FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 11. Juli 2012. Zu den Querelen in der Eurozone hat sich die Leitzinssenkung der EZB gesellt und Investitionen im Euroraum noch unattraktiver gemacht, als es ohnehin schon der Fall war. Die Anleger flüchten aus der Gemeinschaftswährung - sogar in Devisen, die eigentlich nicht den Ruf einer 'Fluchtwährung' haben.
Der Patient liegt weiter in Fieber: Bislang wirken die von Politik und Notenbank zusammengebrauten Heilmittel für die krankende Gemeinschaftswährung - wenn überhaupt - nur vorübergehend und der Gesundheitszustand des Euro scheint sich zunehmend zu verschlechtern. 'Die Eurozone kann nicht punkten, egal was an Maßnahmen beschlossen wird. Sie verliert an den Märkten Runde um Runde - wer laufend Runden verliert, kann ultimativ nicht siegen', fasst die Bremer Landesbank zusammen. So hat die Gemeinschaftswährung am Dienstag dieser Woche mit 1,2235 US-Dollar bereits zum dritten Mal in Folge ein neues Zweijahrestief zum Greenback markiert. Aktuell wechselt der Euro für 1,2258 Dollar den Besitzer.
'Nach den EU-Gipfel-Beschlüssen von Ende Juni hat sich der Euro wieder etwas gefangen, jetzt ist aber erneut deutlicher Abwärtsdruck spürbar', kommentiert Sintje Boie von der HSH Nordbank. Aber auch gegenüber anderen Währungen werden ständig neue Jahres- oder Mehrjahrestiefs erreicht. 'Gegenüber dem britischen Pfund wurde der tiefste Stand seit 2008, gegenüber dem chinesischen Yuan seit 2002, gegenüber der schwedischen Krone seit 2000 und gegenüber dem australischen Dollar seit mehreren Jahrzehnten markiert. Gegenüber dem kanadischen Dollar notiert der Euro fast wieder an den Tiefs aus 2000 und 2010', zählt André Rain von Godmode-Trader auf. Und weiter ist die Zukunft ungewiss, die Sorgen werden eher größer als kleiner.
EZB verstärkt die Euro-Flucht
'Neben den anhaltenden Unsicherheiten von Seiten der Schuldenkrise hat der Euro in der vergangenen Woche durch den Zinsentscheid der EZB einen zusätzlichen Dämpfer erhalten', erklärt Boie. Nachdem sowohl der Leitzins als auch die Einlagen- und Spitzenrefinanzierungssätze auf historisch niedrige Niveaus gesenkt worden sind, sei es für ausländische Anleger noch einmal unattraktiver geworden, in der Eurozone zu investieren. 'In einem Umfeld von Wachstumsschwäche und Staatsschuldenkrise wird der ursprüngliche Auftrag der EZB, für Stabilität der Währung zu sorgen, immer stärker verwässert. Die bisherige Lösung, mehr Geld in die Märkte zu pumpen, erweist sich dabei immer mehr als unbrauchbar', kritisiert Analyst Rain.
Bundesverfassungsgericht lässt sich Zeit
Dennoch sei die EZB nur einer von vielen Gründen, die den Euro derzeit in immer tiefere Gefilde drückten, ergänzt Boie: 'Dazu gesellen sich etwa die Sorgen um den Euro-Rettungsschirm ESM, der ja eigentlich Anfang Juli eingeführt werden sollte und sich nun verzögert.' Am Dienstag hatte das Bundesverfassungsgericht das Urteil über die Eilanträge zu ESM-Vertrag und Fiskalpakt auf unbestimmte Zeit verschoben und damit die Unsicherheit über das als 'Brandmauer' für die Eurozone gedachte Instrument weiter erhöht.
'Wenn der ESM vom Bundesverfassungsgericht ganz gestoppt werden sollte, dann würde Deutschland als wichtigster Finanzhilfegeber wohl erst einmal ausfallen und die Euro-Retter müssten sich etwas ganz Neues ausdenken', erläutert die Analystin der HSH Nordbank.
Darüber hinaus sorgt die Schuldenkrise unentwegt für immer neue negative Schlagzeilen. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) zuletzt ein düsteres Bild vom Finanzhaushalt Italiens gemalt. Und auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti selbst wollte Anfang der Woche nicht ausschließen, dass sein Land eines Tages Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds benötigen könnte.
