachtern zu folgen, macht es in der Praxis aber häufig.
'Wir sind enttäuscht, dass der Europäische Gerichtshof der Klage Großbritanniens in diesem Fall nicht stattgegeben hat', sagte ein Sprecher des britischen Finanzministeriums in London. 'Wir haben immer wieder gesagt, dass wir strenge und funktionierende Finanzregulierung wollen. Aber wann immer Macht an EU-Einrichtungen übertragen wird, muss das in Übereinstimmung mit den EU-Verträgen erfolgen, und es muss Rechtssicherheit gewährleistet sein.'
Der Artikel 28 der EU-Verordnung gibt der ESMA Eingriffsbefugnisse an den Märkten. Das Gericht stellte nun fest, dass diese Kompetenzen genau eingegrenzt seien und mit EU-Recht Einklang stünden.
Das Urteil ist laut Diplomaten ein wichtiges Signal für die Finanzmarktgesetzgebung in der EU. Denn auch die im Dezember von den EU-Finanzministern vereinbarte Einrichtung eines gemeinsames Abwicklungssystems für Pleitebanken gründet sich - wie die Leerverkäufe-Verordnung - auf den Artikel 114 des EU-Vertrags. Dieser Artikel erlaubt Regelungen für den gemeinsamen europäischen Binnenmarkt./cb/dm/DP/jkr