FRANKFURT (dpa-AFX) - Am Aktienmarkt ist derzeit von Verschnaufpause keine Spur: Kaum hat die Geldflut der Europäischen Zentralbank (EZB) den Dax (DAX) in zuvor nie gekannte Höhen gehievt, sind nun alle Augen auf Griechenland gerichtet. Der voraussichtliche Sieg des europakritischen Linksbündnisses Syriza bei den vorgezogenen Parlamentswahlen weckt Sorgen, dass die fast schon überwunden geglaubte Eurokrise den Markt noch einmal ordentlich durchschütteln könnte.
"Alles andere als ein Wahlsieg von Syriza wäre eine große Überraschung", schrieb Analyst Christoph Weil von der Commerzbank. Möglicherweise reiche es sogar für eine absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Ein solcher Wahlausgang würde in Brüssel und an den Finanzmärkten sicherlich mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Denn das Linksbündnis habe sich auf die Fahnen geschrieben, einen Teil der Reformen zurückzurollen und den Sparkurs zu lockern. Doch Weil beruhigte: Auch bei einem solchen Wahlausgang sei das Risiko eines Austritts Griechenlands aus dem Euro gering.
NEUE ATHENER REGIERUNG MUSS SICH DEN REALITÄTEN STELLEN
Denn nach den Wahlkampfreden muss sich eine neue Regierung in Athen - so sie überhaupt rasch zustande kommt - den Realitäten stellen. Deshalb verwundert es kaum, dass der Syriza-Vorsitzende Alexis Tsipras inzwischen weniger von einem neuen Schuldenschnitt redet. Dieser indes würde nun vor allem zu Lasten der europäischen Staaten und Steuerzahler gehen.
Damit könnte die Parlamentswahl in Athen recht glimpflich an den Märkten vorbeigehen. In diesem Fall dürften sich die Anleger weiter mit Enthusiasmus "der Geldillusion hingeben", wie Chefvolkswirt Stefan Bielmeier von der DZ Bank das massive Anleihekaufprogramm der EZB zur Stützung der Wirtschaft kommentierte. Insofern bleiben Experten trotz der Unsicherheit um Griechenland optimistisch gestimmt: "Dax-Anleger können sich freuen, der Markt liefert ein Rekordhoch nach dem anderen", sagte Marktbeobachterin Sarah Brylewski vom Handelshaus Ayondo.
WARNUNG VOR ZU VIEL EUPHORIE
Die gegenwärtige Hochstimmung begründet Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank so: "Die Geldpolitik der EZB führt schlichtweg zu höherer Attraktivität von Aktien." Denn durch das Überangebot an Liquidität sinkt der Preis des Geldes, also der Zins. Wer auf Anleihen, Festgeld oder Lebensversicherungen setzt, schaut deshalb in die Röhre, weil diese in Zukunft noch weniger Rendite abwerfen als eh schon. Das treibt immer mehr Anleger in die Aktienmärkte.