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Konjunkturschwäche auf der ganzen Welt - können sich die USA dem Abwärtssog entziehen?

Veröffentlicht am 20.12.2024, 08:16
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Für 20.000 USD könnten Sie einen globalen Flugpass kaufen und die Welt bereisen. Oder Sie unternehmen mit uns für einen Bruchteil dieser Summe eine wirtschaftliche „Kurzreise“ um den Globus. Zugegeben, unsere Weltreise ist nicht ganz so aufregend wie ein echtes Flugticket – dafür bietet sie wertvolle Einblicke in die wirtschaftlichen Herausforderungen außerhalb der USA und deren mögliche Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft.

Derzeit erleben Länder wie China, Großbritannien und viele europäische Staaten ein nur schleppendes Wirtschaftswachstum oder sogar wirtschaftliche Rückgänge. Im Gegensatz dazu zeigt die US-Wirtschaft nach der Pandemie weiterhin ein beachtliches Wachstumstempo.

Doch wie nachhaltig ist diese Entwicklung? Hat sich die US-Wirtschaft tatsächlich von der restlichen Welt abgekoppelt, oder sind die globalen Warnsignale nur Vorboten für das, was auch den USA bevorstehen könnte? Es scheint, als würden zunehmend wirtschaftliche „Signalpistolen“ abgeschossen, die Anleger nicht ignorieren sollten.

Globalisierung

Bevor wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einigen der größten Volkswirtschaften der Welt betrachten, sollten wir uns bewusst machen, dass die Globalisierung die Wirtschaftstätigkeit der USA und anderer Industrieländer eng miteinander verknüpft hat.

Die nachfolgende Grafik, die mit Genehmigung des IWF erstellt wurde, zeigt, dass der Anteil des internationalen Handels am weltweiten BIP den höchsten Stand seit mindestens 1870 erreicht hat – möglicherweise sogar den höchsten Stand aller Zeiten. Der starke Anstieg, der 1944 begann, ist dabei vor allem auf die Etablierung des USD als Weltreservewährung zurückzuführen.

Phasen der Globaliiserung

Daten der Weltbank bestätigen diese globalen wirtschaftlichen Verflechtungen: Die folgende Grafik zeigt eine deutliche statistische Korrelation zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung der USA und jener anderer großer Volkswirtschaften und Regionen. Auf der X-Achse ist der weltweite BIP-Rang jedes Landes angegeben.

Korrelation des realen BIP verschiedener Länder zu den USA

Mit Ausnahme Japans hat sich die Korrelation zwischen dem realen BIP der USA und dem der dargestellten Länder und Regionen in den letzten zehn Jahren im Vergleich zum vorangegangenen Zwölfjahreszeitraum verstärkt. Besonders bemerkenswert ist die enge wirtschaftliche Verbindung zwischen den USA, der Europäischen Union, den OECD-Ländern und dem Rest der Welt. Diese drei Aggregate schließen die USA in ihren Berechnungen aus und verdeutlichen die globale Vernetzung noch stärker.

Das folgende Schaubild illustriert eindrucksvoll, wie tief die US-Wirtschaft durch die Globalisierung mit dem Rest der Welt verbunden ist.

Reales BIP USA vs. OECD

Regressionsanalysen bestätigen die wirtschaftliche Globalisierung

Wir haben ein multiples Regressionsmodell entwickelt, das auf der Grundlage des realen BIP der zehn zuvor hervorgehobenen Länder eine Schätzung für das reale BIP der USA liefert. Mit einem r-Quadrat von 0,886 zeigt das Modell eine starke statistische Beziehung, was auf eine solide Vorhersagekraft hinweist.

Das folgende Diagramm vergleicht das reale BIP der USA mit dem vom Modell prognostizierten Wert. Die durchschnittliche Abweichung zwischen dem tatsächlichen US-BIP und der Modellschätzung beträgt weniger als ein halbes Prozent pro Jahr, wobei die Schwankungen selten die Spanne von +/- 1 % überschreiten.

Regression

Das unterstreicht die enge Verflechtung der US-Wirtschaft mit der globalen Wirtschaft und den führenden Volkswirtschaften. Kurzfristige Abweichungen können auftreten, doch ohne fundamentale Veränderungen der globalen Handelsordnung oder eine weitere massive US-Konjunkturspritze ist es unwahrscheinlich, dass diese Diskrepanzen langfristig bestehen bleiben.

Anmerkung: Die Daten in den folgenden Diagrammen reichen bis ins Jahr 2023, sodass das Jahr 2024 nicht berücksichtigt ist. Unsere Analyse der wirtschaftlichen Divergenz zwischen den USA und anderen Ländern stützt sich daher auf die neuesten verfügbaren Daten.

Großbritannien

Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Großbritanniens ist laut BBC zwei Monate in Folge gesunken und zeigt seit Juni keine Anzeichen für Wachstum mehr.

