FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Die Inflation zeigt sich hartnäckig, hartnäckig sind aber auch die Notenbanker im Kampf dagegen. Das lastet auf dem Markt. Gute Bonitäten und kurze Laufzeiten bleiben gefragt. Dagegen ist der Mittelstandsanleihenmarkt weiter unter Druck.
30. Juni 2023. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Notenbanker lassen im Kampf gegen die Inflation nicht locker - das wurde auf der Konferenz im portugiesischen Sintra abermals deutlich. Fed-Chef Powell stellte erneut steigende Zinsen in Aussicht: Die Daten zeigten, dass das Wachstum stärker, der Arbeitsmarkt enger und die Inflation höher sei als erwartet. EZB-Chefin Christine Lagarde betonte, dass eine Pause der Zinserhöhungen vorerst nicht infrage komme. "Die Zinssorgen bleiben ein Belastungsfaktor, Marktteilnehmer rechnen mit einer Fortsetzung der straffen Geldpolitik sowohl in den USA als auch in der Eurozone", berichtet Tim Oechsner von der Steubing AG.
"Kernrate bleibt das Problem"
Außerdem kamen die neuesten Inflationszahlen: In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise nach 6,1 Prozent im Mai im Juni wieder stärker, und zwar um 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings hatten im Juni 2022 das auf drei Monate befristete Neun-Euro-Ticket und der Tankrabatt den Preisauftrieb gedämpft, dieses Jahr entfiel der Effekt. Die Kerninflation lag bei 5,8 Prozent nach 5,4 Prozent im Mai. In der Eurozone erhöhten sich die Verbraucherpreise hingegen nur noch um 5,5 Prozent nach 6,1 Prozent im Mai, wie das Statistikamt Eurostat heute mitteilte. Das ist die niedrigste Inflationsrate seit Anfang 2022. Die Kernteuerung klettert aber von 5,3 auf 5,4 Prozent. "Die Kernrate bleibt das Problem", kommentiert Ulrike Kastens, Volkswirtin bei der DWS (ETR:DWSG).
"Der Rentenmarkt hat nach Bekanntgabe der höher als erwartet liegenden Inflationszahlen die anfänglichen Gewinne von dieser Woche wieder abgegeben", berichtet Arthur Brunner von der ICF Bank aus dem Rentenhandel. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell mit 2,45 Prozent nach 2,49 Prozent vor einer Woche.
Gute Qualität zieht weiter
Im Geschäft mit Unternehmensanleihen bleiben Kurzläufer mit guter Bonität gefragt, wie Brunner von ICF feststellt. Bei der Steubing AG geht viel um in Anleihen von Mercedes-Benz (ETR:MBGn) (DE000A3LH6T7, DE000A2GSCW3), Fraport (ETR:FRAG) (XS2198879145), Knorr-Bremse (ETR:KBX) (XS1837288494) und Bayer (ETR:BAYGN) (XS2630112014, XS2630111719). Fällig sind diese zwischen 2026 und 2033, die Renditen liegen bei 3,25 bis 4,4 Prozent. Beate Mägerle von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank sieht viel Interesse an der Anfang Juni emittierten und bis 2027 laufenden Anleihe von Sixt (ETR:SIXG) mit 5,125 Prozent (DE000A351WB9).
Unter den Fremdwährungsanleihen findet Brunner zufolge ein auf US-Dollar lautender Bond von John Deere (NYSE:DE) mit 2,65 Prozent bis Juni 2024 (US24422ETT63) viel Zuspruch. Deutliche Verluste gebe es in Bonds der französischen Supermarktkette Casino, Guichard-Perrachon (0:FR0012369122=TX). "Die Schulden sollen in Eigenkapital umgewandelt werden."
Ohne große Auswirkungen bleibt die Großrazzia bei Adler Real Estate (ETR:ADLG): Die Staatsanwaltschaft Frankfurt und das BKA durchsuchten am Mittwoch über 20 Objekte des angeschlagenen Immobilienkonzerns. Es geht unter anderem um den Verdacht der Falschbilanzierung und Marktmanipulation. "Bei den Anleihen tut sich nicht viel", berichtet Marcus Mielert von Oddo BHF.
Zurückhaltung bei kleinen Anleihen
Die am 14. Juni bekannt gegeben Liquidation des Deutsche Mittelstandsanleihe Fonds DMAF (61:0P0000ZZFF) lastet unterdessen weiter auf dem Markt für Mittelstandsanleihen. Alle Bonds des Fonds sollen Schritt für Schritt veräußert werden. "Das ist wie ein Damoklesschwert, man weiß nicht, ob schon etwas verkauft wurde, und was noch kommt", bemerkt Brunner.
Unter Abgabedruck geriet diese die Anleihe des Autozulieferers Paragon (ETR:PGNG) (DE000A2GSB86). "Der Kurs rutschte von 71 Prozent auf 65 Prozent", meldet Brunner. Ernst wird es um ERWE Immobilien (DE000A255D05). "Jetzt ist Entscheidungsdruck da", formuliert es Marcus Mielert. Das Unternehmen hatte eine am 10. Juni fällige Zinszahlung auf die Anleihe nicht geleistet und dann eine "umfassende finanzielle Restrukturierung" angekündigt. Dabei geht es unter anderem um die Stundung der Zinszahlung und die Umwandlung der Anleihe in Eigenkapital. Seit dem gestrigen Donnerstag bis kommenden Sonntag, den 2. Juli, können die Anleihegläubiger über die vorgeschlagenen Maßnahmen der Emittentin abstimmen.
"Nachfrage nach neuer Porsche-Anleihe ist groß"
Die Porsche Automobil Holding S.E. kommt nach dem erfolgreichen Debüt vom April mit einer weiteren Anleihe auf den Markt, und zwar im Volumen von 1,25 Milliarden Euro in zwei Tranchen und Stückelung von 1.000 Euro. Die eine Tranche läuft bis September 2027 und bietet 4,125 Prozent (XS2643320018), die andere bis September 2030 und bietet 4,25 Prozent (XS2643320109). "Die Nachfrage ist groß", erklärt Beate Mägerle mit Blick auf die bis 2027 laufende. Die börsennotierte Porsche Automobil Holding S.E. ist Großaktionärin der Volkswagen (ETR:VOWG) AG und auch der börsennotierten Porsche AG (ETR:P911_p).
Bei der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank ist eine neue, bis 2027 laufende Anleihe der UBM mit Kupon von 7 Prozent gefragt (AT0000A35FE2), wie Mägerle berichtet. Am Montag wegen Überzeichnung vorzeitig beendet wurde die Zeichnungsfrist für den neuen dreijährigen Bond des Konzertveranstalters DEAG Deutsche Entertainment mit Kupon von 8 Prozent. "Seit Dienstag findet bei uns ein reger Handel per Erscheinen statt." Aktuell notiert der Bond um 100,50 Prozent.
Von Anna-Maria Borse, 30. Juni 2023 © Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG
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