😎 Sommerzeit, Hammer-Deals! Bei InvestingPro winken jetzt bis zu 50% Rabatt auf KI-Aktien-TippsJETZT ZUGREIFEN

Börse Frankfurt-News: Das Sparkorsett ist tot, es lebe die Spendierhose (Halver)

Veröffentlicht am 31.05.2013, 14:56
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 31. Mai 2013 MÜNCHEN (Baader Bank). Es ist soweit: Austerität ist offiziell zum Unwort der EU erklärt worden. In Brüssel hat man bemerkt, dass Sparen die Verschuldung in den Euro-Ländern nicht senkt, sondern steigen lässt, weil das Wachstum abgewürgt wird. Man hätte schon früher darauf kommen können, weiß doch eigentlich jeder, dass Pflanzen nicht wachsen, wenn sie nicht bewässert werden und der Dünger durch Unkraut-Ex ersetzt wird. Aber auch ein Blick in die Geschichtsbücher hätte genügt, um festzustellen, dass das Kaputtsparen von Hungerkanzler Brüning die deutsche Volkswirtschaft ab 1929 ruinierte.

So werden Griechenland, Portugal, Spanien, Italien und Frankreich die Entzugsklinik verlassen und die Schenke 'Zum fröhlichen Schuldner' wieder zur Stammkneipe machen. Allerdings hat die Sache zwei Haken. Zunächst ist historisch belegbar, dass ein Pfund, ein Dollar, ein Yen, eine Schwedenkrone, eine DM oder auch ein Euro neue Staatsschulden - im Gegensatz zu Privatinvestitionen - die Wirtschaft nur in Pennies, US-Cents, Sens, Ören, Pfennigen oder Euro-Cents wachsen lässt. Außerdem werden sich zum Schluss über die Bedienung der Staatsschulden wie immer nur die Fixkosten der Volkswirtschaft - wie bei einer Mietpreissteigerung - erhöht haben.

Dennoch wird die Brüsseler Gesundbetungsmaschinerie alles daran setzen, um diesen Rückfall in die Klamottenkiste der Verschuldung in das richtige Licht zu rücken. Warum Skrupel haben? Schließlich sollen doch nur 'gute' Schulden gemacht werden, sollen doch lediglich Strukturreformen auf Pump finanziert werden. Und die düngen dann den Boden, die Infrastruktur für zukünftig ordentliches Wachstum.

Tatsächlich stellen sich bei ernst gemeinten Reformen Wachstumserfolge ein. Leider brauchen sie viel Zeit, bis sie wirken. Und bevor sie die Wirtschaft heilen, tun sie zunächst weh. Die deutsche Agenda 2010 hat nicht über Nacht Wirkung gezeigt, aber der damaligen Regierung in der Zwischenzeit viel Ärger und sogar die Abwahl eingebracht. Auch in den anderen Euro-Ländern wollen die Menschen keine Reformschmerzen erleiden. So hat sich bei den italienischen Wahllokalen eindeutig gezeigt, was man dort von Reformatoren wie Mario Monti hält: Nichts! Welcher Politiker wird nach diesen Erfahrungen ein weiteres Mal an die heiße Herdplatte fassen? Wenn aber der Reform-Geist nicht einmal willig ist, wie will dann erst das Reform-Fleisch seine Schwäche ablegen. Und welchen Sinn machen dann schuldenfinanzierte Reformprojekte außer Zeitgewinn?

Neue Arbeitsplätze für Euro-Kraten

Überhaupt, wäre da nicht eine weitere, Brüssel untergeordnete, den Euro-Ländern übergeordnete Expertenkommission angebracht, die kontrolliert, ob gute Schulden für Investitionen oder schlechte zur Aufrechterhaltung der Mangelwirtschaft gemacht werden? Immerhin hätte diese Kommission den angenehmen Nebeneffekt, den auf nationaler Ebene in Ungnade gefallenen Politikern eine zweite, wahrscheinlich besser bezahlte Ersatzbeschäftigung zu bieten. Für Schuldensünder müssten sie zudem Sanktionen aussprechen. Glauben Sie, dass sich Euro-systemrelevante Länder wie La Grande Nation das gefallen lassen werden? Eher treten Frösche freiwillig zum Trockenlegen ihrer Sümpfe an. Greift man dann zum äußersten Mittel und verweigert den Regierungschefs schuldensündiger Länder beim nächsten EU-Gipfel den Nachtisch?

