(neu: FDP)
BERLIN (dpa-AFX) - Ausländer, Steuern, Wirtschaft und Waffenlieferungen: Am Tag nach der Vertrauensfrage richtet sich der Fokus auf hochemotionale Themen. Union, SPD und Grüne stellen in Berlin ihre Programme zur bevorstehenden Bundestagswahl vor. Die FDP will einen Tag später nachziehen, ihr Programmentwurf liegt der dpa aber schon vor. Der 23. Februar als Wahltermin gilt als sicher, auch wenn es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist, der den Termin ansetzt.
Die Kandidaten dürften in Berlin Schwerpunkte aus den Entwürfen hervorheben. Nacheinander an unterschiedlichen Orten auftreten wollen in dieser Reihenfolge - unter anderem Grünen-Kanzlerkandidat Robert
Habeck, CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sowie der SPD-Kanzlerkandidat und amtierende Kanzler Olaf Scholz. Begleitet werden sie jeweils von weiteren Spitzenpolitikern und -politikerinnen.
Inhaltlich setzen sie unterschiedliche Akzente - von dem Versprechen von niedrigeren Stromsteuern und Netzentgelten bei der Union bis zu Weichenstellungen für wirtschaftlichen Aufschwung und bezahlbares Leben bei der SPD. Bei den Grünen steht die sozialverträgliche Ausgestaltung des Klimaschutzes im Zentrum. Auch die FDP setzt einen Schwerpunkt auf die Wirtschaft. Stark unterschiedlich ist der Kurs von Scholz und Merz in der Ukraine-Politik.
Steuern/Schuldenbremse
Entlastungen versprechen alle vier politischen Kräfte. Die SPD für 95 Prozent aller Steuerzahler - ohne allerdings Details zu nennen. CDU und CSU wollen den Einkommensteuertarif schrittweise senken. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst bei höheren Einkommen greifen. Die Grünen wollen einen höheren Grundfreibetrag, bis zu dem keine Einkommensteuer anfällt. Die FDP nennt dafür die konkrete Zahl von mindestens 1.000 Euro. SPD und Grüne wollen Menschen mit hohen Vermögen stärker zur Kasse bitten.
Den Solidaritätszuschlag möchten Union und FDP endlich komplett abschaffen. Die SPD will ihn für die Reicheren behalten, die Grünen wollen ihn in die Einkommensteuer integrieren. Die SPD stellt eine niedrigere Mehrwertsteuer für Lebensmittel in Aussicht, Union und FDP auf Speisen in der Gastronomie. Bei der Schuldenbremse ticken SPD und Grüne ähnlich: Union und FDP wollen daran festhalten - die SPD will Ausnahmen für Investitionen einführen, die Grünen solche ermöglichen.
Soziales/Rente
Mindestlohn 15 Euro: Das wollen SPD und Grüne - die einen 2026, die anderen ein Jahr früher. Bei beiden zielen einige Punkte auf die Stärkung von Beschäftigten ab - etwa das Aus für Befristungen von Arbeitsverträgen ohne sachliche Gründe bei der SPD oder die Eindämmung entsprechender Jobs bei den Grünen. CDU/CSU wollen dagegen mit Ideen für "die Fleißigen" punkten, etwa steuerfreie Überstundenzuschläge. "Wer freiwillig mehr arbeiten will, soll mehr Netto vom Brutto haben", heißt es in ihrem Entwurf.
Den Namen "Bürgergeld" wollen Merz und sein Parteienbündnis abschaffen, ihre "Neue Grundsicherung" soll Vermittlung in Jobs viel stärker ins Zentrum rücken. Mehr Arbeitsanreize soll es geben. Streng heißt es bei der Union: "Wenn jemand grundsätzlich nicht bereit ist, Arbeit anzunehmen, (...) muss die Grundsicherung komplett gestrichen werden." Am Renteneintrittsalter, wie es bisher geregelt ist, halten alle drei Parteien fest. Die Union will ein stabiles Rentenniveau und weiter steigende Bezüge.
Einen "wirklich flexiblen Renteneintritt" verlangt die FDP, außerdem hat sie erneut ihre Forderungen nach einer "individuelle Aktienrente" und nach einem "Altersvorsorgedepot für die private Altersvorsorge" in ihr Programm geschrieben.
Rente ist für SPD und Grüne ein zentrales Thema. Beide Parteien wollen das Rentenniveau bei 48 Prozent festschreiben. Die Grünen schlagen zudem einen Bürgerfonds vor: Mit Darlehen und Eigenmitteln des Bundes soll nachhaltig und klimaverträglich in europäische und deutsche Unternehmen investiert werden. Die Erträge sollen zur Stärkung geringerer und mittlerer Renten benutzt werden.
