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Börse Frankfurt-News: "Überraschungen in der Lohnpolitik" (Hüfner)

Veröffentlicht am 11.03.2015, 17:47
Aktualisiert 11.03.2015, 17:48
© Reuters.  Börse Frankfurt-News: "Überraschungen in der Lohnpolitik" (Hüfner)

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 11. März 2015. Die Reallöhne steigen in Deutschland in diesem Jahr so stark wie schon lange nicht mehr. Das ist eine gute Nachricht. Es gibt keine sich selbst beschleunigende Deflation. Das Wachstum erhält zusätzliche Impulse. Der Export leidet bisher nicht. International wird Deutschland um die Lohnentwicklung beneidet.

Damit hatte ich nicht gerechnet. In der Metall- und Elek­troindustrie wird es in diesem Jahr den höchsten Real­lohnzuwachs seit Langem geben. Die Tarifpartner ver­ein­barten, Löhne und Gehälter um 3,4 Prozent zu erhöhen. Dazu kommen noch ein paar Nebenleistungen. Zusam­men mit einer Preissteigerung, die kaum über Null hi­naus geht, ergibt sich ein Anstieg der Reallöhne um 3,5 Prozent.

Damit wurde ein dicker Pflock in die tarifpolitische Land­schaft des Jahres eingerammt. Sicher kann man das Er­gebnis nicht eins zu eins auf die Gesamtwirtschaft über­tragen. Im Dienstleistungsbereich und im öffentlichen Dienst ist die Produktivitätssteigerung als Basis für die Erhöhung der Löhne niedriger. Aber man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Tarifverdienste in der Ge­samtwirtschaft in diesem Jahr preisbereinigt um 3 Prozent bis 3,5 Prozent zunehmen werden. Auch das ist sehr viel. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 2 Prozent.

Das passt so gar nicht in den Chor der Klagen über schwaches Wachstum und Deflation, der heute en vogue ist. Sind die Lohnabschlüsse überzogen oder sind die gesamtwirtschaftlichen Bedingungen besser als bis­her angenommen? Ich glaube, dass Letzteres der Fall ist. Wir müssen umdenken.

Die Lohnerhöhungen zeigen, dass die Befürchtungen einer sich selbst beschleunigenden Deflation nicht ge­rechtfertigt sind. Die Pessimisten der Europäischen Zen­tralbank haben nicht Recht. Der Rückgang der Preise führt nicht zu einer entsprechenden Verringerung der Löhne. Zumindest die Tarifparteien haben weiterhin po­sitive Inflationserwartungen.

Aber nicht nur das: Die Lohnsteigerungen sind auch ein Indiz, dass die Inflation trotz der niedrigen Ölpreise und unabhängig von der ultralockeren Geldpolitik wieder zu­nehmen wird. Die Arbeitskosten steigen schneller. Dann müssen auch die Preise nach oben gehen.

Hohe Reallöhne fördern auch das Wirtschaftswachstum. Die Arbeitnehmer können mehr konsumieren. Und das tun sie auch. Im Januar sind die deutschen Einzelhan­delsumsätze um über 5 Prozent gestiegen. Bereits im letzten Jahr war der private Verbrauch die wichtigste Triebkraft der Konjunktur. Das ist eine ganz neue Erfahrung für Deutschland. In der Vergangenheit waren Aufschwünge immer vom Export getragen. Der Konsum kam erst in der Spätphase des Zyklus ins Spiel. Jetzt ist das offen­bar bereits in der Anfangsphase der Fall. Insgesamt rechne ich damit, dass die Wirtschaftsleistung in Deutschland in diesem Jahr nicht um 1 Prozent zunehmen wird, wie ursprünglich erwartet. Ich erwarte eher 2 Prozent, vielleicht sogar mehr.

Natürlich erhöht sich der Kostendruck in den Unterneh­men. Das war früher immer ein wichtiges Argument ge­gen zu hohe Lohnsteigerungen. Jetzt fällt es nicht so stark ins Gewicht. Gegenüber Wettbewerbern auf den Märkten des Euroraums haben deutsche Exporteure aus den vergangenen Jahren immer noch einen erheblichen Vorsprung. Er wird nicht durch eine einmalige Lohnerhö­hung aufgezehrt. Gegenüber der Konkurrenz in Drittlän­dern hilft die Abwertung des Euros. Negative Effekte auf den Export sind hier zunächst nicht zu befürchten.

Auch aus struktureller Perspektive sind die höheren Löhne erwünscht. Sie führen dazu, dass die Exportlas­tigkeit der deutschen Wirtschaft abgebaut wird. Wenn im Inland mehr Güter und Dienste nachgefragt werden, muss nicht mehr so viel gegen im Zweifel ungewisse Geldforderungen ans Ausland geliefert werden. Den Partnern im Euroraum geht es besser, wenn Deutsch­land nicht so viel exportiert. Der Leistungsbilanzüber­schuss, der im letzten Jahr 7,4 Prozent des BIP betrug (6 Prozent hält die EU-Kommission noch für erträglich), geht zu­rück.

Schließlich bedeuten die höheren Löhne, dass die wirt­schaftliche Erholung nicht nur den besser Verdienen­den in der Gesellschaft zugute kommt, sondern auch der breiten Masse der Bevölkerung. Die Lohnquote, das heißt der Anteil der Arbeitnehmer am Volkseinkommen, die seit dem Jahr 2000 zurückgegangen ist, steigt wie­der. Das ist wichtig, nachdem das Thema Gerechtigkeit in letzter Zeit zunehmend wichtiger geworden ist.

International wird Deutschland für die hohen Lohnsteige­rungen beneidet. In den USA, wo Wachstum und Pro­duktivität sehr viel stärker steigen, erhöhen sich die Löhne und Gehälter in der privaten Wirtschaft gerade mal um nominell 2,3 Prozent. Real sind das weniger als 2 Prozent.Der private Konsum muss dort vielfach durch Konsu­mentenkredite finanziert werden. In Japan liegt das Plus bei 0,4 Prozent. Real ist das ein Minus. Das ist einer der Grün­de, weshalb die Konjunktur in Fernost so schleppend in Gang kommt.

Die positive Bewertung hoher Lohnsteigerungen ist freilich kein Freibrief für die Zukunft. Die Welt befindet sich derzeit in einer Ausnahmesituation. Da müssen auch besondere Maßnahmen möglich sein. Wenn sich die Verhältnisse wieder normalisieren, wird manches anders aussehen. In jedem Fall muss dann neu nach­gedacht werden.Für den Anleger

Der hohe Zuwachs der Reallöhne zeigt, dass es der Wirtschaft wieder besser geht. Das passt zu dem stür­mischen Aufschwung des deutschen Aktienmarkts in den letzten Monaten und wird ihn weiter stützen. Von hier wird es kein Störfeuer geben. Allerdings gibt es, wie alle wissen, andere Risikofaktoren. Für den Renten­markt sind die Lohnerhöhungen nicht gut. Die Renditen müssten steigen. Dass dies bislang nicht der Fall ist, liegt natürlich an den Wertpapierkäufen der EZB.

von Martin Hüfner, Assenagon© 11. März 2015

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa - Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011).

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.

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