FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Nach Bekanntgabe der US-Inflationsdaten sinken die Renditen am Anleihenmarkt deutlich. Eine Bärenmarktrally ist nicht ausgeschlossen. Gesucht sind kurzlaufende Unternehmenspapiere.
11. November 2022.Frankfurt (Börse Frankfurt). Eine stärker als erwartet gesunkene US-Inflation im Oktober hat ein Kursfeuerwerk am Anleihen- und Aktienmarkt ausgelöst. Der Bund-Future war in der Folge bis auf 140,72 Punkte gestiegen. Die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen war auf 2 Prozent gesunken. Inzwischen stehen sie bei 2,045 Prozent. Die Rendite der US-Treasuries mit Laufzeit zehn Jahre war unter die Marke von 4 Prozent gefallen. Sie notiert aktuell bei 3,81 Prozent. Die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen reduzieren sich ebenfalls.
"Es ist noch ein langer, langer Weg bis zu einer normalen Inflation", kommentieren Jim Reid, Henry Allen und Tim Wessel von der Deutschen Bank (ETR:DBKGn). "Aber da die monatliche Kerninflation so niedrig wie seit über einem Jahr nicht mehr ist, haben sich Anleger sofort auf die Hoffnung gestürzt, dass die FED die Zinsen nicht so aggressiv anheben muss", erklärten die Anlysten die Marktreaktion.
US-Zinserwartungen auf 5 Prozent gefallen
Im Zuge der letzten FED-Sitzung hatte Powell aber bereits kleinerer Zinsschritte in Aussicht gestellt, kommentiert Hans-Joachim Lübbing von der Commerzbank (ETR:CBKG). Seitdem rechne der Markt bereits nur noch mit einer Erhöhung von 50 Basispunkten bei der nächsten Sitzung der US-Notenbank. "Deutlich gefallen sind allerdings die Erwartungen für den Zinsgipfel. Insgesamt werden jetzt nur noch 100 Basispunkte Erhöhung mit einer finalen Rate von 5 Prozent erwartet." Durch die gesunkene Inflationsdynamik und die gesunkenen Zinserhöhungserwartungen reduziere sich auch aus Marktsicht die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft "abgewürgt" wird.
Ist die Marktreaktion eine erneute Bärenmarktrally?
Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank warnt vor einer neuen Bärenmarktrally. "Die Inflation ist nach wie vor zu hoch." Dennoch greifen die Anleger*innen wieder zu.
"Nach Veröffentlichung der Inflationsdaten wurde euphorisch in den Markt hineingekauft", berichtet auch Arthur Brunner von der ICF Bank. Das habe ein regelrechtes Kursfeuerwerk ausgelöst. In Deutschland wurde am Freitag allerdings ein 70-Jahreshoch der Inflation gemeldet. "Der Markt hängt weiter am Tropf der Notenbank."
Viele Notenbanker dürften nach Einschätzung von Jochen Stanzl von CMC Markets (LON:CMCX) diese plötzliche Euphorie der Anleger mit Argusaugen beobachten. "Ihnen ist nicht daran gelegen, dass der Markt nun damit beginnt, das Thema Inflation zu Grabe zu tragen. Denn steigende Vermögenspreise schüren ihrerseits die Inflation, und der Kampf der Zentralbanken gegen sie ist noch lange nicht beendet." Deshalb könne die Geldpolitik nun versuchen, dem Markt wieder etwas Wind aus den Segeln zu nehmen und auf eine immer noch hohe Kerninflation von 6,3 Prozent verweisen.
Gefragte Staatsanleihen
Brunner registriert eine hohe Nachfrage nach einer Anleihe der Europäischen Union. "Bei einer Laufzeit bis 2025 und 0,8 Prozent Kupon spielt hier vor allem die Zuverlässigkeit der Schuldnerin eine Rolle." Darüber hinaus werde ein Schuldtitel Ungarns in US-Dollar (6:US445545AF3=MI), der bis 2041 läuft und mit 7,625 Prozent Kupon ausgestattet ist, gekauft.
Gesucht: Kurzlaufende Unternehmensanleihen
Gekauft werden vor allem ausgewählte Unternehmensanleihen mit kurzlaufenden Fälligkeiten und relativ hohen Renditen, erklärt Brunner. So sei ein Grenke-Papier mit Laufzeit 2023 (XS1910851242) weiterhin weit oben auf den Kauflisten. Darüber hinaus würden Unternehmensschuldscheine bonitätsstarker großer Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen gesucht. Bei Brunner steigt die Nachfrage nach Fresenius Medical Care (ETR:FMEG) (XS2530444624). Auch Linde-Papiere mit Laufzeit 2024 und 1,875 Prozent Kupon seien bei der ICF Bank gefragt. Die Anleihe ist von 102,6 Prozent im August auf 99,9 Prozent gesunken.
Daniel hingegen vermerkt überwiegend Verkäufe bei Unternehmensanleihen. Veräußert werden PNE-Papiere (DE000A30VJW3), die bis 2027 einen jährlichen Kupon von 5 Prozent bieten. "Wir sehen hier aber keinen Kursdruck." Vielmehr stieg der Kurs von 100 Prozent zu Wochenbeginn auf 101,75 Prozent. Ebenfalls wenig gefragt ist nach Angaben des Spezialisten vom Frankfurter Parkett eine Semper-Anleihe (DE000A2YPAJ3). Sie läuft bis 2025 und hat einen Kupon von 4 Prozent. Ihr Kurs fällt von 94 Prozent am Monatsbeginn auf 91 Prozent.
Käufe wie Verkäufe vermerkt Daniel bei der Württembergischen Lebensversicherung . Ihr Kurs erholt sich zum Wochenschluss auf 103 Prozent.
von: Antje Erhard, 11. November 2022, © Deutsche Börse (ETR:DB1Gn) AG
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