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Vollgas für EU-Reform - Aber Berlin und Paris ringen noch

Veröffentlicht am 16.03.2018, 10:31
© Reuters.  Vollgas für EU-Reform - Aber Berlin und Paris ringen noch

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Wenn die frisch vereidigte Kanzlerin Angela Merkel am Freitag nach Paris reist, wird sie mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron formal endlich wieder auf Augenhöhe sprechen können.

Zwar haben sich die beiden seit der Bundestagswahl bereits wieder mehr als ein halbes Dutzend Mal gesehen. Aber Macron selbst hat immer wieder eine Regierungsbildung in Berlin angemahnt, damit der deutsche Partner in der EU-Politik wieder voll sprechfähig ist. Nun wollen beide den EU-Gipfel kommende Woche vorbereiten - und Merkel wischt Spekulationen beiseite, dass Deutschland und Frankreich keine gemeinsamen Position finden könnten. "Wir werden sicherlich noch nicht die letzte Frage geklärt haben, aber wir werden mehr sagen können, als wir im Dezember sagen konnten", fasste sie am Montag die Lage zusammen.

Allerdings ist die Situation in der EU seit Dezember schwieriger geworden - was auch Auswirkungen auf die Arbeit des deutsch-französischen Duos hat. Nach der Italienwahl kommt im drittgrößten Euro-Land nun wahrscheinlich eine Koalition aus Europa-Skeptikern und -gegnern an die Regierung. Was dies für die Reformdebatte etwa in der Euro-Zone bedeutet, ist völlig offen. Und die Finanzminister von acht nördlichen EU-Ländern haben nun offen ihren Widerstand gegen zentrale Macron-Ideen formuliert. "Seither ist klar, dass Deutschland schon deshalb nicht zu weit auf Frankreich zugehen kann, weil es sonst seine traditionellen Verbündeten verliert", sagt Nicolai von Ondarza, Europa-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Hinzu kommt, dass die neue Bundesregierung zwar ein ambitioniertes EU-Kapitel im Koalitionsvertrag beschlossen hat - aber die Ideen alles andere als die Übernahme der Macron-Vorschläge sind. Beide Regierungen gleichen Autofahrern, die zwar an dasselbe Ziel wollen - eine viel engere Zusammenarbeit in der EU -, aber andere Routen dorthin bevorzugen. Friktionen zeigen sich auf einer ganzen Reihe von Feldern.

FINANZEN: Im Koalitionsvertrag öffnet die Bundesregierung zwar das Türchen für den von Macron geforderten Investitionsfonds in der Euro-Zone. Aber der klare Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau des allgemeinen EU-Budgets für alle 27 EU-Staaten nach dem britischen Austritt. Merkel betonte am Mittwoch zudem, dass auch sie die Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion wolle und dafür kämpfen werde. "Aber was wir nicht wollen, ist, sozusagen Haftung und Verantwortung durcheinander zu bringen oder Schulden einfach zu vergemeinschaften, ohne wettbewerbsfähig zu werden. Daran wird sich nichts ändern", sagte sie auf eine Frage nach Macron. Also müssten auch erst die Risiken etwa bei nationalen Banken verringert werden. Schon Interims-Finanzminister Peter Altmaier hatte betont, dass die Einrichtung eines gemeinsamen europäischen Einlagensicherungssystem für Sparer eher eine Sache von Jahren und nicht Wochen oder Monaten sei. Aber eine gemeinsame bilaterale Linie dazu sowie bei den Unternehmenssteuern war vom französischen Finanzminister Bruno le Maire bis Juni ins Auge gefasst worden.

VERTEIDIGUNG: Im Prinzip sind sich Merkel und Macron hier ebenso einig wie beim generellen Ziel der Stärkung der Euro-Zone. Die Europäer müssen angesichts des unsicheren Verbündeten USA mehr gemeinsam leisten, sagen beide. Aber Frankreich dringt vor allem auf eine Koalition der Freiwilligen und Fähigen bei der Bildung einer europäischen Interventionsarmee. Deutschland bevorzugt dagegen eine gemeinsame Zusammenarbeit im sogenannten Pesco-Format, an dem sich auch alle kleinen EU-Staaten beteiligen können.

EUROPAWAHL: Daneben gibt es einen schwelenden Konflikt auf Ebene der Parteien. Denn Macron würde mit seiner Bewegung "En Marche" gerne die Parteienlandschaft in Europa aufmischen. Daran haben aber weder CDU-Chefin Merkel noch die SPD ein Interesse, deren Parteienfamilien bisher die Politik im Europäischen Parlament dominieren. Dieser Konflikt wird vor der Europawahl im Frühjahr 2019 ausbrechen, weil Macron in allen EU-Staaten Mitstreiter für seine Sammlungsbewegung sucht - und dabei auch bei den anderen Parteienfamilien wildern will.

BERLIN UND PARIS FEILEN AN GEMEINSAMEN PROJEKTEN

"Dennoch ist mein Eindruck, dass beide Regierungen vor dem EU-Rat kommende Woche etwas vorlegen wollen - aber wohl eher einen ersten Aufschlag statt eines kompletten Reformpakets", meint SWP-Experte von Ondarza. Felder könnten nach Einschätzung von EU-Diplomaten gemeinsame Positionen in der Außen- und Verteidigungspolitik sowie beim digitalen Binnenmarkt sein. Denn sowohl Merkel und Macron haben eine Aufholjagd auf amerikanische und chinesische IT-Riesen gefordert. Beide sind überzeugt, dass die Europäer vor allem auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz Gas geben müssen, auch mit bilateralen Projekten.

Im Hintergrund wird deshalb zwischen beiden Regierungen intensiv beraten. Merkel selbst hat sich in den vergangenen Tagen mehrfach mit dem neuen Außenminister Heiko Maas und Finanzminister Olaf Scholz abgestimmt. Maas war bereits am Mittwochabend in der französischen Hauptstadt, Scholz fliegt wie Merkel am Freitag.

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