Britische Wirtschaft schrumpft

Ein wichtiger Faktor für diese schwache Entwicklung ist der rückläufige Verbrauch der privaten Haushalte. Bloomberg berichtet:

„Eine erhebliche Belastung für die Wirtschaft geht von den verbrauchernahen Dienstleistungen aus, wo der Output um 0,6 % zurückging. Besonders betroffen war das Gaststättengewerbe mit einem Rückgang von 2 %. Dies deutet darauf hin, dass die privaten Haushalte aufgrund wachsender finanzieller Unsicherheiten vorsichtiger geworden sind und ihre Ausgaben einschränken.“

Die Stimmung der Verbraucher in Großbritannien bleibt gedämpft. Sorgen über die anhaltend hohe Inflation und steigende Zinsen belasten das Vertrauen. Zudem scheint die Ankündigung geplanter staatlicher Ausgaben, die durch höhere Steuern und zusätzliche Schulden finanziert werden sollen, die Haushalte weiter zu verunsichern.

Wie in vielen anderen Ländern wird die wirtschaftliche Lage auch durch die Unsicherheit über mögliche US-Zölle überschattet, die sowohl Verbraucher als auch Unternehmen vorsichtiger agieren lassen.

Schließlich ist erwähnenswert, dass das reale BIP Großbritanniens im Jahr 2023 nur um 0,10 % gestiegen ist. Damit verzeichnete das Land in den vergangenen zwei Jahren kaum wirtschaftliches Wachstum.

Europa

Die Europäische Union sieht sich ähnlichen wirtschaftlichen Herausforderungen wie Großbritannien gegenüber. Besonders Deutschland, die größte Volkswirtschaft Europas, musste im vergangenen Jahr einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts hinnehmen – ein Trend, der sich Prognosen zufolge auch in diesem Jahr fortsetzen dürfte.

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Ein entscheidender Unterschied zwischen dem schwachen Wachstum in Europa und der robusteren Wirtschaft in den USA liegt in der staatlichen Reaktion auf die COVID-19-Pandemie. Während die USA ihre Wirtschaft während und lange nach dem ersten Ausbruch mit massiven Konjunkturprogrammen stützten, fielen die Maßnahmen der Europäischen Union vergleichsweise bescheiden aus.

Die US-Regierung stellte umfangreiche finanzielle Hilfen bereit, die den Verbrauchern direkt zugutekamen, und förderte durch das CHIPS-Gesetz gezielt Infrastruktur- und Fertigungsprojekte. Dies trug maßgeblich zur wirtschaftlichen Erholung und zum anhaltenden Wachstum bei.

In Europa hingegen war die staatliche Unterstützung deutlich geringer. Laut „The Atlantic“:

„Das Vereinigte Königreich und Deutschland gaben mehr als 500 Mrd. USD aus. Frankreich investierte 235 Mrd. USD, Italien 216 Mrd. USD. Die Vereinigten Staaten hingegen spielten in einer ganz eigenen Liga und stellten beeindruckende 5 Bio. USD für Pandemieunterstützungsprogramme bereit. Das ist selbst inflationsbereinigt mehr, als die USA für den New Deal und den Zweiten Weltkrieg zusammen ausgegeben haben – und, was entscheidend ist, mehr als das Doppelte dessen, was die meisten europäischen Länder im Verhältnis zur Größe ihrer Volkswirtschaften für die Pandemiebewältigung ausgegeben haben.“

Zusätzlich erschweren geopolitische Krisen wie der Einmarsch Russlands in die Ukraine die wirtschaftliche Lage Europas weiter. Die daraus resultierenden hohen Energiepreise und eine Vielzahl anderer politischer und sozialer Faktoren belasten die wirtschaftliche Erholung nachhaltig.

China

Vor der globalen Finanzkrise konnte China ein spektakuläres Wirtschaftswachstum von 10-15 % pro Jahr verzeichnen – eine außergewöhnliche, aber letztlich nicht nachhaltige Entwicklung. In den letzten Jahren hat sich das Wachstum deutlich verlangsamt, liegt jedoch im internationalen Vergleich weiterhin auf hohem Niveau. Zwischen 2020 und 2023 betrug das reale BIP-Wachstum nur noch durchschnittlich 4,1 %. Für den Rest dieses Jahres und das kommende Jahr wird ein Wert von unter 5 % erwartet.

Ein Grund für diese Abkühlung ist Chinas „Kreditkater“ nach Jahrzehnten massiver Infrastrukturinvestitionen. Diese trugen zwar wesentlich zum früheren Aufschwung bei, hinterließen jedoch auch viele verlassene Städte und brachliegende Grundstücke, die nun Sinnbild für die schwächelnde Immobilienbranche sind – einst ein zentraler Wachstumstreiber des Landes. Die anhaltende Krise im Baugewerbe sowie die damit verbundenen Sektoren drücken auf die Konsumstimmung und bremsen die Wirtschaft zusätzlich.

Gleichzeitig steht China vor langfristigen strukturellen Herausforderungen. Die Bevölkerung altert rapide, und die Zahl der Erwerbstätigen sinkt kontinuierlich. Auf globaler Ebene belasten geopolitische Spannungen, vor allem mit den USA, die wirtschaftliche Entwicklung. Handelsrestriktionen und die Neuausrichtung globaler Lieferketten weg von China setzen wichtigen Industriesektoren des Landes spürbar zu. Unternehmen reagieren zudem verunsichert auf die jüngsten regulatorischen Eingriffe und die wechselhafte Wirtschaftspolitik, die privatwirtschaftliche Initiativen nur zögerlich unterstützt.

