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Börse Frankfurt-News: "Trendwende oder Chimäre?" (Hüfner)

Veröffentlicht am 27.11.2014, 16:04
Börse Frankfurt-News:
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n FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 18. November 2014. Diese Woche hat sich der Bundesfinanzminister für die "Schwarze Null" seines Haushaltes feiern lassen. Mit Recht? Hüfner betrachtet deshalb den nicht Haushalt, sondern den Schuldenstand.

Jeder weiß, dass der Staat seine Schulden nicht zurück­zahlt. Wenn die Kredite an die öffentliche Hand ein be­stimmtes Niveau erreicht haben, dann verharren sie ent­weder auf dem erreichten Stand oder steigen weiter an. Verringern tun sie sich nach aller Lebenserfahrung nicht.

So lautet die allgemeine Meinung. Ganz richtig ist sie freilich nicht. Es ist vielmehr eine der typischen Geldfal­len, die plausibel erscheinen, in Wirklichkeit aber so nicht richtig sind. Ich habe in meinem neuen Buch viele andere solcher Geldfallen beschrieben.

Richtig ist: Die einzelnen Schuldtitel - etwa Anleihen - werden unter normalen Bedingungen hinsichtlich Zins und Tilgungen jeweils ordentlich bedient. Der Staat nimmt dafür dann neue Kredite auf. Nur bei einem Staatsbankrott ist das nicht der Fall. Der kommt freilich öfter vor als man denkt.

Auch die Schuldenquote ist schon häufiger zurückge­kommen. Die Schuldenquote ist die Relation der öffent­lichen Schulden gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Die USA beispielsweise hatten nach dem Zweiten Weltkrieg einen Schuldenstand von 120 Prozent des BIP. Vierzig Jahre später betrug er nur noch 30 Prozent. In Großbritannien sind die Schulden gemessen am BIP in dieser Zeit ebenfalls deutlich herunter gekommen.

Das lag weniger an einer sparsamen Haushalts­politik. Entscheidend waren vielmehr, dass das Sozial­produkt kräftig zunahm, dass die Inflationsrate relativ hoch war und dass die Zinsen durch staatliche Eingriffe gedeckelt worden waren. Das waren alles Bedingungen, die heute nicht mehr so gelten.

Umso mehr war ich überrascht zu sehen, wie sich die Schuldenquote in den letzten Jahren in Deutschland ver­ringert hat (siehe Grafik). Die gesamten Verbindlichkei­ten der öffentlichen Hand waren in der Finanzkrise 2008 bis 2010 von 65 Prozent auf über 80 Prozent des BIP hochge­schnellt. Seitdem aber geht die Quote zurück. Nach den Schätzungen des Sachverständigenrats zur Begutach­tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird sie in diesem Jahr nur noch 74,1 Prozent betragen, im nächsten Jahr nur noch 72 Prozent. Das ist ein deutlicher Schritt in Richtung auf das 60 Prozent-Kriterium des Maastricht-Vertra­ges, das viele in den vergangenen Jahren als nie mehr er­reichbar ansahen.

Was steckt dahinter? Wirtschaftet der Staat doch besser als wir denken? Immerhin hat es die öffentliche Hand in Deutschland geschafft, die Haus­haltsdefizite, die sich 2010 auf 105 Milliarden Euro belaufen hatten, auf eine "Schwarze Null" zu reduzieren. Das ist eine Leistung, die nicht viele andere Staaten hinbekom­men haben.

Zur Verringerung der Schuldenquote reicht dies aber nicht aus. Dazu muss der Staat nicht nur keine Defizite mehr machen. Er muss Überschüsse erwirtschaften. Nur dann kann er die aufgenommenen Kredite zurückzahlen. Das liegt im Augenblick noch in weiter Ferne.

Dass die Schuldenquote von 2010 bis 2015 trotzdem zurückgeht, liegt an zwei Dingen. Zum einen hat sich das Bruttoinlandsprodukt um fast 400 Milliarden Euro. erhöht. Damit wird der Nenner größer und die Schuldenquote verringert sich. Das war der wichtigste Effekt. Selbst wenn der Staat also keine Kredite zurückzahlt, geht die Schuldenquote allein durch das Wirtschaftswachstum zurück.

Zum anderen aber sind auch die Verbindlichkeiten des Staates kleiner geworden, und zwar um 73 Milliarden Euro. Das ist zwar nicht so groß wie der Wachstumseffekt. Aber immerhin trägt auch dies zu rund einem Fünftel

zur Verbesserung der Schuldenquote bei. Das ist über­raschend. Die Verbindlichkeiten des Gesamtstaats ge­hen zurück, obwohl er in seinen laufenden Ausgaben und Einnahmen keinen nennenswerten Überschuss er­wirtschaftet.

Der Grund liegt in den Spätfolgen der Finanzkrise. Nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 hatte der Staat faule Kredite einzelner Banken (unter anderem der Hypo Real Estate) in seine Bücher genommen. Da­durch sollten die Institute vor der Insolvenz gerettet wer­den. Diese Kredite wurden in "Bad Banks" ausgeglie­dert. Sie werden jetzt Stück für Stück abgewickelt. Da­durch verringern sich die Verbindlichkeiten des Staates.

Das ist aber kein Zeichen finanzpolitischer Solidität. Es ist lediglich Ausdruck, dass die Aufräumarbeiten nach der Finanzkrise vorankommen. Die Situation im Banken­sektor hat sich gebessert. Der Staat zieht sich aus sei­ner Hilfsfunktion zurück. Der Prozess wird noch einige Jahre weitergehen. Die FMS Wertmanagement, in der sich die Portfolien der Hypo Real Estate befinden, hatte Ende letzten Jahres noch ein Portfolio von 119 Milliarden Euro. In der Spitze waren es 176 Milliarden Euro.

Für Anleger

Freuen Sie sich über die Verbesserung in den öffentli­chen Finanzen. Das ist ein gutes Zeichen. Gehen Sie aber nicht davon aus, dass wir jetzt schon wieder solide Verhältnisse erreicht hätten. Zum einen ist der Schul­denstand im kommenden Jahr mit 72 Prozent immer noch sehr hoch. Zum anderen ist der erreichte Stand noch fragil. Jede Zinserhöhung oder Verschlechterung der Konjunktur kann schnell wieder zu steigenden Schulden­quoten führen. In den letzten 25 Jahren gab es schon häufiger Verbesserungen beim Schuldenstand. Sie wa­ren jedoch nur kurzlebig.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

von Martin Hüfner, Assenagon

© 18. November 2014

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Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa - Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011)

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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