Etikettenschwindel als Lösung der Euro-Schuldenkrise

Grundsätzlich ist es eine ausgemachte Frechheit, wie der euroländischen Bevölkerung die Wiedergeburt der Schuldenpolitik und das Umschiffen der Schuldenregeln verkauft werden soll: Auf Pump finanzierte öffentliche Strukturmaßnahmen sollen zukünftig nicht mehr als Schulden - dann gehen sie auch nicht mehr in die Defizitberechnung ein - sondern als Investitionen definiert werden. Wunderbar, dann kann demnächst auch jeder Landwirt seine Nebelfelder als Bauerwartungsland deklarieren und sich jede Knackwurstbude Feinschmeckerlokal nennen.

Was würden Sie als Finanzminister tun? Also ich würde zukünftig kräftig neue Schulden machen, diese als Investitionen erklären und dennoch mühelos das Maastricht-Defizitkriterium schaffen. Halleluja!

Wie tief ist die einst als stolze Stabilitätsunion gestartete EU gesunken, dass kreative Buchführung hoffähig wird, um Schulden zu verstecken? Wer hat Europa kürzlich als 'Sanierungsfall' beschrieben, das 'Gutmenschentum' zelebriert und gesagt, dass 'viele in Europa noch immer glauben, alles werde gut'? Es war nicht irgendwer, es war Herr Oettinger, einer der EU-Kommissare. Eigentlich sind sie im Fell gefärbte Euro-Enthusiasten. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.

Auf den Mikrokosmos kommt es an

Aus Euroland flüchten brauchen wir dennoch nicht, zumal ja auch anderenorts der Stabilitätsansatz das Schicksal der Dinosaurier teilt. Machen wir aus dem negativen Makrokosmos das Beste für unseren Mikrokosmos. Immerhin hat die euroländische Verständnis-Politik positive Nebenwirkungen für unsere Finanzmärkte: Die Heiligsprechung neuer, konjunkturstützender Schulden, die durch viel und billiges Geld der EZB die Absolution erhalten, sind ein festes Glaubensbekenntnis für Aktien.

In Zeiten wie diesen muss man auch für die kleinen Kartoffeln dankbar sein. Die sollen ja am besten schmecken.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

Sie können sich kostenlos für unseren täglichen Newsletter per E-Mail anmelden. Registrieren Sie sich einfach unter www.boerse-frankfurt.der/newsletter.

© 31. Mai 2013/Baader Bank AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

Aktuelle Kommentare

Installieren Sie unsere App
Risikohinweis: Beim Handel mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen bestehen erhebliche Risiken, die zum vollständigen oder teilweisen Verlust Ihres investierten Kapitals führen können. Die Kurse von Kryptowährungen unterliegen extremen Schwankungen und können durch externe Einflüsse wie finanzielle, regulatorische oder politische Ereignisse beeinflusst werden. Durch den Einsatz von Margin-Trading wird das finanzielle Risiko erhöht.
Vor Beginn des Handels mit Finanzinstrumenten und/oder Kryptowährungen ist es wichtig, die damit verbundenen Risiken vollständig zu verstehen. Es wird empfohlen, sich gegebenenfalls von einer unabhängigen und sachkundigen Person oder Institution beraten zu lassen.
Fusion Media weist darauf hin, dass die auf dieser Website bereitgestellten Kurse und Daten möglicherweise nicht in Echtzeit oder vollständig genau sind. Diese Informationen werden nicht unbedingt von Börsen, sondern von Market Makern zur Verfügung gestellt, was bedeutet, dass sie indikativ und nicht für Handelszwecke geeignet sein können. Fusion Media und andere Datenanbieter übernehmen daher keine Verantwortung für Handelsverluste, die durch die Verwendung dieser Daten entstehen können.
Die Nutzung, Speicherung, Vervielfältigung, Anzeige, Änderung, Übertragung oder Verbreitung der auf dieser Website enthaltenen Daten ohne vorherige schriftliche Zustimmung von Fusion Media und/oder des Datenproviders ist untersagt. Alle Rechte am geistigen Eigentum liegen bei den Anbietern und/oder der Börse, die die Daten auf dieser Website bereitstellen.
Fusion Media kann von Werbetreibenden auf der Website aufgrund Ihrer Interaktion mit Anzeigen oder Werbetreibenden vergütet werden.
Im Falle von Auslegungsunterschieden zwischen der englischen und der deutschen Version dieser Vereinbarung ist die englische Version maßgeblich.
© 2007-2024 - Fusion Media Limited. Alle Rechte vorbehalten.