Hinzu kommen die stark verschuldeten Unternehmen und lokalen Regierungen, die die wirtschaftspolitischen Handlungsspielräume Pekings deutlich einschränken. Die jüngsten Konjunkturmaßnahmen der Regierung blieben daher weit hinter früheren Stimulusprogrammen zurück. Dies zeigt sich auch an den Renditen chinesischer Staatsanleihen: Zehnjährige Staatsanleihen rentieren inzwischen unter 2 % – ein historisches Tief, das die Zurückhaltung der Anleger widerspiegelt.

Anleiherenditen China

China, einst die treibende Kraft des globalen Wirtschaftswachstums, scheint nun wirtschaftlichen Gegenwind in die ganze Welt zu exportieren.

Kanada

Die kanadische Wirtschaft steht unter zunehmendem Druck, da sich hohe Zinssätze und schwache Ölpreise negativ auf das Wachstum auswirken. Am vergangenen Mittwoch senkte die Bank of Canada ihren Leitzins um weitere 50 Basispunkte und liegt damit bei insgesamt 150 Basispunkten an Zinssenkungen im Jahr 2024. Im Vergleich dazu hat die Fed ihren Zins im gleichen Zeitraum nur um 100 Basispunkte gesenkt.

Während die US-Notenbank weiterhin auf Inflationsbekämpfung fokussiert ist, kämpft Kanada bereits gegen eine drohende Rezession. Das reale BIP Kanadas verzeichnete in den letzten vier Quartalen ein Wachstum von unter 1 %, während die Arbeitslosenquote nach einem Tiefstand von 4,9 % im Januar 2022 mittlerweile auf 6,8 % gestiegen ist. Gleichzeitig notiert der CAD gegenüber dem USD auf dem niedrigsten Stand seit 2016 (außerhalb der Pandemie).

BIP Kanadas vs USA

Trotz ihrer strukturellen Unterschiede – Kanadas Wirtschaft ist stark rohstoff- und industrieorientiert, während die USA überwiegend durch den Dienstleistungssektor geprägt sind – sind beide Volkswirtschaften eng miteinander verflochten. Die wirtschaftliche Schwäche Kanadas könnte daher potenziell auch negative Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben.

Besonders beunruhigend ist jedoch die Analyse des Fraser-Instituts, die auf eine sogenannte „Pro-Kopf-Rezession“ hinweist. Das inflationsbereinigte BIP pro Kopf Kanadas ist zwischen dem zweiten Quartal 2022 und dem letzten Quartal 2023 um 3,4 % gesunken. Trotz eines anhaltenden Bevölkerungswachstums bleibt das wirtschaftliche Gesamtwachstum schwach – ein alarmierendes Signal für die wirtschaftliche Stabilität des Landes.

Fazit

Wir könnten die Wirtschaftslage weiterer Industrieländer analysieren und würden in den meisten Fällen auf ähnliche Herausforderungen wie bereits beschrieben stoßen. Dabei geht es weniger um die spezifischen wirtschaftlichen Probleme einzelner Länder oder Regionen, sondern vielmehr um die bemerkenswerte und zuletzt ungewöhnliche Divergenz zwischen dem Wirtschaftswachstum der USA und dem Rest der Welt.

Ein zentraler Grund für diesen Unterschied liegt in den massiven Anreizprogrammen der US-Regierung während und nach der Pandemie. Gemessen am BIP haben die USA mehr fiskalische Unterstützung bereitgestellt als jede andere führende Industrienation. Neben befristeten Notfallzahlungen wurden auch langfristige Wachstumsinitiativen wie das CHIPS-Gesetz und Programme zur Schuldenerleichterung auf den Weg gebracht, die die Wirtschaft nachhaltig stützen.

Die umfangreichen Defizitausgaben der US-Regierung haben dazu beigetragen, die Auswirkungen höherer Zinssätze und die anhaltend hohe Inflation abzufedern. Auch wenn das Verbrauchervertrauen gedämpft bleibt, geben die US-Verbraucher weiterhin Geld aus – begünstigt durch einen nach wie vor robusten Arbeitsmarkt. Dennoch gibt es zunehmend Anzeichen dafür, dass das wirtschaftliche Umfeld schwieriger werden könnte. Wachstumshemmnisse wie eine schwache Weltwirtschaft und hohe Zinssätze dürften mittelfristig auch die US-Wirtschaft belasten.

Wie wir es bereits an anderer Stelle formuliert haben: Sehr kurzfristige Abweichungen zwischen den Wirtschaftsräumen sind nicht ungewöhnlich, doch ohne eine grundlegende Veränderung der globalen Handelsordnung oder eine weitere massive Runde staatlicher Konjunkturmaßnahmen in den USA ist es unwahrscheinlich, dass diese Divergenzen von Dauer sein werden.

Wahrscheinlicher ist, dass sich die US-Wirtschaft früher oder später dem schwächeren globalen Wachstumsniveau anpassen wird.

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