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OTS: Börsen-Zeitung / Börsen-Zeitung: Ersatzöffentlichkeit, Kommentar zur ...

Veröffentlicht am 11.06.2013, 18:37
Aktualisiert 11.06.2013, 18:40
Börsen-Zeitung: Ersatzöffentlichkeit, Kommentar zur mündlichen

Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die EZB-Krisenhilfe,

von Stephan Lorz.

Frankfurt (ots) - Mit teils pathetischen Worten haben die Kläger

vor dem Bundesverfassungsgericht lamentiert, dass die während der

Euro-Krise ergriffenen (geld-)politischen Entscheidungen zwar

womöglich dazu taugen, die Märkte zu beruhigen und den Staaten mehr

Zeit für Reformen zu verschaffen, die Demokratie dabei aber

beschädigt worden sei. Von einer 'Entmachtung der Parlamente' war die

Rede, von einer 'Selbstentäußerung demokratischer Gestaltungsrechte'

und einer 'Entmachtung des Souveräns', weil der Euro-Rettungsfonds

ESM und die EZB sich eigenmächtig immer mehr Rechte einräumen und den

demokratischen Willensbildungsprozess an den Rand drängen würden.

Tatsächlich greift die EZB mit ihren Anleihekäufen in

Umverteilungsprozesse an den Finanzmärkten ein, senkt künstlich die

Zinsen für einzelne Staaten und erhöht die Finanzrisiken für jene

Länder, die als Garant herhalten müssen. Der Bundestag hat der EZB

zwar im Gegenzug zum klaren Stabilitätsmandat Unabhängigkeit gewährt,

das Budgetrecht des Parlaments wird durch das Notenbankhandeln aber

im schlimmsten Fall unmittelbar berührt. Die Parlamentarier können

mögliche Mehrausgaben kaum noch stoppen, falls die Taktik der

Notenbank einmal nicht aufgeht.

Auch viele Bürger machen sich deshalb zunehmend Sorgen. Eine

Rekordzahl an Klägern - immerhin 35000 Bürger - machen ihren Unmut

kund wegen der bisweilen barschen Abfuhr, welche sie von der

Bundesregierung bei ihrer Forderung nach intensiver Diskussion über

die Folgen der Krisenpolitik erhalten haben. Viele Entscheidungen

wurden als 'alternativlos' hingestellt.

Die deutschen Verfassungsrichter brachten ebenfalls ihr Unwohlsein

zum Ausdruck über die unzureichende demokratische Ausgestaltung der

Eurozone. Was die ökonomischen Klagepunkte angeht, hielten sich die

Richter dagegen eher zurück. Insofern dürften sie in der aktuellen

Frage zwar wieder eines ihrer 'Ja, aber'-Urteile fällen: die

Anklagepunkte noch durchwinken, aber auch Grenzen formulieren.

Mehr denn je wird dabei wohl zum Ausdruck kommen, dass die

stärkere europäische Integration auch ein qualitativ höheres Maß an

demokratischen Strukturen erfordert. Kurz: Europa darf nicht als

Elitenprojekt fortgeführt werden, sondern muss zu einem Bürgerprojekt

werden. Wenn das zu erwartende Karlsruher Urteil hierzu beiträgt,

würden sich die Richter als größere Europäer zeigen als die

selbsternannten Mustereuropäer in Berlin.

(Börsen-Zeitung, 12.6.2013)

Originaltext: Börsen-Zeitung

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