Die EU-Kommission will sich in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP nicht unter Druck setzen lassen. Sie arbeite "so hart wie möglich" daran, noch in diesem Jahr eine Vereinbarung mit den USA zu erzielen, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am Freitag in Brüssel. "Aber es muss ein gutes Abkommen werden. Deshalb ist Inhalt wichtiger als Geschwindigkeit."
Die EU-Außenhandelsminister bewerten am Freitag bei einem Treffen in Brüssel den Stand der Verhandlungen. In der EU mehren sich die Stimmen der Skeptiker, die nicht mehr an einen Abschluss vor den US-Präsidentenwahlen im November glauben. "Wir alle wissen, die Zeit wird langsam knapp", sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Es gehe deshalb bei dem Treffen darum, "Druck" in die Gespräche zu bringen.
Zusätzlich belastet wurden die Gespräche mit Washington durch die Veröffentlichung geheimer Verhandlungsdokumente Anfang Mai durch die Umweltschutzorganisation Greenpeace. TTIP-Kritiker sahen sich durch die Unterlagen in ihren Befürchtungen bestätigt, dass die USA europäische Standards etwa beim Verbraucher- und Umweltschutz aushebeln wollen.
An dem Treffen in Brüssel wollte auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) teilnehmen, er konnte aber laut Diplomaten wegen technischer Probleme nicht anreisen. Am Mittwoch hatte Gabriel bezweifelt, dass das Abkommen noch in diesem Jahr geschlossen werden könne. In Brüssel wird davon ausgegangen, dass die Verhandlungen ohne Durchbruch bis Juli wegen des anstehenden Führungswechsels im Weißen Haus bis weit ins kommende Jahr auf Eis gelegt werden müssten.
Widerstände gegen TTIP kommen auch aus immer mehr EU-Mitgliedstaaten: "Der Enthusiasmus für das Abkommen ist ungleich auf die Hauptstädte verteilt", sagte der Diplomat. Länder wie Großbritannien wollten das Abkommen weiterhin, andere seien dagegen "weniger engagiert". Frankreichs Präsident François Hollande hatte Anfang Mai gesagt, Paris werde das Abkommen nach jetzigem Verhandlungsstand ablehnen.
Die EU-Kommission und die US-Regierung verhandeln seit 2013 über das Freihandelsabkommen. Es soll der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks einen enormen Schub geben, indem Zölle und andere Handelshemmnisse abgebaut werden. Kritiker befürchten allerdings, dass mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen Standards im Verbraucher- und Umweltschutz gesenkt werden und die Gentechnik in Europa Einzug hält.