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Börse Frankfurt-News: 'Das Gespenst der Umschuldung' (Hüfners Wochenkommentar)

Veröffentlicht am 30.05.2013, 14:46
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 30. Mai 2013. Hüfner warnt vor einer Umschuldung als Lösung der Eurokrise und plädiert für verstärkte Reformen um das Wachstum anzukurbeln.

Die Stimmung in der Eurokrise schwankt hin und her. Mal überwiegt die Freude über die beginnenden Erfolge der Konsolidierungs- und Reformpolitik, die es tatsäch­lich gibt. In Athen sind die Aktienkurse in den letzten zwei Monaten um 25 Prozent gestiegen. Die Rating-Agentur Fitch hat die Bonität der griechischen Staatsanleihen hochgestuft. Mal wächst unter dem Eindruck von Rezes­sion und Arbeitslosigkeit die Ungeduld. Es machen sich Zweifel breit, ob es überhaupt gelingen kann, die Krise in vertretbarer Zeit zu überwinden.

Was mich beunruhigt ist, dass zunehmend wieder For­derungen nach einem Schuldenschnitt erhoben werden. Der Internationale Währungsfonds hat jetzt eine Studie veröffentlicht, in der er mehr und schnellere Schulden­schnitte befürwortet. Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, der schon einmal etwas aus den Sitzun­gen ausplauderte, sprach in einem Interview von der Möglichkeit eines neuen Schuldenerlasses. Der Prä­sident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsfor­schung ZEW, Clemens Fuest, meinte letzte Woche, dass Europa nicht um Schuldenschnitte herumkomme.

Könnte es sein, dass wir vor neuerlichen Schulden­schnitten stehen?

Ausgeschlossen ist es nicht. Selbst wenn die Reform­maßnahmen greifen (und Frankreich aus seiner Lethar­gie herauskommt), weiß jeder, dass der Weg aus den hohen privaten und öffentlichen Schulden in Euroland noch sehr lang ist. Ein Schuldenschnitt könnte - so die Befürworter - die Chance zu einem schnelleren Neuan­fang bieten. Zunehmend hört man auch das Argument, die hohen Schulden seien letztlich 'nur' ein Vertei­lungs­problem. Einige wenige Gläubiger stünden der großen Masse der Steuerzahler gegenüber. Da läge es in einer Demokratie eigentlich nahe, durch einen Schulden­schnitt für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.

Ich halte diese Diskussion für kontraproduktiv. Ein Schuldenschnitt ist keine Lösung für die Eurokrise. Man sollte sich daher noch einmal die Argumente dagegen in Erinnerung rufen.

Erstens zeigt die Geschichte, dass solche Maßnahmen keineswegs ein Befreiungsschlag waren. Der letzte Schuldenschnitt für Griechenland im März 2012 brachte mehr Probleme als Lösungen.

Zweitens schneiden sich Länder, deren Schulden erlas­sen werden, über Jahre den Zugang zu den Kapital­märkten ab. Beim Staatsbankrott Griechenlands 1832 konnte das Land erst 30 Jahre später wieder Kredi­te aufnehmen. Heute dauert es freilich nicht mehr ganz so lang.

Drittens machen Gläubiger, wenn sie einem Schulden­schnitt zustimmen sollen, meist strenge Auflagen für die Wirtschaftspolitik der Staaten. Die Alternative lautet also nicht 'Freiheit oder Schulden', sondern 'Auflagen oder Schulden'. Ob die Auflagen am Ende einfacher zu er­füllen sind, ist fraglich.

Viertens wird die Kreditversorgung der Unternehmen schwieriger. Die inländischen Banken können nicht mehr so viel ausleihen, weil sie einen Teil ihres Eigenkapitals verlieren. Zudem brauchen sie Hilfe vom Staat. Damit geht ein Teil des Freiraums, den die öffentliche Hand erreichen wollte, wieder verloren. Der Schuldenschnitt Griechenlands war ein Grund für die Schwierigkeiten Zyperns Anfang dieses Jahres.

Fünftens ist ein Schuldenerlass ein Einschnitt in die Al­tersversorgung. Denn einer der wichtigsten Gläubiger in einer Volkswirtschaft sind nun einmal Pensionskassen. Ihre Leistungsfähigkeit kann bei Verlust ihrer Forderun­gen nur wiederhergestellt werden, wenn die Leistungen gekürzt, die Prämien erhöht oder die Zuschüsse vom Staat aufgestockt werden.

All das zeigt, dass ein Schuldenerlass auch für den Be­günstigten kein 'Free Lunch' ist. Für alle Beteiligten bes­ser und nachhaltiger ist es, Wachstum zu generieren und auf diese Weise aus den Schulden herauszukom­men. Dazu bedarf es nicht mehr öffentlicher Defizite (wie sie jetzt erlaubt werden sollen), sondern konsequenter Reformmaßnahmen (Privatisierung, Öffnung der Märkte, Abbau restriktiver Kündigungsvorschriften, um auch Jugendlichen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermög­lichen etc.). Der Reformelan in Europa ist zum Stillstand gekommen, leider auch in Deutschland.

Wachstum im privaten Sektor ist es, auf was die USA nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzt haben, als sie bin­nen 20 Jahren die Schuldenquote von 120 Prozent auf unter 40 Prozent senkten. Sie tun das auch jetzt wieder. Durch die Sparmaßnahmen zu Beginn des Jahres (Er­höhung der Steuern, Kürzung der Ausgaben) ist es ge­lungen, die Defizitquote seit 2011 überraschend schnell von 8,6 Prozent auf 4 Prozent zu halbieren (siehe Grafik) und trotz­dem die Arbeitslosigkeit zu verringern. Die USA haben nicht über Austerität geredet, sie haben sie gemacht. Vor allem haben sie erreicht, dass Banken und Industrie wieder wettbewerbsfähig wurden.

Für den Anleger

Noch steht ein Schuldenschnitt in einem der Krisenlän­der der Währungsunion glücklicherweise nicht unmittel­bar bevor. Mein Rat bleibt nach wie vor, in diesen Staa­ten in Aktien oder in Anleihen zu investieren, um von der Überwindung der Schwierigkeiten zu profitieren. Verfol­gen Sie die Debatte über einen Schuldenschnitt aber aufmerksam. Ausschließen kann man eine solche Maß­nahme nicht.

Anmerkungen oder Anregungen? Martin Hüfner freut sich auf den Dialog mit Ihnen: redaktion@deutsche-boerse.com.

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© 30. Mai 2013 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon. Viele Jahre war er Chefvolkswirt der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG und Senior Economist der Deutschen Bank AG. Er leitete fünf Jahre den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung in Brüssel. Zudem war er über zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender beziehungsweise Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Bundesverbandes Deutscher Banken und Mitglied des Schattenrates der Europäischen Zentralbank, den das Handelsblatt und das Wallstreet Journal Europe organisieren. Dr. Martin W. Hüfner ist Autor mehrerer Bücher, unter anderem 'Europa - Die Macht von Morgen' (2006), 'Comeback für Deutschland' (2007), 'Achtung: Geld in Gefahr' (2008) und 'Rettet den Euro!' (2011).

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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