FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 14. Mai 2014. Die Durststrecke scheint vorüber, für die Mehrheit der technisch orientierten Analysten befindet sich der DAX auf der Überholspur. Selbst die große, runde 10.000- Punkte- Marke ist wieder im Gespräch. Es gibt aber auch skeptische Stimmen.
Die wochenlange Lethargie des DAX scheint beendet. Viele Charttechniker sehen das deutsche Aktienbarometer bereits auf gutem Weg zu neuen Ufern. Auch die magische Zahl 10.000 steht wieder im Raum.
"Obwohl die Kerze des gestrigen Handels eher zur Vorsicht mahnt, ist die Chance auf einen Ausbruch nach oben deutlich gestiegen", meint Christoph Geyer von der Commerzbank. "Sollte dieser in den kommenden Tagen tatsächlich gelingen, ist auch ein fünfstelliger DAX-Kurs sehr wahrscheinlich." Zudem hätten die Umsätze leicht zugelegt.
Auch für Jörg Scherer von der HSBC liefert der DAX-Chart eine regelrechte Steilvorlage mit Anschlusspotenzial von gut 200 Punkten. Einen guten Nährboden für eine sprunghafte Bewegung nach oben biete auch die Stimmungslage unter Investoren. Bisherige Sentiment-Umfragen erreichten durch die Bank "Neutralitätsquoten".
Bisheriges Allzeithoch als Bewährungsprobe
Martin Siegert sieht das hiesige Aktienbarometer gegenwärtig ebenfalls gut unterstützt. Eine Schlüsselmarke erkennt der technische Analyst der LBBW im bisherigen Allzeithoch bei 9.794 Zählern vom 21. Januar diesen Jahres. Mittlerweile seien 77 Handelstage ins Land gezogen und der DAX stehe nur wenige Zähler vor dieser Preishürde. "Mit einem nachhaltigen Bruch der Marke erwarten wir nochmals steigende Kurse Richtung 8.850 Punkte und im weiteren Verlauf bis in den Bereich um 9.965 Zähler." Diese Notierung bilde die 100-prozentige Erweiterung der Bewegung vom Märztief bei 8.913 Punkten zum Aprilhoch bei 9.721 Zählern. "Für Unterstützung innerhalb dieses Szenarios sorgt zunächst die offene Kurslücke um 9.702, gefolgt von den Bereichen um 9.622 und 9.558 Punkte."
Scheitere der DAX in den kommenden Tagen an der Hürde von 9.800 Punkten, bestätige dies im "großen Bild" die Fortsetzung der übergeordneten Konsolidierungsbewegung. "Die Ausbildung eines Tagesumkehrsignals auf aktuellem Preisniveau und nachfolgend der Bruch der erwähnten Unterstützungsmarken um 9.622 respektive 9.558 Punkte hätte denselben Effekt."
Nachhaltige Überwindung der Bestmarke unwahrscheinlich
Weniger euphorisch gibt sich Gregor Bauer. Für den unabhängigen technischen Analysten hängt der DAX noch fest in einer massiven Widerstandszone zwischen etwa 9.700 und 9.800 Punkten. "Ein Déjà-vu, könnte man sagen, denn diese Situation haben wir seit Januar 2014 mehrfach gesehen." Der DAX gelte auf dem Niveau um 9.800 Punkte als fundamental fair bewertet. "Daher warten Investoren ab, Anschlusskäufer fehlen."
Selbst in Erwartung einer weiteren Senkung der europäischen Leitzinsen durch die EZB - sogar negative Einlagezinsen würden nicht ausgeschlossen - hätte der DAX nur kurzfristig Höhenluft geschnuppert. "Investoren glauben offenbar nicht an eine Fortsetzung der Rallye über das bisherige Allzeithoch hinaus."