Anleger flüchten - nicht nur in sichere Häfen
Für Investoren wird die Eurozone dementsprechend zunehmend unattraktiver, sie ziehen ihr Geld ab. Profiteure sind in erster Linie als 'sichere Häfen' geltenden Devisen wie der Schweizer Franken, der Japanische Yen oder ganz klassisch der US-Dollar. Aber auch andere Währungen sind mittlerweile gesucht, die sonst nicht gerade einen Ruf als Fluchtwährung haben. 'Beachtenswert ist die Tatsache, dass der Euro nicht - wie in den vergangenen Jahren oftmals gesehen - bei Schwäche gegenüber dem US-Dollar zu vielen osteuropäischen Währungen deutlich aufwertet, sondern hier lediglich seitwärts pendelt oder sogar fällt. Etwa gegenüber dem polnischen Zloty, dem ungarischen Forint oder der türkischen Lira', betont Rain.
Boie wundert sich vor allem aber auch über die zuletzt stark gestiegene Zuneigung der Anleger zum britischen Pfund: 'Beim Pfund wird es sehr deutlich, dass der Euro unter Druck steht. Die britische Währung hat stark aufgewertet, obwohl das vereinigte Königreich eigentlich nicht viel besser dasteht als die Eurozone.' So sei Großbritannien ebenfalls stark verschuldet und kämpfe mit einer Rezession. 'Angesichts der Konjunkturabschwächung in der Eurozone ist hier auch erst mal keine Besserung zu erwarten - das Pfund ist also beileibe kein sicherer Hafen', konstatiert Boie.
SNB muss Franken weiter stark verteidigen
Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat indes weiter Not, den im September festgesetzten Mindestkurs von 1,20 Franken zum Euro zu halten. Ständig sind Eurokäufe in Milliardenhöhe nötig, die Devisenreserven der Schweiz steigen massiv. Sie legten bis Ende Juni um rund 59 auf 364,9 Milliarden Franken zu. Der Wert per Ende Mai wurde von 303,8 auf 305,9 Milliarden Franken nach oben revidiert. Weiter handelt die Schweizer Währung mit 1,2009 per Euro sehr nah an der Wechselkursuntergrenze.
© 11. Juli 2012/Karoline Kopp
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Der Patient liegt weiter in Fieber: Bislang wirken die von Politik und Notenbank zusammengebrauten Heilmittel für die krankende Gemeinschaftswährung - wenn überhaupt - nur vorübergehend und der Gesundheitszustand des Euro scheint sich zunehmend zu verschlechtern. 'Die Eurozone kann nicht punkten, egal was an Maßnahmen beschlossen wird. Sie verliert an den Märkten Runde um Runde - wer laufend Runden verliert, kann ultimativ nicht siegen', fasst die Bremer Landesbank zusammen. So hat die Gemeinschaftswährung am Dienstag dieser Woche mit 1,2235 US-Dollar bereits zum dritten Mal in Folge ein neues Zweijahrestief zum Greenback markiert. Aktuell wechselt der Euro für 1,2258 Dollar den Besitzer.
'Nach den EU-Gipfel-Beschlüssen von Ende Juni hat sich der Euro wieder etwas gefangen, jetzt ist aber erneut deutlicher Abwärtsdruck spürbar', kommentiert Sintje Boie von der HSH Nordbank. Aber auch gegenüber anderen Währungen werden ständig neue Jahres- oder Mehrjahrestiefs erreicht. 'Gegenüber dem britischen Pfund wurde der tiefste Stand seit 2008, gegenüber dem chinesischen Yuan seit 2002, gegenüber der schwedischen Krone seit 2000 und gegenüber dem australischen Dollar seit mehreren Jahrzehnten markiert. Gegenüber dem kanadischen Dollar notiert der Euro fast wieder an den Tiefs aus 2000 und 2010', zählt André Rain von Godmode-Trader auf. Und weiter ist die Zukunft ungewiss, die Sorgen werden eher größer als kleiner.
