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Börse Frankfurt-News: 'Zinswende oder die Vertreibung aus dem Paradies' (Halver)

Veröffentlicht am 17.05.2013, 20:00
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 17. Mai 2013 MÜNCHEN (Baader Bank). Halver fragt sich in dieser Woche, wie die Kapitalmärkte von dem 'Suchtmittel der Liquidität' entwöhnt werden können.

Die Notenbanken sind zu den Mundschenken in unserem Finanzsystem geworden. Die USA haben ja schon immer, bei jeder Krise, am süßen Wein der Geldpolitik genippt. Wer Sorgen hat, hat eben auch Likör.

Und in Euroland? Ob Spanien Reformen oder Reförmchen macht, ob Italien von einer knallbunten Regierung von Gnaden Berlusconis heimgesucht wird oder ob Frankreich erfolglos versucht, Marktwirtschaft mit Sozialismus zu kreuzen, egal, auch bei uns sorgt die EZB für bedingungslose Erquickung.

Mittlerweile hat man sich an die Instabilitätsorgien, nennen wir es die finanzpolitische Zechprellerei mit Bezahlung des Deckels durch die Notenbanken, gewöhnt. Wie würden wir deutschen Stabilitätsanhänger wohl reagieren, wenn wir ähnlich wie Dornröschen im Mai 2008 in den Schlaf gefallen wären, heute nach fünf Jahren wachgeküsst würden und unsere Finanzwelt mit dem Wissen von damals betrachten würden. Vermutlich wären alle Sauerstoffzelte überbelegt.

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Wann ist genug genug?

Wie auch immer, wie weit will man, kann man oder muss man die weltweite Happy Hour der Notenbanken noch treiben? Die Beantwortung ist äußerst schwierig, weil es für dieses Experiment mit dem Namen 'Die Geldpolitik rettet die Welt' keine historische Blaupause gibt. Fed, EZB & Co. befinden sich in einem großen Dilemma: Wie lange müssen sie düngen, um blühende Landschaften zu erzeugen? Und wann sollten sie zur Heckenschere greifen, um Wildwuchs zu bekämpfen, ohne jedoch einen Rückfall in die Rezessionswüste zu riskieren?

Aktuell sehen einen sich selbst tragenden US-Aufschwung nur unerschütterliche Optimisten. Und die Wirtschaft der Eurozone hinkt nicht nur, sie fährt bereits seit sechs Quartalen im Rollstuhl. Geldpolitisch muss weiter gedüngt werden, es muss geklotzt, nicht nur gekleckert werden. Ohnehin frage ich mich, wie manches Euro-Land, Japan, England oder die USA jemals wieder normale Zinsen auf ihre biblischen Überschuldungen stemmen wollen, ohne öffentliche Parkanlagen zu Streuobstwiesen verkommen zu lassen, die Straßenbeleuchtung nur noch an Nationalfeiertagen einzuschalten oder das Militär zur Landesverteidigung mit Mistgabeln auszustatten?

Zu Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik fragen Sie ihren Gärtner

Im Gegensatz zur Konjunktur reagieren die Aktienmärkte auf den grünen Daumen der Notenbanken wie im Garten Eden. Hier wachsen prächtige Mammutbäume heran. Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass der Anstieg US-amerikanischer Aktienindizes zu 85 Prozent mit dem Wachstum der Bilanz der US-Notenbank - Konsequenz ihrer Liquiditätsoffensive - zusammenhängt.

Spätestens hier sind wir beim finanzwirtschaftlichen Fluch der guten geldpolitischen Tat. Die konjunkturell an sich gebotene Perma-Düngung führt wie im Gemüse- und Blumenbeet zu unerwünschten Nebeneffekten. Denn diese Wohltat kommt auch dem Unkraut zugute. Unkraut auf den Finanzmärkten, das nennt man Blasen. Diese sind im Moment auf den Aktienmärkten zwar noch nicht zu beobachten. Da die fleißigen Gärtner der EZB aber offensichtlich nicht gewerkschaftlich organisiert sind und unbezahlte Überstunden machen, werden früher oder später auch die Aktienmärkte versuchen, wie Kletterpflanzen in den Himmel zu wachsen.

Wie geht man mit Blasen um?

Die Finanzgeschichte zeigt deutlich, dass platzende Blasen auch die Realwirtschaft schonungslos in Mithaftung nehmen. So war es schon beim Einbruch des Neuen Markts 2000 und erst recht beim Bersten der Immobilienblase 2008. Insofern müsste die Geldpolitik jetzt den Anfängen von Blasen wehren. Eigentlich sollte man die Finanzmärkte nun ganz vorsichtig auf ein irgendwann stattfindendes, sehr behutsames Ende der Gartenkultivierung einstimmen.

Wenn es denn so einfach wäre. Die Börsen haben sich längst an den Kunstdünger gewöhnt. Auf den Entzug würden sie wie Drogenabhängige überreagieren. Denn auch nur das geringste Anzeichen einer Zinswende würde als Beginn einer lang andauernden Trockenperiode eingeschätzt. Finanzmärkte sind eben nicht nur durch die konkrete geldpolitische Aktion gesteuert, nein, deren Erwartungshaltung ist entscheidend.

Die Angst vor der sich wiederholenden Geschichte

Und dann erleben wir das, was wir schon nach der Pleite der Lehman-Bank erleiden mussten, allerdings aufgrund des heute professionellen Hochfrequenzhandels und der algorithmischen Handelsprogramme mit vermutlich deutlich mehr Schmackes. Alle wollen gleichzeitig durch die gleiche Tür, jede Form von Risikokapital verkaufen und sich in Sicherheit begeben. Die Kurse von völlig übertrieben bewerteten Unternehmensanleihen brächen ein, Firmenfinanzierungen würden so dramatisch erschwert, auch weil Banken Risikoengagements meiden werden. Ohnehin haben sie dann schon genug Abschreibungen zu stemmen. Sinkende Aktienpreise würden die Konsumstimmung auf Moll setzten und insgesamt sprächen wir sogar von Deflation. Das arme Konjunkturpflänzchen, das doch jede Hilfe braucht, käme unter den Turbo-Rasenmäher.

Ein Konjunktureinbruch mindestens wie 2009 - das annus horribilis der Weltwirtschaft - wäre die Folge. Und dann? Womit rettet die Geldpolitik dann noch unser Wirtschaftssystem, wenn die Zinsen bereits bei Null angekommen sind? Würde man sich dann nicht wünschen, niemals das Wort Zinswende in den Mund genommen zu haben?

Meine Damen und Herren, ich wage einmal die Prognose, dass die Damen und Herren Notenbanker aus Angst vor dem Platzen der Blase die Blase weiter aufblähen werden. Sie werden sich stets daran erinnern, dass es ihre Zinserhöhungen waren, die die früheren Blasen angestochen haben. Und wer will heutzutage schon an der endgültigen Vertreibung aus dem Garten Eden Schuld sein?

Autor: Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank.

Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.

© 17. Mai 2013/Baader Bank AG

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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