Das Ganze erinnert etwas an das Generationenkapital der nun gescheiterten Ampel-Rentenreform. Die Erträge dort waren allerdings gedacht, um den in den kommenden Jahren erwarteten starken Anstieg der Rentenbeiträge zu dämpfen.
Wirtschaft/Konjunktur
"Leistung muss sich wieder lohnen", heißt es bei der Union. Flexiblere Regeln, Vereinfachungen, weniger Bürokratie sollen Deutschland wieder flotter machen. Als "Schutzschirm für unsere Wirtschaft" kündigt die Union Instrumente gegen Subventionen an, die den globalen Wettbewerb verzerren. Strom- und Wärmenetze, Ladesäulen und Wohnungen sollen bei der SPD in großem Stil neu gebaut werden - gefördert aus einem sogenannten Deutschlandfonds.
Ein kreditfinanzierter Deutschlandfonds soll auch bei den Grünen helfen - etwa fürs Schienennetz, Kitas oder auch Innovationsanreize. Die FDP verlangt "tiefgreifende und strukturelle Reformen" für eine "echte Wirtschaftswende". Dazu gehört für sie unter anderem das Senken der Unternehmenssteuern auf unter 25 Prozent.
Migration
Das ist für die Union ein dringendes Thema. Sie will umgehend einen faktischen Aufnahmestopp für illegale Migranten. Wer aus einem EU- oder Schengen-Staat für einen Asylantrag einreist, soll an der Grenze abgewiesen werden. "Unser Land braucht eine grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik", heißt es bei CDU/CSU. Sie versprechen zügige Asylverfahren und "eine konsequente Umsetzung der Asylentscheidungen".
Die SPD setzt sich zwar für "rasche wie konsequente Abschiebungen" ein, bevorzugt aber die freiwillige Rückkehr von Migrantinnen und Migranten ohne Bleiberecht. Die Grünen setzen auf eine "faire, verbindliche und solidarische Verteilung von Schutzsuchenden in Europa". Berücksichtigt werden müssten Bedürfnisse von Frauen, Kindern, Queeren, Behinderten.
Die FDP plädiert für eine "geordnete Migration nach klaren Regeln, die auch durchgesetzt werden". In ihrem Programmentwurf heißt es: "Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme."
Ukraine/Russland/Bundeswehr
Hier gibt es große Differenzen. Die SPD will die Waffenlieferungen an das von Russland angegriffene Land "mit Besonnenheit und Augenmaß" und "so lange wie nötig" fortsetzen. Deutschland solle aber nicht zur Kriegspartei werden.
Die von der Ukraine erbetenen Taurus-Marschflugkörper will die SPD nicht liefern - anders als dies Merz unter bestimmten Bedingungen vorgeschlagen hatte. Scholz bekräftigte auch erst: Mit deutschen Waffen dürfe nicht tief in das russische Hinterland geschossen werden.
Im FDP-Programmentwurf heißt es dagegen, die Ukraine müsse sich auch gegen Abschussbasen und Nachschublinien auf russischer Seite mit weitreichenden Waffen verteidigen können. "Daher fordern wir die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus."
Merz und die Union setzen hier einen anderen Akzent. Den Ukraine-Feldzug von Russlands Präsidenten Wladimir Putin sieht die Union im Zusammenhang damit, dass Moskaus Machthaber "eine neue Weltordnung nach seinen Regeln" wolle. "Sicherheit für Deutschland und Europa, in Frieden und Freiheit: Das hat für uns überragende Bedeutung. (...) Fällt die Ukraine, droht der Angriff auf ein weiteres europäisches Land." Der Ukraine versprechen CDU/CSU alle erforderliche Unterstützung.
Nach einem Wahlsieg will die Union, dass Deutschland, Frankreich, Polen und England in Abstimmung mit den USA gemeinsam Sicherheitsgarantien für die Ukraine entwickeln. Die Union betont dabei ebenso wie SPD und Grüne, ein Friedensprozess müsse von der Ukraine auf Augenhöhe geführt werden können.
Die Union ist zudem etwa für eine aufwachsende Wehrpflicht, die SPD lehnt eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ab, will aber einen "neuen, flexiblen Wehrdienst" einführen. Die Grünen wollen den freiwilligen Wehrdienst und die Reserve für eine breite Zielgruppe attraktiver machen. Die FDP will "die Bundeswehr zur stärksten konventionellen Streitkraft in Europa" machen.