FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Roger Peeters schreibt diese Woche in seiner Kolumne über die Krise der Solarindustrie, die durch die Pleite des ehemaligen Börsenschwergewichts Q Cells, nun auch der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.
Spätestens mit der Insolvenz des einstigen Börsenschwergewichts Q-Cells hat die Krise der Solarindustrie auch die breite Öffentlichkeit erreicht. Die Häufung von Pleiten in diesem Sektor (neben Q-Cells unter anderem Solon, Solar Millennium und Solarhybrid) in jüngerer Vergangenheit wirft die Frage auf, welche Konzerne es noch alles erwischen wird und provoziert Diskussionen nach den Ursachen der Branchenkrise.
Hier stehen zwei Faktoren über die dann auch gleich trefflich diskutiert wird im Mittelpunkt der Betrachtung: 1. Die staatliche Förderung über die Einspeisevergütung. Bei dieser vom Staat festgelegten und vom Verbraucher bezahlten üppigen Vergütung haben viele Vertreter der Solarindustrie zwar immer gerne spitzfindig darauf hingewiesen, dass diese kein Subvention im eigentlichen Sinne sei. Das mag ja sein, aber wie groß die Abhängigkeit von dieser Umlage mitunter ist, dokumentiert etwa die Pleite von Solarhybrid sehr anschaulich. Ob nun der Staat zu abrupt die Notbremse gezogen hat oder die Industrie sich zu sehr auf diese üppige Unterstützung ausgeruht hat ist eine müßige Diskussion. Fakt ist: Ohne massive Förderung geht es offenkundig nicht.
Als 2. und wohl noch gewichtigeres Argument ist der massive Preisdruck aus China zu nennen, einhergehend mit einer mittlerweile festzustellenden Überkapazität in vielen Punkten der Wertschöpfungskette. Es ist im Nachhinein schon sehr zynisch zu sehen, wie gerne sich Politiker auf die Schulter geklopft haben, wenn in Strukturschwachen Gebieten in Ostdeutschland einige tausend Arbeitsplätze in der Solarindustrie entstanden sind, es aber zeitgleich in der Politik wenig Bestreben gab, hier angesichts der Dumpingkonkurrenz aus China etwas protektionistischer zu agieren, zumal die Wettbewerber in Fernost nicht nur Preisvorteile verbuchen konnten, sondern mitunter auch massiv subventioniert werden. Dass nun viele Beobachter konstatieren, Firmen wie Q-Cells hätten ihre Produktion viel früher nach Asien verlagern müssen, lässt die früheren Lobreden auf das Solar-Jobwunder in Deutschland noch etwas grotesker erscheinen.
Soweit zu den grundlegenden Einflussfaktoren: Dass es nun aber so schnell reihenweise kracht, hat auch eine weitere Ursache, die beileibe nicht spezifisch für die Solarindustrie ist: Viele Firmen hatten eine zu schwache Bilanz, so dass die Veränderungen nicht aufgefangen werden konnten. Etliche Refinanzierungen waren und schlicht nicht wetterfest, um es bildlich auszudrücken. Eine Industrie, deren komplettes Geschäftsmodell auf einer politisch gewollten Umverteilung basiert, sollte sich jederzeit darauf besinnen, dass das Fundament dünn ist und sich auch in der Kapitalbeschaffung risikoarm aufstellen, sprich Schulden meiden.
Ganz exemplarisch ist hier der Fall Q-Cells. Hier brachen vereinfacht gesprochen streitbare Anleihegläubiger, welche die geplante Umschuldung so nicht tragen wollten, der Firma das Genick. Mag sein, dass der Disput mit Anleihegläubigern nur vorverlagert hat, was ob der gigantischen Verluste von Q-Cells unumgänglich war. Dennoch stellt sich die Frage, warum eine Firma, die solch exzellente Refinanzierungsmöglichkeiten auf der Eigenkapitalseite hatte, überhaupt in die Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern begeben hat. Zur Erinnerung: In der Spitze hatte Q-Cells einen Börsenwert von rd. 8 Mrd. EUR. Eine 20%-Kapitalerhöhung auch mit marktüblichem Abschlag hätte der Firma wohl einen Milliardenbetrag in die Kasse gespült. Mit diesem Polster hätte der Konzern schuldenfrei agieren können und wohl auch längere Durststrecken ausgehalten.
Q-Cells ist hier kein Einzelfall. Viele reinrassige Solarfirmen begaben in guten Zeiten vor einigen Jahren Bonds oder nahmen hohe Kredite auf. Deren aktuelle Anleihenkurse mit fast ausnahmslos drastischen Abschlägen zum Nominalwert sprechen eine sehr deutliche Sprache und lassen erwarten, dass wir noch nicht den letzten Knock-out in der Branche gesehen haben.
