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Börse Frankfurt-News: "Das Geldmengen-Paradox" (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 07.05.2014, 17:14
Aktualisiert 07.05.2014, 17:15

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 7. Mai 2014. Die Geldpolitik in den Industrieländern gibt im Augenblick Rätsel auf. Ist sie, wie in den letzten Jahren, noch expansiv oder hat sie bereits auf eine vorsichtigere Gangart umgeschaltet? Von den gängigen Indikatoren gehen unterschiedliche, teils gegensätzliche Signale aus.

Die Marktmeinung und die Äußerungen der Zentralbanken sind eindeutig. Danach ist die Federal Reserve dabei, den Fuß vom Gas zu nehmen. Sie kauft inzwischen weniger Wertpapiere am Kapitalmarkt. Sie hat erste Termine für eine Zinserhöhung genannt. Die Europäische Zentralbank gibt sich dagegen nach wie vor kämpferisch. Sie wird nicht müde zu betonen, dass sie weiter expansiv ist und dass sie zur Bekämpfung einer Deflation wenn nötig weitere Lockerungsmaßnahmen ergreifen wird.

Schaut man sich jedoch die Zahlen an, so ergibt sich ein anderes Bild. Die Grafik zeigt, wie die Bilanzsumme der Federal Reserve weiter deutlich nach oben geht. Von einer Abschwächung kann nicht die Rede sein. Zudem gehen die US-Geldmarktzinsen zurück. Das ist klar Expansion. Umgekehrt in Europa. Da verringert sich die Bilanzsumme spürbar. Die Geldmarktzinsen steigen an. Das ist Restriktion.

Wer hat nun recht? Der Markt oder die Zahlen der Notenbanken? Die Antwort auf diese Frage ist wichtig. Denn wenn die Notenbanken weiter auf Lockerungskurs sind, dann kann die Hausse an den Märkten munter weiter gehen. Wenn nicht, dann müssen die Anleger vorsichtig sein. Ganz vertrackt ist die Situation, wenn von den USA und Europa so unterschiedliche Signale ausgehen. Ich erinnere mich nicht, dass sich die Bilanzsummen je so verschieden entwickelt haben.

Des Rätsels Lösung liegt nicht in Unklarheiten der Politik, sondern in der Anwendung verschiedener Instrumente zur Liquiditätsbereitstellung. Die Federal Reserve steuert die Liquidität dadurch, dass sie Wertpapiere am offenen Markt kauft. Dadurch erhalten die Verkäufer der Papiere Geld, das sie für Käufe in der Realwirtschaft oder für Kredite an Unternehmen und Private verwenden können. Im vergangenen Jahr hat die Fed dadurch 85 Milliarden US-Dollar pro Monat in die Märkte geschleust. Jetzt sind es noch 45 Milliarden US-Dollar. Nach wie vor bekommen die Märkte also zusätzliches Geld, nur etwas weniger als vorher. Die Bilanzsumme der Fed steigt noch, nur nicht mehr so steil. Das ist das "Quantitave Easing" (Q/E).

Die Europäische Zentralbank gewährt den Banken Kredite über Wertpapierpensionsgeschäfte. Der große Schub kam 2011/2012 mit einem dreijährigen Geschäft in Höhe von brutto rund 1 Milliarde US-Dollar Das war in Form des "LTRO" = (Longer Term Refinancing Operation). Die Banken konnten das Geld nach eigenem Gusto verwenden. Sie konnten Kredite an Unternehmen und Private vergeben (was die EZB am liebsten gesehen hätte), sie konnten hochrentierliche Staatsanleihen der südeuropäischen Schuldnerländer kaufen (was viele taten) oder sie konnten das Geld vorzeitig kündigen und der EZB zurückgeben. Letzteres hat zum Rückgang der Bilanzsumme der EZB geführt. Das war gar nicht im Sinne der EZB.

Um zu verhindern, dass das restriktiv wirkte, hat die EZB ihre sogenannte "Full Allotment"-Politik weitergeführt. Das heißt, sie hat den Finanzinstituten versprochen, bei allen Wertpapierpensionsgeschäften so viel Geld zuzuteilen, wie sie beantragten. Was sich geändert hat, war nur die Fristigkeit der Gelder. Bei dem großen LTRO bekamen sie Dreijahres-Geld, bei den normalen Pensionsgeschäften Geld zu kürzeren Fristen.

Jede der beiden Methoden der Liquiditätsbereitstellung hat Vor- und Nachteile. Das US-amerikanische System ist die stärkere Medizin. Die Notenbank verlässt sich nicht auf die Kooperation der Banken. Sie entscheidet alleine, wie viel Geld sie schafft. Sie wendet sich zudem an alle Wertpapierbesitzer, nicht nur an die Banken. Keiner kann sich ihrem Einfluss entziehen. So kann man eine Krise effizienter bekämpfen. Andererseits ist es schmerzhafter, wenn die Medizin abgesetzt wird, wenn also die Wertpapiere wieder verkauft werden müssen. Das treibt dann die Zinsen nach oben. Es erklärt, weshalb die Fed derzeit so vorsichtig vorgeht.

Das europäische System ist die schwächere Medizin. Sie wirkt nicht so stark. Sie kann dafür aber auch leichter zurückgeführt werden. Die EZB muss dann die Kredite einfach nicht verlängern. Das belastet die Kapitalmärkte weniger. Der Wirtschaft wird auch nicht direkt Geld "weggenommen". Allerdings haben die Banken weniger Geld.

Im Augenblick denkt die EZB darüber nach, ob sie nicht ein Q/E-Programm US-amerikanischer Machart auflegen sollte. Sie hofft damit, die Deflation wirkungsvoller bekämpfen zu können. Ich zweifle, dass das sinnvoll ist. Es würde zwar mehr Power bringen. Die Bilanzsumme der EZB würde steigen. Ob es aber auch zu viel höheren Preissteigerungen führt, ist selbst nach den Berechnungen der EZB fraglich. Zudem würde es schwerer, den Ausstieg zu realisieren, wenn sich die Situation normalisiert. Auch daran muss man ja denken, zumal es vielleicht doch nicht mehr so weit entfernt ist.

Für Anleger

Glauben Sie nicht alles, was die Notenbanken sagen. Die US-amerikanische Geldpolitik ist nicht so restriktiv, wie es nach den Worten der Fed scheinen mag. Die Liquidität nimmt immer noch kräftig zu. Freilich ist auch die Geldpolitik im Euroraum nicht so expansiv, wie man es aus den Äußerungen der EZB ablesen könnte. Der absolute Betrag der Liquidität auf den Märkten geht zurück. Nirgendwo wird so heiß gegessen, wie gekocht wird. Wenn die Märkte jetzt etwas unsicherer sind, dann liegt es nicht an mangelnder Liquidität.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

von Martin Hüfner, Assenagon

© 7. Mai 2014

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem "Europa - Die Macht von Morgen" (2006), "Comeback für Deutschland" (2007), "Achtung: Geld in Gefahr" (2008) und "Rettet den Euro!" (2011)

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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