BERLIN (dpa-AFX) - Dem Staat drohen im Kampf gegen Steuertricks weltweit tätiger Konzerne weitere Rückschläge und Mindereinnahmen in Milliardenhöhe. Hintergrund ist nach Zweifeln des Bundesfinanzhofs (BFH) ein möglicher Wegfall der sogenannten Zinsschranke, mit der willkürliche Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer verhindert werden sollen.
Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums dürften bei einer Aussetzung der bestehenden Regelung zum jetzigen Zeitpunkt im Kassenjahr 2014 Steuereinnahmeverluste von 900 Millionen Euro entstehen. Ab 2015 seien weitere "erhebliche" Mindereinnahmen zu erwarten, wie aus einer am Dienstag bekanntgewordenen Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht.
Die mit der Unternehmenssteuerreform 2008 eingeführte "Zinsschranke" soll verhindern, dass über konzerninterne Finanzkonstrukte Gewinne künstlich ins steuergünstigere Ausland verlagert werden. Dazu wird die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen beschränkt. Der BFH hatte in einem Mitte April veröffentlichen Beschluss (Az. I B 85/13) die Zinsschrankenreglung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert.
Sollte das Bundesverfassungsgericht dies bestätigen, würde dies nicht nur Mindereinnahmen für den Staat bedeuten. Auch würde der Kampf gegen Steuerschlupflöcher internationaler Konzerne schwieriger. Dies betrifft etwa eine Art Lizenzschranke. Denn weltweit tätige Konzerne verlagern auch Patente, Markenrechte und Lizenzgebühren in Tochterfirmen in einer Steueroase, um so den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast zu drücken.
Die Linkspartei warnte vor einer Abschaffung der "Zinsschranke". "Ein Verbot wäre ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich für mehr Steuergerechtigkeit bei der Besteuerung von Großkonzernen einsetzen", sagte der finanzpolitische Sprecher Axel Troost. "Es wäre eine Einladung zur exzessiven Nutzung der bekannten Steuergestaltungsmodelle." Auch würde eine Ausweitung der Regelung auf Lizenzzahlungen, die von Google NAS:GOOG (ETR:GGQ1), Starbucks (FSE:SRB) NAS:SBUX und Co. zur Steuergestaltung benutzt werden, verhindert.
Bei den 2014 angenommenen Ausfällen von 900 Millionen Euro durch einen Wegfall der Zinsschranke hat das Ministerium unterstellt, dass "alle von der Zinsschranke direkt betroffenen Unternehmen noch in diesem Jahr ihre Vorauszahlungen zur Gewerbe- und Körperschaftsteuer anpassen würden". Weitere "erhebliche" Zusatzeinbußen ab dem Kassenjahr 2015 dürften anfallen, wenn die international verflochtenen Unternehmen ihre Strukturen neu ausgerichtet haben.sl