Sie können sich kostenlos für unseren täglichen Newsletter per E-Mail anmelden. Schreiben Sie uns eine Email an redaktion@deusche-boerse.de
© 23. März 2012/Roger Peeters
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der 'Platow Börse' und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm 'Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden' im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
Spätestens mit der Insolvenz des einstigen Börsenschwergewichts Q-Cells hat die Krise der Solarindustrie auch die breite Öffentlichkeit erreicht. Die Häufung von Pleiten in diesem Sektor (neben Q-Cells unter anderem Solon, Solar Millennium und Solarhybrid) in jüngerer Vergangenheit wirft die Frage auf, welche Konzerne es noch alles erwischen wird und provoziert Diskussionen nach den Ursachen der Branchenkrise.
Hier stehen zwei Faktoren über die dann auch gleich trefflich diskutiert wird im Mittelpunkt der Betrachtung: 1. Die staatliche Förderung über die Einspeisevergütung. Bei dieser vom Staat festgelegten und vom Verbraucher bezahlten üppigen Vergütung haben viele Vertreter der Solarindustrie zwar immer gerne spitzfindig darauf hingewiesen, dass diese kein Subvention im eigentlichen Sinne sei. Das mag ja sein, aber wie groß die Abhängigkeit von dieser Umlage mitunter ist, dokumentiert etwa die Pleite von Solarhybrid sehr anschaulich. Ob nun der Staat zu abrupt die Notbremse gezogen hat oder die Industrie sich zu sehr auf diese üppige Unterstützung ausgeruht hat ist eine müßige Diskussion. Fakt ist: Ohne massive Förderung geht es offenkundig nicht.
Als 2. und wohl noch gewichtigeres Argument ist der massive Preisdruck aus China zu nennen, einhergehend mit einer mittlerweile festzustellenden Überkapazität in vielen Punkten der Wertschöpfungskette. Es ist im Nachhinein schon sehr zynisch zu sehen, wie gerne sich Politiker auf die Schulter geklopft haben, wenn in Strukturschwachen Gebieten in Ostdeutschland einige tausend Arbeitsplätze in der Solarindustrie entstanden sind, es aber zeitgleich in der Politik wenig Bestreben gab, hier angesichts der Dumpingkonkurrenz aus China etwas protektionistischer zu agieren, zumal die Wettbewerber in Fernost nicht nur Preisvorteile verbuchen konnten, sondern mitunter auch massiv subventioniert werden. Dass nun viele Beobachter konstatieren, Firmen wie Q-Cells hätten ihre Produktion viel früher nach Asien verlagern müssen, lässt die früheren Lobreden auf das Solar-Jobwunder in Deutschland noch etwas grotesker erscheinen.
Soweit zu den grundlegenden Einflussfaktoren: Dass es nun aber so schnell reihenweise kracht, hat auch eine weitere Ursache, die beileibe nicht spezifisch für die Solarindustrie ist: Viele Firmen hatten eine zu schwache Bilanz, so dass die Veränderungen nicht aufgefangen werden konnten. Etliche Refinanzierungen waren und schlicht nicht wetterfest, um es bildlich auszudrücken. Eine Industrie, deren komplettes Geschäftsmodell auf einer politisch gewollten Umverteilung basiert, sollte sich jederzeit darauf besinnen, dass das Fundament dünn ist und sich auch in der Kapitalbeschaffung risikoarm aufstellen, sprich Schulden meiden.
Ganz exemplarisch ist hier der Fall Q-Cells. Hier brachen vereinfacht gesprochen streitbare Anleihegläubiger, welche die geplante Umschuldung so nicht tragen wollten, der Firma das Genick. Mag sein, dass der Disput mit Anleihegläubigern nur vorverlagert hat, was ob der gigantischen Verluste von Q-Cells unumgänglich war. Dennoch stellt sich die Frage, warum eine Firma, die solch exzellente Refinanzierungsmöglichkeiten auf der Eigenkapitalseite hatte, überhaupt in die Abhängigkeit von Fremdkapitalgebern begeben hat. Zur Erinnerung: In der Spitze hatte Q-Cells einen Börsenwert von rd. 8 Mrd. EUR. Eine 20%-Kapitalerhöhung auch mit marktüblichem Abschlag hätte der Firma wohl einen Milliardenbetrag in die Kasse gespült. Mit diesem Polster hätte der Konzern schuldenfrei agieren können und wohl auch längere Durststrecken ausgehalten.
Q-Cells ist hier kein Einzelfall. Viele reinrassige Solarfirmen begaben in guten Zeiten vor einigen Jahren Bonds oder nahmen hohe Kredite auf. Deren aktuelle Anleihenkurse mit fast ausnahmslos drastischen Abschlägen zum Nominalwert sprechen eine sehr deutliche Sprache und lassen erwarten, dass wir noch nicht den letzten Knock-out in der Branche gesehen haben.
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© 23. März 2012/Roger Peeters
*Roger Peeters ist Vorstand der Close Brothers Seydler Research AG, einer Tochter der Close Brothers Seydler Bank. Zuvor leitete Peeters viele Jahre die Redaktion der 'Platow Börse' und beriet den von ihm konzipierten DB Platinum III Platow Fonds. 2008 erschien von ihm 'Finde die richtige Aktie - ein Profi zeigt seine Methoden' im Finanzbuchverlag. Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.
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