Von Geoffrey Smith
Investing.com -- Die Pharmaindustrie hat in den letzten Jahren viele Kritiker auf den Plan gerufen. Himmelhohe Medikamentenpreise haben üppige Aktionärsrenditen ermöglicht. Gleichzeitig haben aufwendige Gerichtsverfahren zur Haftungsabwehr im Falle von Nebenwirkungen diese Renditen geschützt - zum Ärger vieler geschädigter Patienten und Behörden.
Die Pharmaindustrie hat Covid-19 also viel zu verdanken: Das Virus hat die Öffentlichkeit daran erinnert, was sie im Gegenzug für all die Steuergelder und Krankenversicherungsbeiträge bekommt. Aber das ist noch gar nichts neben dem, was die Menschheit der Pharmaindustrie im Moment schuldet. Denn der Schutz vor einer tödlichen oder kräftezehrenden Krankheit ist das Einzige, was sich Milliarden von Menschen verzweifelt wünschen, um ihr Leben wieder so normal wie möglich zu gestalten wie vor einem Jahr.
Von den verschiedenen Bevölkerungsgruppen haben die Investoren mehr Grund zur Freude als die meisten anderen. Der MSCI World (DE:X010) Aktienindex stieg in den zwei Monaten nach der Ankündigung von Pfizer (NYSE:PFE) und BioNTech (NASDAQ:BNTX), dass ihr Impfstoff bei der Behandlung der Krankheit zu über 90% wirksam ist, um 21%. Darauf folgte schnell die Zulassung durch die U.S. Food and Drug Administration und andere Aufsichtsbehörden weltweit.
Der Internationale Währungsfonds hat kürzlich seine Prognose für das weltweite Wachstum in diesem Jahr nach oben korrigiert, ermutigt durch den Fortschritt verschiedener Medikamente durch den Zulassungsprozess rund um die Welt. Das U.S. Congressional Budget Office geht nun davon aus, dass sich das US-BIP weiter und schneller erholen wird als bisher erwartet, u.a. weil es mit einer beschleunigten und vollständigen Rückkehr des Verbrauchervertrauens rechnet.
Auf Pfizer und BioNTech folgen andere, die es ähnlich gut machen. Niemand hat jedoch bislang die Wirksamkeit von über 93% der Impfstoffe von Pfizer-BioNTech und Moderna (NASDAQ:MRNA) überbieten können. Angesichts der vergleichbaren Ergebnisse dieser beiden hat ein weiterer mRNA-Impfstoff Hoffnungen geweckt, der von dem in Deutschland ansässigen Unternehmen CureVac (NASDAQ:CVAC) entwickelt wurde und im Dezember mit der Phase III-Studie begonnen hat.
Aber einer der offensichtlichsten Erfolge der Branche war die Fähigkeit, effektive Behandlungen durch eine Vielzahl von Technologien hervorzubringen. Die von AstraZeneca (LON:AZN), Johnson & Johnson (NYSE:JNJ), Novavax (NASDAQ:NVAX) und der russischen Pharmaindustrie entwickelten Impfstoffe funktionieren alle auf unterschiedliche Weise, zeigen aber alle eine hohe Wirksamkeit.
Das ist wichtig wegen der großen Anzahl neuer Virus-Stämme, die sich aus dem ursprünglichen SARS-Cov-2-Virus bereits entwickelt haben und auch weiterhin entwickeln werden. Südafrika war gezwungen, die Verteilung des Medikaments von AstraZeneca/Oxford University zu stoppen, weil es gegen einen besonders bösartigen neuen Stamm wenig wirksam war.
Aber wenn mehrere Technologien im Spiel sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens eine von ihnen jeder neuen Mutation gewachsen ist, und je mehr Impfstoffe zugelassen werden, desto weniger kommt es zu Produktionsengpässen wie dem, der kürzlich eine erbitterte Debatte zwischen der EU und Großbritannien ausgelöst hat, wer seine Impfstoffbestellung nun zuerst erfüllt bekommt.
Technologisch und kommerziell war die Impfstoff-Kampagne ein Triumph für das US-Modell unabhängiger Biotech-Startups - mit Moderna und Novavax, die jenseits des Atlantiks erfolgreich waren, wohingegen die renommierten Forschungsinstitute und Pharma-Blue-Chips in Europa meist den Kürzeren gezogen haben. Der Erfolg von AstraZeneca steht in krassem Gegensatz zum Misserfolg von Sanofi (NYSE:SPCE) und GlaxoSmithKline. Aber es gab auch überraschende Gewinner wie den russischen Sputnik-Impfstoff, ein Einmalpräparat mit einer Wirksamkeitsrate von 91%, das den angeschlagenen Ruf der russischen Life-Science-Industrie aufpoliert hat.
Die Impfkampagne gibt auch einigen Regierungen eine Chance auf Wiedergutmachung nach ihrem - in einigen Fällen spektakulären - Missmanagement der Pandemie. Vor allem in Großbritannien verheißt die schnelle Verteilung der Impfstoffe eine Wiederbelebung der britischen Wirtschaft bis zum Sommer, während ein Großteil Kontinentaleuropas drei Monate hinterherhinkt. Das spiegelt sich bereits an den Devisenmärkten wider und wird sich letztlich auch in den Konjunkturdaten niederschlagen.
Aber selbst dort, wo die Durchimpfung der Bevölkerung langsamer voranschreitet, sieht es so aus, als wäre die globale Kampagne ein Triumph der Menschheitsgeschichte: ein Triumph, der es der Welt ermöglichen wird, sich innerhalb von etwa einem Jahr von einer Katastrophe zu erholen, die die Weltwirtschaft für ein Jahrzehnt hätte lähmen können. Der Sieg über Covid scheint nun eher eine Frage des "Wann" als des "Ob" zu sein.