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Börse Frankfurt-News: 'Der Nebel lichtet sich' (Roth)

Veröffentlicht am 15.03.2012, 15:45
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 15. März 2012. Oliver Roth beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Griechenland in der rauen See der Eurokrise über Wasser halten und die Lecks wieder abdichten kann, sollte die übrige EU-Flotte von dannen ziehen.

Der Nebel war dicht. Man konnte kaum seine eigene Hand vor den Augen erkennen. Der Flottenverband war plötzlich auf dem offenen Meer ins Stocken geraten. Eines seiner ältesten Schiffe hatte mitten auf See Schlagseite erlitten. Nur mühsam konnte es sich jetzt noch über der Wasserlinie halten. Die Besatzung des havarierten Schiffs mühte sich redlich, den Abstand zum Rest der Flotte nicht zu groß werden zu lassen.

Man war vor langer Zeit mit den Anderen in See gestochen, obwohl alle wussten, dass das Schiff bereits beim Auslaufen nicht für diese Reise taugte. Der Zustand des Seglers war bemitleidenswert. Notwendige und teure Reparaturmaßnahmen waren immer wieder verschoben worden. Wasser drang ein. Aber keiner hatte den Willen und den Mut aufgebracht, die gemeinsame Reise abzusagen. Die Risse und Löcher im Rumpf waren lediglich mit Farbe übertüncht und somit die wahren Ausmaße der Schäden verheimlicht worden. Allgemein wurde gewünscht, dass der alte Segler mit auf die Reise geht. Das Schiff gehörte eben irgendwie zur Gemeinschaft. Die Kapitäne erahnten die prekäre Lage des altehrwürdigen Schiffs, doch keiner von ihnen fand den Mut, öffentlich Zweifel an der Seetüchtigkeit des besagten Seglers zu äußern.

Die 'Griechenland', unser havarierter Zweimaster, hat Schlagseite erlitten. Jetzt, auf hoher See, rächen sich die drastischen Fehleinschätzungen und der fehlende Mut der politischen Führung zur Offenheit. Durch die Havarie ist die ganze Flotte gefährdet und die ganze Mission in Gefahr. Doch hat man daraus gelernt? Nein, im Gegenteil. Der ökonomische Verstand wurde auf dem Altar des politischen Willens geopfert.Doch jetzt lichtet sich der Nebel.

Lage und Zukunft Griechenlands werden klar. Im ersten Schritt wurde Hellas erstmal mit Notkrediten über Wasser gehalten. Der IWF wandte seinen berüchtigten Strukturmaßnahmen zur Staatssanierung an, was heisst, dass gespart und privatisiert wurde. Im zweiten Schritt wird Hellas entschuldet. Auf unser Flottenbild bezogen bedeutet dies, dass der unter Wasser stehende Segler notdürftig seetüchtig gemacht wird. Doch die Gefahr neuer Lecks ist nicht gebannt, und sollte die 'Griechenland' weiter unter vollen Segeln versuchen, mit dem Rest der Flotte mitzuhalten, werden neue Löcher und Risse im Rumpf auftreten.

Griechenland wurde jetzt um etwa 100 Milliarden Euro entschuldet. Vordergründig verzichteten Banken und Privatpersonen freiwillig auf diesen Betrag. So ganz freiwillig ist der Verzicht aber nicht, denn was für die einen die Alternativlosigkeit war, ist für die anderen staatliche Willkür. Denn diejenigen, die nicht verzichten wollen, sollen mit nachträglich eingesetzten Umschuldungsklauseln zum Verzicht gezwungen werden. Banken können diese Verluste steuerlich noch abschreiben oder erhalten wieder staatliche Unterstützung zum Ausgleich der Verluste. Der europäische Steuerzahler bürgt letztlich wieder dafür und auch für die EZB und deren Ramschanleihen. Privatpersonen dagegen verlieren ihr erspartes Geld ein für alle Mal. Besonders viele Griechen müssen nun zweidrittel ihrer Altersersparnisse in die Tonne klopfen. Das ist schon bitter. Doch noch viel bitterer ist, dass dies nicht das Ende, sondern viel mehr der Anfang eines Martyriums für die griechische Bevölkerung darstellt. Im weiteren Verlauf werden noch weitere harte Einschnitte, beispielsweise eine Währungsreform, auf die Bürger Hellas zu kommen.

