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Der Skandal um den Kaffee-Preis und die Gier der Großkonzerne

Veröffentlicht am 16.03.2019, 12:57
© Reuters.
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von Robert Zach

Investing.com - Es ist das Lieblingsgetränk vieler Deutscher und Lebensgrundlage von Millionen von Menschen in Südamerika, Mittelamerika, Asien und Afrika. Es ist ein Getränk, dass die Deutschen sogar noch stärker konsumieren als Mineralwasser und Bier. Die Rede ist vom guten, alten Wachmacher Kaffee.

Leider wissen nur wenige Menschen über die katastrophalen und menschenunwürdigen Zustände in vielen Anbauregionen der Welt Bescheid. Und durch den jüngsten Preissturz der internationalen Kaffeepreise spitzt sich die Situation in vielen Regionen der Welt weiter zu.

Schuld daran sind neben Spekulanten und der Überproduktion in Ländern wie Vietnam und Brasilien, auch Großkonzerne, deren Namen ich hier nicht explizit nennen möchte, die mit dem braunen Gold Milliarden von Dollar jedes Jahr scheffeln, während diejenigen, die den Kaffee anbauen, pflegen und ernten, gerade einmal 2 US-Cents an jeder einzelnen Kaffeetasse verdienen.

Der Grund dafür klingt vielleicht banal: es dominieren eine Handvoll multinationaler Konzerne den Kaffeemarkt. Durch Fusionen und Übernahmen wurden diese Konzerne immer größer. Gegenüber kleinen Unternehmen, Kaffeebauern und Arbeitern bauen sie so ihre Machtposition immer weiter aus und können daher die Preise für Kaffee nach Belieben diktieren. Die Konzerne verfolgen dabei eine Politik der rücksichtslosen Gewinnmaximierung, die zu massiver Armut bei der ländlichen Bevölkerung führt.

In Europa regt sich darüber niemand auf. Schließlich will der Deutsche für den beliebten Wachmacher auch weiterhin nicht mehr Geld als nötig bezahlen. Aber gerade das ist falsch. Schließlich verlieren die Menschen in anderen Ländern wie in Afrika oder Südamerika ihre Lebensgrundlage. Kinder erhalten keine anständige Ausbildung mehr. Selbst soziale Unruhen und Plünderungen können nicht ausgeschlossen werden.

Fernando Morales-de la Cruz, Gründer von Café For Change, beschreibt in seinem Artikel im Forbes Africa mit dem Titel "A Fight For The Truly Ideal Price Of Coffee" die Zustände in den Anbauregionen.

In seinem Artikel schreibt er, dass 25 Millionen Kaffeebauern und mehr als 125 Millionen Menschen, die am Kaffeeanbau beteiligt sind, in eine tiefe wirtschaftliche und humanitäre Krise gestürzt sind. Sie seien dieser katastrophalen Krise schutzlos ausgeliefert, weil weder die nationalen Regierungen noch die multinationalen Konzerne aus den entwickelten Volkswirtschaften daran ein Interesse haben, dass diese Menschen in Würde leben.

Morales-de la Cruz betonte, dass multinationale Kaffeekonzerne heute weniger als einen Dollar pro Pfund Kaffee bezahlen. Kaffee ist damit 74 Prozent günstiger als im Internationalen Kaffeeabkommen von 1983 festgelegt worden war. Das Abkommen, welches 1989 durch die USA aufgehoben wurde, besaß die ökonomischen Ziele der Preisstabilisierung, der Erhöhung der Kaufkraft der Entwicklungsländer und der Angleichung von Angebot und Nachfrage.

Am Dienstag war der Preis für Kaffee auf 93 US-Cents pro Pfund abgestützt und war damit so günstig wie zuletzt 2006. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, wie der Gründer von Café For Change schreibt. Unter Berücksichtigung der US-Verbraucherpreise seit 1983 kostet das Pfund Kaffee heute gerade einmal 36 US-Cents. Zum Vergleich: im Internationalen Kaffeeabkommen wurde der Kaffeepreis auf 1,20 bis 1,40 US-Dollar je Pfund festgelegt. Mit dieser Preisspanne wurden die Herstellungskosten gedeckt.