Derzeit suchten Anleger insbesondere im "Swing-Trading" ihren Profit. "Im Bereich von markanten Hochs, wie es gegenwärtig der Fall ist, kommt es durch den Wettstreit zwischen Bullen und Bären erfahrungsgemäß zu erhöhter Volatilität", erklärt Bauer die derzeitige Lage. Kurzzeitige Ausbrüche über die Widerstandsmarken und sofortiger Rückfall seien die Folge. "Investoren werden dann häufig auf dem falschen Fuß erwischt."
Swing-Trader hingegen nutzten den erwarteten Rückfall und bauten unter etwa 9.700 DAX-Punkten Short-Positionen auf. Bauer empfiehlt Anlegern, den Eingangsstopp bei 9.850 Punkten zu platzieren. "Das Kursziel liegt dann zunächst im Bereich um 9.400 Zähler." Vorher könne noch die bei derzeit 9.100 Punkten verlaufende 200-Tage-Linie als Wendepunkt dienen.
Im Fall des Durchbruchs falle der DAX voraussichtlich auf die markante Unterstützungszone zwischen etwa 9.100 und 8.950 Punkten zurück. "Diese begrenzt die seit Januar bestehende, übergeordnete Seitwärtsbewegung nach unten." Dort werde der Kursrutsch vermutlich zunächst aufgehalten, damit ergebe sich erneut ein erfolgversprechender Einstiegspunkt.
MDAX zieht mit
Einen näheren Blick wert ist nach Ansicht von Jana Meier derzeit auch die technische Lage in der zweiten Reihe deutscher Aktien. "Das Blatt hat sich im MDAX zum Guten gewendet", meint die technische Analystin der HSBC. Die jüngsten Abwärtsimpulse hätten allesamt verlässlich durch die 200-Tages-Linie, aktuell bei 15.875 Punkten, ausgebremst werden können. "Diese Glättungslinie fungierte anschließend sogar als Sprungbrett gen Norden, womit die Gefahr einer großen Toppbildung deutlich reduziert wurde."
Mit einem nachhaltigen Rutsch unter die Haltezone aus der 200-Tages-Glättung sowie diversen Tiefpunkten vom Jahreswechsel zwischen 15.835 und 15.811 Zählern wäre die obere Umkehr komplettiert worden. "Das hätte markante Kursverluste nach sich gezogen." Dass der Benchmark-Index für die größten Mittelstandsunternehmen Deutschlands dieses Szenario der Toppbildungszenario zunächst hinter sich lassen konnte, sei jüngst durch den Ausbruch aus dem Abwärtstrendkanal seit Ende Februar mit einer oberen Begrenzung bei aktuell 16.570 Punkten bestätigt worden. "Denn in diesem Zuge wurde auch eine klassische abwärtsgerichtete Flagge zugunsten der Bullen aufgelöst."
"Sollte sich dieser Befreiungsschlag als nachhaltig erweisen, ist der Weg frei bis zu den Allzeithochs bei 16.993 bzw. 16.996 Punkten vom Januar und Februar" stellt Meier in Aussicht. Die technischen Indikatoren stimmten dabei zuversichtlich. "Stochastik und MACD weisen beide Kaufsignale auf und der Trendfolger konnte jüngst einen Punkt hinter einer Korrektur setzen."
Börse Frankfurt Sentiment-Index: Zuversicht steigt sprunghaft
Die Stimmung von professionellen und privaten Anlegern hat sich im Vergleich zur Vorwoche deutlich verbessert: Der Sentiment-Index der institutionellen Investoren erreicht +9 Punkten nach -11 in der Vorwoche, Privatanleger kommen auf +8 Punkte nach -14 Punkten. An der Nulllinie verläuft die Grenze zwischen Optimismus und Pessimismus im Markt. 11 Prozent der befragten institutionellen und 14 Prozent der befragten privaten Anleger sind ins Bullenlager übergelaufen. Eine Interpretation der Ergebnisse können Sie ab 17 Uhr auf boerse-frankfurt.de/sentiment lesen.
von Iris Merker, Deutsche Börse AG
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© 14. Mai 2014
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