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Börse Frankfurt-News: 'Ist der Euro wirklich über den Berg?' (Hüfner)

Veröffentlicht am 14.09.2012, 13:40
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 14. September 2012. Aus der Euphorie der vergangenen Wochen könnte man schließen, dass die Eurokrise vorbei sei. Das ist falsch, denn die EZB hat mit den jüngsten Maßnahmen nur die Erwartungen an den Märkten gedreht, aber nicht die Probleme gelöst. Nach wie vor fehlt es an ausreichender politischer Kooperation, um die Währungsunion dauerhaft abzusichern.

So viel Euphorie ist selten. Seit der Aussage des EZB-Präsidenten, dass er alles tun werde, um den Euro zu retten, ist der DAX um 15 Prozent gestiegen. In Italien und Spanien sind die Kurse zum Teil noch stärker nach oben gegangen. Der Euro ist steht 5 Prozent mehr wert. Die Zinsen für spanische und italienische Anleihen haben sich zum Teil um 1,5 Prozentpunkte zurückgebildet. Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen des Euro ist ge­ringer geworden. Die Entscheidung des deutschen Bun­desverfassungsgerichts, den Europäischen Stabilitäts­mechanismus in dieser Woche als mit dem Grundgesetz vereinbar durchzuwinken, war dann noch das Pünktchen auf dem 'i'.

Können wir uns zurücklehnen? Ist die Eurokrise zu En­de?

Natürlich gibt es immer noch kritische Stimmen. Es wäre auch merkwürdig, wenn das bei einer so wichtigen Fra­ge nicht der Fall wäre. Die Kritik bezieht sich aber mehr auf das 'Wie' der Währungsunion als auf das 'Ob'. Die Käufe von Papieren der südeuropäischen Schuldner­staaten durch die EZB seien zu nahe an der - für Noten­banken verbotenen - Staatsfinanzierung. Sie beinhalte­ten Inflationsgefahren. Sie erhöhten das Haftungsrisiko der Gläubigerländer (weil ihnen die EZB letztlich gehört). Das ist alles nicht schön. Es führt dazu, dass die neue Währungsunion am Ende vielleicht anders aussieht, als es sich viele ursprünglich vorgestellt hatten. Es steht aber nicht der These entgegen, dass die Krise vorbei sein könnte.

Auch mir gefallen diese Dinge nicht. Ich glaube darüber hinaus aber, dass der Markt in seiner Einschätzung der Eurokrise zu optimistisch ist. Die Gemeinschaftswährung ist noch weit davon entfernt, in trockenen Tüchern zu sein. Es war symptomatisch, dass in der Phase der Eu­phorie der Märkte auch der Goldpreis (als Risikoindika­tor) um 8 Prozent nach oben ging. Sechs Gründe für meine Skepsis:

Erstens sind die Probleme des Euro, die uns nun seit zweieinhalb Jahren beschäftigen, durch das neue Pro­gramm der EZB nicht gelöst. Mit Interventionen allein ändert man nicht die Marktkräfte. Der wichtigste Ver­dienst des EZB-Präsidenten Draghi (der die Psychologie der Investoren offenbar gut kennt) ist, dass er die Markt­erwartungen gedreht hat. Er hat die Investoren daran erinnert, dass man nicht nur auf einen Zerfall des Euro spekulieren kann, sondern auch auf einen Erfolg. Das nutzen sie jetzt und verdienen schönes Geld. Das ist aber keine Garantie, dass sich das Blatt nicht wieder wendet und Hedgefonds nicht zu ihren alten Wetten zu­rückkehren. Dann wird sich zeigen, ob die EZB wirklich genug Power hat, sich dem entgegen zu stellen.

Zweitens: Nach wie vor fehlt die wichtigste Bedingung für ein Funktionieren des Euro, nämlich die gemeinsame Politik, die das Vertrauen der Investoren in die Bestän­digkeit und Solidität der neuen Währung garantiert. Wir haben unverändert eine Europäische Währung für eine Horde unabhängiger Nationalstaaten, die an einer euro­päischen Politik kein Interesse haben. Daran kann die EZB nichts ändern. Das müssen die europäischen Staats- und Regierungschefs richten. Durch die EZB-Maßnahmen haben sie dazu mehr Zeit. Es ist aber schon verdächtig, dass die Regierungen die EZB-Maß­nahmen so sehr loben. Könnte es sein, dass sie hoffen, dadurch um ihre eigenen Hausaufgaben herumzukom­men?

Drittens: Wenn die Staats-und Regierungschefs genau hinschauen, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie die neue Rolle der EZB voll akzeptieren. Denn die EZB mu­tiert durch das neue Programm zu einer Art 'Oberregie­rung' des Euroraums. Wenn ein Land die vereinbarten Vorgaben nicht so erfüllt, wie es die EZB für richtig hält, müsste sie theoretisch die Interventionen in seine Papie­re einstellen und das Land im Regen stehen lassen. Ei­ne Notenbank kann sich aber nicht zum Richter der Poli­tik der einzelnen Staaten aufschwingen. Hier sind Kon­flikte vorprogrammiert.

Viertens: Das für die Stabilität des Euro so wichtige Re­nommee der EZB hat unter dem Streit der zurückliegenden Wo­che gelitten. Die Diskretion der Beratungen im Govern­ing Council ist gebrochen worden, nachdem der deut­sche Bundesbankpräsident Weidmann immer wieder als Abweichler in die Ecke gestellt wurde. Die Einigkeit in der stabilitätspolitischen Grundausrichtung hat Risse be­kommen. Draghi stellt die Rettung des Euro vor die Sta­bilität. Weidmann ist eher bereit, auf den Euro zu verzichten als auf die Stabilität. Solche Kontroversen, wenn sie zudem noch öffentlich ausgetragen werden, erschweren den Aufbau des nötigen Vertrauens.

Fünftens sind in den letzten Wochen nationalistische Vorbehalte hochgekommen, die eigentlich überwunden schienen. Es scheint, als ob Deutschland gegen den Rest der Währungsunion steht. Das macht die Arbeit an den weiteren Arbeiten der Integration schwerer.

Sechstens schließlich gibt es nach wie vor Probleme mit den Reformmaßnahmen einzelner Staaten. Niemand weiß, ob Griechenland wirklich im Euro gehalten werden kann. Spanien weigert sich, ein von den Gläubigerlän­dern auferlegtes Rettungsprogramm zu akzeptieren. In Italien gehen die Gedanken schon an die Zeit, wenn Ministerpräsident Monti zurücktreten muss.

Für den Anleger

Ich will Ihnen mit meiner Skepsis nicht die Laune verder­ben. Natürlich sollte man die derzeitigen Chancen zum Geldverdienen nutzen. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, dass die Eurokrise überwunden werden kann. Europa hat in den letzten sechzig Jahren schon viele Krisen gemeistert und manchmal gerade in schwie­rigen Zeiten ungeahnte Kräfte entwickelt. Man darf aber nicht zu früh jubeln. Im Augenblick ist der Euro noch nicht über den Berg. Denken Sie nur daran, was pas­siert, wenn Griechenland im Oktober kein neues Geld erhalten sollte. Dann bekommen die wieder Oberwas­ser, die auf einen Zerfall des Euro spekulieren. Die EZB wird gegenhalten. Das kann aber schwer werden und die Euphorie ersticken

© 14. September 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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