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Börse Frankfurt-News: Wechselkursrisiken in der Währungsunion? (Hüfner)

Veröffentlicht am 27.06.2012, 15:31
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 27. Juni 2012. Hüfner befasst sich mit der Frage, was mit den einzelnen Währungen passiert, falls der Euro auseinander brechen sollte.

Der Euro wurde geschaffen, um Wechselkursrisiken in der Gemeinschaft auszuschalten. Das sollte den inner­europäischen Handel erleichtern, den Binnenmarkt för­dern und damit zusätzliches Wachstum und Beschäfti­gung bringen. Es hat zwölf Jahre hervorragend funktio­niert. Jetzt gibt es plötzlich Risse. Es tauchen Phänome­ne auf, die man als Wechselkursrisiken in der Wäh­rungsunion bezeichnen könnte. Was ist da los?

Schauen wir uns die Sache genauer an. Die Eskalation der Eurokrise in den letzten Monaten hat Unternehmen und Banken alarmiert. Wenn jeder über ein Auseinan­derbrechen der Währungsunion redet, dann müssen sich die Akteure darauf natürlich vorbereiten. Wie man das macht, ist ganz einfach. Man identifiziert die Forde­rungen gegenüber Geschäftspartnern in den anderen Euroländern, die bei einem Auseinanderbrechen des Euro tangiert sein könnten. Diese Forderungen versucht man entweder zurückzufahren oder sie durch entspre­chende Gegengeschäfte abzusichern. Es gilt also nicht mehr das Prinzip Euro = Euro, sondern Euroforderun­gen gegenüber deutschen Geschäftspartnern werden im Hin­blick auf die Währung anders behandelt als Eurofor­derungen gegen beispielsweise italienische Partner.

Das gilt in Deutschland nur für die Forderungen, da eine mögliche künftige deutsche Währung sich vermutlich aufwerten würde. Bei Verbindlichkeiten profitieren die Deutschen, weil sie diese bei einer Aufwertung in Zu­kunft billiger zurückzahlen können. In anderen Ländern ist das umgekehrt.

Das Zurückfahren der Forderungen ist - wenn es tech­nisch möglich ist - am Einfachsten. Es bedeutet freilich, dass der Handels- und Kapitalverkehr eingeschränkt wird. Es entsteht ein 'Home Bias': Transaktionen im In­land werden gegenüber Transaktionen mit dem europä­ischen Ausland bevorzugt. Das widerspricht natürlich der Idee des Binnenmarktes. Man schützt sich damit aber gegen die Risiken eines Eurozerfalls.

Schwieriger ist es, wenn man die Forderungen nicht zu­rückfahren kann. Dann muss man sie absichern. In ei­nem System flexibler Kurse würde man dazu Termin- oder Optionsgeschäfte am Markt erwerben. In einer Währungsunion geht das nicht, weil es hier keine ent­sprechenden Märkte gibt. Hier muss man Verbindlich­keiten in den Ländern der Gemeinschaft aufnehmen und sie gegen die Forderungen stellen. Bei einem Zusam­menbrechen des Euro würden sowohl Forderungen, als auch Verbindlichkeiten in die dann neu entstehenden Währungen umgetauscht und es entstehen keine Ver­luste.

Solche Absicherungsstrategien sind für die Beteiligten nicht billig. Es müssen teure Bankkredite im Ausland aufgenommen und die Liquidität im Inland zu niedrigen Zinsen angelegt werden. Volkswirtschaftlich führt das zu einem Kapitalimport. In der deutschen Zahlungsbilanz ist das deutlich erkennbar. Die Grafik zeigt die kurzfristigen Geldflüsse zu deutschen Banken aus dem Ausland. Sie haben sich im ersten Quartal 2012 auf ein Niveau aus­geweitet, das es schon lange nicht mehr gegeben hat (229 Milliarden Euro allein in den ersten drei Monaten).

Um sich gegen die Risiken bei einem Zusammenbre­chen des Euro abzusichern, richten - so hört man - Banken und große Unternehmen inzwischen bereits 'Treas­uries' für die einzelnen Partnerländer ein. Es gibt also nicht mehr nur noch ein 'Treasury' für Euro, son­dern im Extremfall 16 'Treasuries' für die jeweiligen Partner­länder. Darin werden alle Zahlungen sowie die Bestände von Forderungen und Verbindlichkeiten nach Laufzeiten erfasst und die jeweiligen Transaktionen überwacht.

Was hier passiert ist de facto ein Zerfall der Währungs­union in die einzelnen Nationalstaaten. Die bereits in den letzten Jahren entstandene Segmentierung des europäischen Kapitalmarkts nach den Bonitäten der einzelnen Staaten wird erweitert durch eine Segmen­tie­rung der Geldströme nach einzelnen Nationen. Das ist ein gefährlicher Prozess. De facto wird die Währungs­uni­on durchlöchert. Das zeigt, wohin es führt, wenn die Politik sich auf das Durchwursteln beschränkt und die Krise immer weiter laufen lässt.

Für Anleger

Eigentlich müssten sie bei ihre eigenen Dispositionen ähn­liche Überlegungen anstellen wie Unternehmen und Banken. Bei Anlagen in Ländern der Währungsunion müssen sie neben den verschiedenen Bonitäten auch einen möglichen Bruch des Euro bedenken.

Es gibt Anleger, die ihr Geld aus Angst vor einem Aus­ein­an­derbrechen des Euro in Dollar oder Schweizer Fran­ken verlagern wollen. Ich halte das nicht für ver­nünf­tig. Wenn sich deutsche Investoren heute die ameri­kanische Währung beispielsweise zu 1,25 US-Dollar kaufen, so machen sie möglicherweise ein schlechtes Geschäft. Denn wenn der Euro zusammenbricht und Deutschland eine neue Währung bekommt, würde sich diese neue Währung gegenüber dem US-Dollar vermutlich erheblich aufwerten. Die Investoren müssten dann, wenn sie spä­ter aus dem US-Dollar wieder zurück wollen, die neue deut­sche Währung erheblich teurer zurückkaufen. Beim Schweizer Franken wäre die Situation vermutlich nicht so krass. Aber auch hier kann man sich vorstellen, dass sich der Franken gegenüber einer neuen deutschen Wäh­rung abschwächen würde. Dies läge sicher im Inte­resse der Schweiz, für die Deutschland der wichtigste Markt im bisherigen Eurogebiet ist.

Im Übrigen müssen sich Anleger für den Fall eines Aus­­einanderbrechens des Euro auf erhebliche Verwer­fun­gen auf den Kapitalmärkten, nicht zuletzt eine Re­zes­si­on einstellen.

© 27. Juni 2012 /Martin Hüfner

Dr. Martin W. Hüfner ist Chief Economist bei Assenagon Asset Management S.A. Er war viele Jahre Chefvolkswirt beziehungsweise Senior Economist bei der HypoVereinsbank und der Deutschen Bank. In Brüssel leitete er den renommierten Wirtschafts- und Währungsausschuss der Chefvolkswirte der Europäischen Bankenvereinigung. Hüfner schreibt für große internationale Zeitungen wie die Neue Züricher Zeitung oder die Schweizer Finanz und Wirtschaft sowie für große Zeitungen in Deutschland. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. 'Europa Die Macht von Morgen' und 'Comeback für Deutschland'

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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