- von Andreas Rinke und Peter Maushagen
Berlin/Brüssel (Reuters) - Wenn sich die 27 EU-Regierungen ohne die Briten am Freitag in Brüssel treffen, wird der Blick weit in die Zukunft gerichtet.
Zum ersten Mal wollen sie auf dem informellen Gipfel über die Finanzen der Union zwischen 2021 und 2027 reden, während die Regelungen für den jetzigen Haushalt bis 2020 gelten. Immer wenn es ums Geld geht, wird es grundsätzlich: In den kommenden Monaten muss geklärt werden, wofür die EU ihr Geld ausgeben soll - und wie viel die einzelnen Staaten nach dem Austritt Großbritanniens in die gemeinsame Kasse einzahlen sollen. Weil das Land Nettozahler ist, dürften künftig mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr fehlen.
AUFTAKT FÜR DEN GROSSEN STREIT UMS GELD
Mit Entscheidungen wird bei dem informellen Treffen nicht gerechnet. Kanzlerin Angela Merkel sagte am Dienstag in ihrer Unionsfraktion nach Teilnehmerangaben, dass sie ohnehin nicht mit einer Einigung vor den Europawahl im Frühjahr 2019 rechne. Dafür steht zuviel auf dem Spiel. Denn es geht nicht nur darum, wie viel Geld für dänische Milchkühe oder französische Bauern gezahlt wird. Es kommen mit dem EU-Grenzschutz oder der gemeinsamen Verteidigungspolitik neue Aufgaben hinzu. Unklar ist, ob diese aus dem EU-Haushalt oder weiter von den Nationalstaaten bezahlt werden sollen. Während die einen darauf dringen, erst einmal Sparmöglichkeiten zu suchen, gibt es andere Stimmen, die unter Verweis auf die Herausforderungen mehr Geld fordern.
Außerdem hat die Flüchtlingskrise neuen Fronten zwischen west- und osteuropäischen Staaten aufgerissen. Länder wie Deutschland pochen darauf, dass Solidarität in der EU nicht geteilt werden könne. Mit anderen Worten: Wenn die Netto-Empfängerländer im Osten der Union weitere Milliarden bekommen wollen, dann sollen sie sich auch bei der Verteilung von Flüchtlingen solidarisch zeigen. Da der Finanzrahmen am Ende aber einstimmig beschlossen werden muss, wissen alle, wie schwierig eine Einigung wird. Die Verhandlungen über den laufenden Haushalt zogen sich zweieinhalb Jahre hin. "Das Budget war immer sehr umstritten. Es wird diese Mal nicht anders sein", sagt ein EU-Vertreter.
DER SPITZENKANDIDAT
Nicht weniger kontrovers dürfte die Debatte über die Besetzung eines Spitzenjobs in der EU ausfallen: die Leitung der mächtigen EU-Kommission. Der Kommissionspräsident wurde 2014 nämlich erstmals faktisch in der Europawahl bestimmt. Genauer gesagt war es mit dem Konservativen Jean-Claude Juncker der Spitzenkandidat der erfolgreichsten Parteienfamilie. Vor 2014 hatten Parlamentswahl und Ernennung des Kommissionschefs in der Praxis nichts miteinander zu tun. Das neue System ist bei den EU-Staats- und Regierungschefs nicht sonderlich beliebt. Sie hatten den Spitzenposten stets hinter verschlossenen Türen besetzt.
Es läuft nun auf einen Machtkampf zwischen den im Europäischen Rat organisierten Regierungen und dem Europaparlament hinaus. Die Abgeordneten hatten Anfang des Monats mit großer Mehrheit beschlossen, nur einen ihrer Spitzenkandidaten an der Kommissionsspitze bestätigen zu wollen.