Nachdem Griechenland jetzt teilweise entschuldet wurde, folgt der dritte Schritt. Es verbleiben nach der Umschuldung noch über 270 Milliarden Euro an Altschulden übrig. Zuviel für das kleine Land, das durch die Sparzwänge der Troika tief in die Rezession getrieben wurde. Als Resultat weiterer Sparauflagen wird weiter die Produktivität sinken und die Arbeitslosigkeit steigen. Unter der Restschuldenlast und den Sparzwängen wird sich das Land radikalisieren. Ohne Wachstum kann der Schuldenberg nicht abgetragen werden, das Defizit nicht verringert werden. Das Haushaltsdefizit steigt sogar eher wieder und die Zusagen gegenüber der Troika werden nicht einzuhalten sein. Die Geduld der Bürger geht vollends zu Ende und eine Radikalisierung der 'Crew' ist die Folge. Dadurch geraten die etablierten politischen Parteien zunehmend unter Druck, die Sparorgie zu beenden. Am Ende dieser Entwicklung steht, dass Griechenland früher oder später aus der 'Euro-Flotte' ausscheiden muss.

Die Griechen müssen sich neu erfinden. Sozusagen ein neues Geschäftsmodell entwickeln. Dazu müssen sie innehalten und neue Rahmenbedingungen für ihre Wirtschaft schaffen. Einige Ideen dafür sind schon vorhanden. Neben dem Tourismus und der Landwirtschaft könnten Energie- und Schifffahrtsindustrie im Land massiv ausgebaut werden. Die geostrategische Lage Griechenlands zwischen Asien und Europa und als Mittelmeeranrainer begünstigt diese Pläne.

Doch bloße Aussichten reichen alleine nicht aus, um Griechenland wieder fit zu machen. Die Griechen brauchen eine Aufbruchstimmung und müssen in die Hände spucken. Der Segler muss ins Trockendock, um die Lecks und Risse zu beseitigen. Auch gilt es, die 'Crew' davon zu überzeugen, dass sie mehr tun muss, um ihr 'Schiff' wieder seetüchtig zu machen und gleichzeitig auch die Hoffnung auf ein gutes Ende wecken. Auch dass weitere Einschnitte unausweichlich dafür sind, sollte nicht verschwiegen werden.

Die wichtigste Weichenstellung zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist jedoch die Einführung einer neuen Währung. Einer Währung, deren Außenwert der Leistungsfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft entspricht. Eine Abwertung ist unausweichlich und deshalb kann Griechenland im Euro nicht gesunden. Ob es ein zurück zur Drachme gibt oder das Kind ein neuen Namen erhält, bleibt unerheblich. Eine Abwertung der neuen griechischen Währung auf das Leistungsniveau der Wirtschaft wäre eine Initialzündung für das Land, ein Neubeginn. Dabei erinnern sich die Deutschen doch auch gerne an die Währungsreform von 1948. Eine ähnlich erfolgreiche Entwicklung ist dabei natürlich nicht zu erwarten. Aber um eine Aufbruchsstimmung zu erzielen, braucht es neben viel Psychologie auch fundierte wirtschaftliche Grundlagen deren Basis eine passende Währung sein muss.

Die Schaffung von Rahmenbedingungen für den gefahrlosen Austritt Griechenlands aus der Eurozone wird von der EU in den nächsten Monaten verstärkt verfolgt. Strukturverbesserungen wie der Fiskalpakt werden durch die Parlamente gejagt und der Eurorettungsfonds wird auf die eine oder andere Art aufgestockt. Die staatlichen Haushaltskonsolidierungen werden vorangetrieben. Besonders auf Spanien und Portugal wird dabei zuachten sein. Je mehr sich aber die Finanzmärkte beruhigen, desto näher rückt der Zeitpunkt für den Euro-Austritt Griechenlands. Ab Sommer 2012 werden die Brandmauern um Euroland stehen.

Die Flotte zieht weiter und lässt die 'Griechenland' zurück. Das Schiff wird künftig ohne die Flotte auf eigenen Beinen stehen müssen. Erst wenn das Schiff im Trockendock wieder voll seetauglich gemacht wurde, kann die 'Griechenland' wieder zu alte Größe zukehren. Doch der Weg wird hart und lang für alle. Und die Frage bleibt. Wann verliert die Euro-Flotte das nächste Schiff?

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© 15. März 2012/Oliver Roth

* Oliver Roth ist der Kapitalmarktstratege der Close Brothers Seydler Bank AG, ein eigenständiges Tochterunternehmen der an der London Stock Exchange gelisteten Close Brothers Group plc, London. Mehr über Oliver Roth auf www.oliver-roth.de.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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