Dank des aktuellen Preises erwirtschaften die multinationalen Konzerne Milliarden von Dollar, während die Kaffeebauern und Landarbeiter ihre Felder aufgeben müssen und mit ihren Familien in die Slums der Großstädte umziehen und hungern. Die Konzerne schlucken anschließend die Farmen und bauen ihre Marktmacht damit weiter aus. Auch wenn der Preis irgendwann wieder steigen sollte und die Familien in ihre Heimatdörfer zurückkehren, gehören ihnen die Farmen längst nicht mehr. Sie wurden ihrer Lebensgrundlage beraubt.

Die ansonsten gut informierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hatte zuletzt über den Absturz der Kaffeepreise berichtet und geschrieben, dass die Produktionskosten für Kaffee sinken würden. Das ist freilich falsch. Die Kosten mögen zwar für die großen Farmen, die von den multinationalen Konzernen betrieben werden, zurückgehen, da sie eine deutlich größere Finanzkraft haben, aber für die kleinen ländlichen Kaffeebauern, die das Grundgerüst des Kaffeemarktes bilden, schießen die Kosten in die Höhe. Das bestätigte auch die Confederation of Agriculture and Livestock of Brazil letzte Woche in einer Pressemitteilung. Die Kosten seien gestiegen, heißt es darin, während die Gewinnmargen bereits negativ seien. Laut einer jüngsten Umfrage erleiden die Kaffeebauern einen Verlust von 30 Real oder 7,85 Dollar je 60kg-Sack Kaffee. "Die Situation ist gefährlich und wir stehen bereits in Kontakt mit der Regierung, um die Probleme des Kaffeesektors zu lösen", sagte Silva, technischer Berater der National Coffee Commission of CNA.

Nun aber zurück zu dem Artikel von Morales-de la Cruz, der schreibt, dass die multinationalen Konzerne hinter verschlossenen Türen den FOB-Preis von Kaffee, also den bezahlten Preis ab Verschiffungshafen im Ursprungsland, auf zwischen 4 und 5,50 US-Dollar je Pfund schätzen. Auf der Grundlage des Abkommens von 1983 kommt dies dem fairen Preis für Kaffee sehr nahe. Unter Berücksichtigung der Inflation müsste Kaffee heute 3,61 US-Dollar je Pfund kosten. Schlägt man dann noch Steuern im Ursprungsland, soziale Sicherheit, Renten und Bildung zum Kaffeepreis von 1983 drauf, so sollte der aktuell Preis zwischen 4 bis 5,50 US-Dollar je Pfund liegen, so Morales-de la Cruz.

Es sei für multinationale Konzerne viel einfacher, die nationale Agrarpolitik eines Landes oder aller Länder gleichzeitig zu beeinflussen als für die Mehrheit der Kaffeebauern zusammen. Es liege auf der Hand, dass weder nationale Kaffeeorganisationen noch Regierungen seit Jahrzehnten wissen, wie man die Erzeuger schützen kann oder will, und deshalb seien wir an die surreale Realität gelangt, dass multinationale Unternehmen heute Kaffee zu 74 Prozent billiger kaufen als vor 36 Jahren und Landwirte weniger als zwei Cent für jede Kaffeetasse erhalten, schreibt Morales-de la Cruz weiter.

Für ihn ist die Sache klar: So kann das nicht weitergehen. Kaffeebauern und Beschäftigte in der Kaffeeindustrie sowie ländliche Gemeinden müssen mit mindestens 0,10 US-Cents pro Kaffeetasse entschädigt werden. Der Idealpreis für Kaffee und andere Agrarprodukte sei ein Preis, der es allen Bauern und Arbeitern sowie allen ihren Kindern ermöglicht, in Würde zu leben, denn sie sind die Basis für eine ganze Industrie, die jährlich Dutzende von Milliarden von Dollar an Gewinnen generiert.

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