- von Susan Heavey und Philip Blenkinsop
Washington/Brüssel (Reuters) - US-Präsident Donald Trump lässt das Risiko eines Handelskriegs infolge der von ihm angekündigten Schutzzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte kalt.
"Wenn ein Land (USA) viele Milliarden Dollar verliert durch Handel mit fast jedem Land, mit dem es Geschäfte macht, sind Handelskriege gut und leicht zu gewinnen", twitterte Trump am Freitag. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigte Gegenmaßnahmen an: "Ich sage ja nicht, dass wir zurückschießen müssen, aber wir müssen Maßnahmen ergreifen. ... Wir sind da, und man wird uns auch kennenlernen." Insidern zufolge erwägt die EU, Zölle auf US-Importe im Umfang von 3,5 Milliarden Dollar zu erheben. Auch Kanada, Brasilien und weitere wichtige US-Handelspartner drohten mit Gegenmaßnahmen. Politiker und Volkswirte warnten vor Jobverlusten auf beiden Seiten des Atlantiks, steigenden Preisen und Verwerfungen im Welthandel auch mit anderen Produkten. Die Aktienmärkte brachen weltweit ein.
Trump zeigte sich unbeeindruckt von den Warnungen: Wenn man ein Handelsdefizit von 100 Milliarden Dollar mit einem bestimmten Land habe und dieses dann "aufmüpfig" werde, dann gelte: "Einfach nicht mehr handeln - und wir gewinnen dicke", schrieb er auf Twitter. "It's easy (Das ist leicht)!" Trumps Sprecherin Sarah Sanders sagte, an den Zöllen werde noch gefeilt. Sie dürften nach den nach Worten von Handelsminister Wilbur Ross vermutlich alle Länder betreffen. "Das ist das, was der Präsident gestern scheinbar angekündigt hat", sagte Ross dem Sender CNBC auf eine entsprechende Frage. Die USA seien das am wenigsten protektionistische Land. Dagegen subventionierten andere Länder ihre Waren und arbeiteten mit Dumping.
EU-GEGENMASSNAHMEN
Juncker kündigte Zölle auf "Harley-Davidson, auf Bourbon und auf Blue-Jeans" an. Die Maßnahmen würden in Einklang mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) stehen, sagte Juncker vor deutschen Journalisten. Geprüft werden müssten noch die Einzelheiten der US-Maßnahmen, die ja noch nicht bekannt seien. "Das ist alles nicht vernünftig, aber Vernunft ist ja ein Gefühl, das sehr unterschiedlich verteilt ist in der Welt", sagte Juncker zu dem Streit weiter. Aus EU-Kreisen verlautete, die EU erwäge Zölle auf US-Importe im Volumen von 3,5 Milliarden Dollar. Angedacht sei ein Satz von 25 Prozent. Dieser könnte greifen, wenn die angekündigten US-Schutzzölle erhoben würden. Zudem seien weitere Gegenmaßnahmen vorgesehen.
Der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevedo, warnte vor einem Handelskrieg. Dieser sei in niemandes Interesse. Die Gefahr einer Eskalation des Streits sei allerdings real.
SORGE UM ARBEITSPLÄTZE IN DEUTSCHLAND
An den internationalen Finanzplätzen reagierten Anleger verunsichert. Weltweit verzeichneten die Börsen Verluste, darunter der deutsche Leitindex Dax, der über zwei Prozent abgab und unter die Marke von 12.000 Punkten fiel. Trump hatte am Donnerstag trotz Widerstands einiger enger Berater angekündigt, in der kommenden Woche Stahlimporte mit einem Zoll von 25 Prozent zu belegen. Aluminium-Einfuhren will er mit zehn Prozent belasten.
"Ein solcher weltweiter US-Rundumschlag würde gerade unsere Exporte und Arbeitsplätze mit am Stärksten betreffen", sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Der Chef des deutschen Exportverbands BGA, Holger Bingmann, warnte, es könnten auch Branchen und Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden, die mit Stahl- und Aluminiumprodukten nichts zu tun hätten. Der Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauer-Verbands VDMA, Thilo Brodtmann, sagte, es drohe eine "Spirale aus wechselseitigen Strafzöllen".
Trump hat wiederholt erklärt, die US-Stahl- und Aluminium-Industrie habe seit Jahrzehnten unter Importen gelitten. Experten räumen ein, dass Trumps Zoll-Pläne den US-Unternehmen in der Branche Vorteile verschaffen könnten. Sie bezweifeln jedoch, dass auch mehr Arbeitsplätze entstehen. Eine Studie der Amerikanischen Wirtschaftsvereinigung ASSA zufolge fielen die meisten Jobs in der Branche in den vergangenen Jahrzehnten dem technologischen Fortschritt zum Opfer.
NATIONALE SICHERHEIT
Trump beruft sich bei seinen Zoll-Plänen auf ein US-Gesetz aus Zeiten des Kalten Kriegs, das Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der nationalen Sicherheit erlaubt. Da Stahl- und Aluminium wichtig für das Militär sind, ist es aus Trumps Sicht zentral, dass die USA sich nicht zu sehr abhängig machen von ausländischen Produzenten. Das US-Verteidigungsministerium hat allerdings kein Problem damit, Stahl- und Aluminium zu importieren. Vielmehr warnt es vor potenziellen Folgen breitangelegter Zölle für wichtige Verbündete. Es empfahl daher, Staaten wie Kanada explizit von Zöllen auszunehmen.
Kanada exportiert am meisten Stahl in die USA. Der Anteil an den gesamten Stahlimporten macht knapp 17 Prozent aus. Es folgen Brasilien und Südkorea. Deutschland steuert knapp vier Prozent bei. Es liegt damit auf Platz acht. Den Handelsfalken in der US-Regierung geht es aber offenbar besonders um China, dem sie vorwerfen, vor allem für die weltweiten Überkapazitäten im Stahlsektor verantwortlich zu sein. China trägt jedoch nur 2,9 Prozent zu den US-Stahlimporten bei.