FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 16. Juli 2014. Die einen verkaufen ihre Aktien, die anderen machen ihre Short-Engagements dicht, unterm Strich treffen sich beide Anlegergruppen auf der leicht bullishen Seite.
Man sieht es dem DAX nicht an, dass er seit der vergangenen Stimmungserhebung zwischenzeitlich beinahe zwei Prozent an Wert verloren hatte. Denn im Wochenvergleich ergibt sich für das Börsenbarometer gerade einmal eine marginale Veränderung von -0,2 Prozent. Dennoch ist seither viel geschehen. Zwar hatten viele Investoren und Kommentatoren eine DAX-Korrektur erwartet und angesichts der Krise um die portugiesische Finanzgruppe Espírito Santo womöglich sogar Schlimmeres befürchtet. Aber es sollte nicht allzu lange dauern, bis die Akteure zu der Überzeugung gelangten, dass von der Krise wohl doch keine Ansteckungsgefahr auf andere Märkte ausgehen würde. Obwohl die Lage um die Holdinggesellschaft derzeit nicht gerade als durchsichtig bezeichnet werden kann.
Allerdings haben die von der Börse Frankfurt befragten Anleger völlig verschieden reagiert, was jedoch vornehmlich auf die unterschiedliche Ausgangslage bei institutionellen und privaten Investoren zurückzuführen sein dürfte. Interessanterweise haben die mittelfristig orientierten, institutionellen Anleger unseres Panels, die zuletzt per Saldo noch eine recht bullishe Meinung vertraten, recht schnell und diszipliniert auf die DAX-Schwäche reagiert, weswegen der Börse Frankfurt Sentiment-Index nur noch einen Stand von +2 aufweist.
Möglicherweise sind diese Investoren jedoch gar nicht einmal von den Ereignissen in Portugal getrieben worden, wenn man etwa die jüngste BofA Merrill Lynch-Umfrage unter Fondsmanagern für den Monat Juli betrachtet. Wie wir bereits bei unserer vergangenen Umfrage argwöhnten, hat sich der Kapitalstrom internationaler langfristiger Investoren offenbar tatsächlich abgeschwächt. So sind nur noch netto 10 Prozent der befragten Fondsmanager bereit, europäische Aktien überzugewichten - das bedeutet einen Rückgang gegenüber dem Monat Juni von mehr als 50 Prozent. Noch drastischer fällt diese Zurückhaltung gegenüber Deutschland aus. Nur noch 12 Prozent (nach 31 Prozent im Juni) der regionalen Fondsmanager favorisieren den hiesigen Aktienmarkt.
Privatanleger mit dem richtigen Blick
Ein großer Teil der von uns befragten Privatanleger hat hingegen die Abwärtskorrektur beim DAX rechtzeitig kommen gesehen. Zwar ergab sich gegenüber der Vorwoche ein Anstieg des Börse Frankfurt Sentiment-Index auf +7, aber dieser Zuwachs geht fast ausschließlich auf zuvor bearish eingestellte Marktteilnehmer zurück, von denen immerhin ein Fünftel vermutlich recht ordentliche Gewinne realisieren konnte. Letztlich hat sich die Zahl der Pessimisten also deutlich reduziert, während neue Optimisten auch in diesem Panel Mangelware bleiben.
Somit stellen sowohl bei den institutionellen als auch bei den privaten Anlegern die Optimisten nunmehr die größte Gruppe dar, wobei die entsprechenden Sentiment-Indizes allerdings unter ihrem Jahresdurchschnitt liegen. Das lässt den Schluss zu, dass sich bedrohliche Schieflagen bei den Teilnehmern unserer Panels selbst bei einem weiteren Kursrückgang des DAX in Grenzen halten dürften. Die größte Gefahr für das Börsenbarometer stellen somit nicht in erster Linie die (geopolitischen) Krisenherde auf der Welt dar; sie geht vielmehr von der zuletzt stockenden internationalen Nachfrage aus, von der das Börsenbarometer im ersten Halbjahr noch profitieren konnte.
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von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
© 16. Juli 2014
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)