FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 27. Juni. 2014. Börsianer sind stets auf der Suche nach neuen (Investment-)Ideen. Gerne gesehene Anlässe, auf die eine oder andere neue Investitionschance zu setzen, sind dabei oftmals auch große Ereignisse des Alltags: Um das Weihnachtsfest werden verstärkt Konsumaktien ins Auge gefasst, in einem starken Winter entdecken Börsianer die Titel von Streusalzherstellern und nach Terroranschlägen werden oftmals die Papiere von Fluglinien gemieden. Vor einer Wahl werden potentielle Gewinner und Verlierer anhand der Wahlprogramme eingeordnet. Bei einem Eintritt in eine Wirtschaftszone wie die EU wird einem ganzen Land auch am Kapitalmarkt eine Sonderkonjunktur zugestanden. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Ein "Klassiker", der alle vier Jahre auch das Börsenparkett bewegt, ist die dann jeweils ausgerichtete Fußballweltmeisterschaft, die natürlich auch eine nennenswerte ökonomische Größenordnung erreicht, vor allem im jeweiligen Land des Gastgebers, aber auch anderswo. Gepaart mit der extrem hohen Aufmerksamkeit von Milliarden von Menschen, liegt es auch auf der Hand, hier nach Gelegenheiten zu suchen.
Und so wundert es nicht, dass Anlagestrategenk, Analysten oder andere Börsianer oft um das Event hinweg Ideen präsentieren und marketingversierte Produzenten von Zertifikaten oder anderen Spezialpapieren auch event-bezogene Papiere entwerfen. Dabei sind die Ideen, die aufs Tapet kommen, zumeist die Gleichen: Mal wird auf den Index des Gastgeberlandes gewettet, mal auf die führenden Sportartikelhersteller oder auch auf Produzenten von Bier oder Kartoffelchips.
Ideen wie diese sind mal mehr, mal weniger originell und sorgen auch beileibe nicht immer über eine Outperformance, doch gehören sie irgendwie dazu. Gleichwohl sollten sich Anleger eines bewusst sein: Auch wenn die WM mit dem Beginn der K.-O.-Runde jetzt erst so richtig los geht: Die Begleiterscheinungen auf dem Kapitalmarkt sind schon wieder weitgehend vorbei.
Alles was es mehr an Bauten gab im Gastgeberland, ist vollzogen und erst recht schon eingepreist, zumal die Relation bei einem solch großen Gastgeberland wie Brasilien auch überschaubar ist. Ähnliches dürfte für den Tourismus gelten. Ohnehin relativiert sich der Aufschwung des brasilianischen Bovespa-Index der vergangenen drei Monaten bei Betrachtung der seit Jahren währenden schlechten Perfomance dieser Benchmark.
Trotz der guten Zahlen, die Nike gestern berichtet hat, sollten Anleger nicht auf nun noch zu Tage tretende Effekte bei den großen Sportartikelanbietern setzen. Vielleicht werden noch ein paar Weltmeistertrikots verkauft, doch sollten die meisten Fans bereits ausgerüstet sein.
Wer jetzt noch eine Prognose wagen will, sollte Wetten, wer den Cup gewinnt und dann noch die (ausgesprochen fragwürdige) These aufgreifen, dass der Jubel zu verstärktem Konsum und wirtschaftlicher Robustheit führt. All dies versprüht wenig Charme. Wer jetzt noch wegen der WM spekulieren will, fährt wohl im klassischen Sportwettengeschäft besser.
von Roger Peeters, Close Brothers Seydler Research AG
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© 27. Juni 2014
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Frankfurter Wertpapierhandelsbank Close Brothers Seydler Bank, einer auf mittelständische Unternehmen fokussierte Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der "Platow Börse" und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm 'Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden' im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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