EZB verstärkt die Euro-Flucht
'Neben den anhaltenden Unsicherheiten von Seiten der Schuldenkrise hat der Euro in der vergangenen Woche durch den Zinsentscheid der EZB einen zusätzlichen Dämpfer erhalten', erklärt Boie. Nachdem sowohl der Leitzins als auch die Einlagen- und Spitzenrefinanzierungssätze auf historisch niedrige Niveaus gesenkt worden sind, sei es für ausländische Anleger noch einmal unattraktiver geworden, in der Eurozone zu investieren. 'In einem Umfeld von Wachstumsschwäche und Staatsschuldenkrise wird der ursprüngliche Auftrag der EZB, für Stabilität der Währung zu sorgen, immer stärker verwässert. Die bisherige Lösung, mehr Geld in die Märkte zu pumpen, erweist sich dabei immer mehr als unbrauchbar', kritisiert Analyst Rain.
Bundesverfassungsgericht lässt sich Zeit
Dennoch sei die EZB nur einer von vielen Gründen, die den Euro derzeit in immer tiefere Gefilde drückten, ergänzt Boie: 'Dazu gesellen sich etwa die Sorgen um den Euro-Rettungsschirm ESM, der ja eigentlich Anfang Juli eingeführt werden sollte und sich nun verzögert.' Am Dienstag hatte das Bundesverfassungsgericht das Urteil über die Eilanträge zu ESM-Vertrag und Fiskalpakt auf unbestimmte Zeit verschoben und damit die Unsicherheit über das als 'Brandmauer' für die Eurozone gedachte Instrument weiter erhöht.
'Wenn der ESM vom Bundesverfassungsgericht ganz gestoppt werden sollte, dann würde Deutschland als wichtigster Finanzhilfegeber wohl erst einmal ausfallen und die Euro-Retter müssten sich etwas ganz Neues ausdenken', erläutert die Analystin der HSH Nordbank.
Darüber hinaus sorgt die Schuldenkrise unentwegt für immer neue negative Schlagzeilen. So hat der Internationale Währungsfonds (IWF) zuletzt ein düsteres Bild vom Finanzhaushalt Italiens gemalt. Und auch Italiens Ministerpräsident Mario Monti selbst wollte Anfang der Woche nicht ausschließen, dass sein Land eines Tages Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds benötigen könnte.
Anleger flüchten - nicht nur in sichere Häfen
Für Investoren wird die Eurozone dementsprechend zunehmend unattraktiver, sie ziehen ihr Geld ab. Profiteure sind in erster Linie als 'sichere Häfen' geltenden Devisen wie der Schweizer Franken, der Japanische Yen oder ganz klassisch der US-Dollar. Aber auch andere Währungen sind mittlerweile gesucht, die sonst nicht gerade einen Ruf als Fluchtwährung haben. 'Beachtenswert ist die Tatsache, dass der Euro nicht - wie in den vergangenen Jahren oftmals gesehen - bei Schwäche gegenüber dem US-Dollar zu vielen osteuropäischen Währungen deutlich aufwertet, sondern hier lediglich seitwärts pendelt oder sogar fällt. Etwa gegenüber dem polnischen Zloty, dem ungarischen Forint oder der türkischen Lira', betont Rain.
Boie wundert sich vor allem aber auch über die zuletzt stark gestiegene Zuneigung der Anleger zum britischen Pfund: 'Beim Pfund wird es sehr deutlich, dass der Euro unter Druck steht. Die britische Währung hat stark aufgewertet, obwohl das vereinigte Königreich eigentlich nicht viel besser dasteht als die Eurozone.' So sei Großbritannien ebenfalls stark verschuldet und kämpfe mit einer Rezession. 'Angesichts der Konjunkturabschwächung in der Eurozone ist hier auch erst mal keine Besserung zu erwarten - das Pfund ist also beileibe kein sicherer Hafen', konstatiert Boie.
SNB muss Franken weiter stark verteidigen
Die Schweizer Nationalbank (SNB) hat indes weiter Not, den im September festgesetzten Mindestkurs von 1,20 Franken zum Euro zu halten. Ständig sind Eurokäufe in Milliardenhöhe nötig, die Devisenreserven der Schweiz steigen massiv. Sie legten bis Ende Juni um rund 59 auf 364,9 Milliarden Franken zu. Der Wert per Ende Mai wurde von 303,8 auf 305,9 Milliarden Franken nach oben revidiert. Weiter handelt die Schweizer Währung mit 1,2009 per Euro sehr nah an der Wechselkursuntergrenze.
© 11. Juli 2012/Karoline Kopp
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)