von Robert Zach
Investing.com - In den USA ist die Inflation abermals stärker gestiegen als gedacht. Das nährt die Sorge vor weiteren entschlossenen Maßnahmen der Fed zur Bekämpfung des Preisdrucks.
Im Monatsvergleich stieg der Konsumentenpreisindex im September um 0,4 Prozent, nach 0,1 Prozent im Vormonat. Volkswirte hatten 0,2 Prozent erwartet.
Die Jahresteuerung ging dagegen geringfügig zurück. Hier lag der Verbraucherpreisindex bei 8,2 Prozent. Erwartet worden war allerdings ein Rückgang auf 8,1 Prozent. Im August hatte die Inflation noch bei 8,3 Prozent gelegen.
Während die Preise für Energie erneut sanken, stiegen sie in anderen Bereichen weiter an. Medizinische Dienstleistungen verteuerten sich im Vergleich zum Vormonat um 1,0 Prozent, Transportdienstleistungen um 1,9 Prozent und Nahrungsmittel um 0,8 Prozent.
Besonders ausgeprägt war der Preisanstieg einmal mehr im Bereich Wohnen. Diese Komponente macht fast ein Drittel der Gesamtberechnung des Verbraucherpreisindex aus, entsprechend groß ist ihr Einfluss auf den Endwert. Die so genannte "Owners’ equivalent rent of residences", - das ist im Wesentlichen der Betrag, den Hausbesitzer zahlen müssten, wenn sie ihr Haus vermieten würden - stieg mit 0,9 Prozent so stark an wie seit 1990 nicht mehr. Allein diese Unterkategorie des Bereichs "Shelter" macht 22,3 Prozent des gesamten Verbraucherpreisindex aus.
Das war auch der Grund, warum die Kernrate weiter anstieg. Sie belief sich im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 6,6 Prozent, 0,3 Prozentpunkte höher als im vorangegangenen Monat.
Die Federal Reserve (Fed) hatte in letzter Zeit mehrfach bekräftigt, dass die Eindämmung der Inflation oberste Priorität habe, zuletzt gestern im Protokoll der September-Sitzung, als die Zentralbank den Leitzins um 75 Basispunkte anhob. Die Inflation sei nach wie vor zu hoch und die Risiken zeigten weiter nach oben, hieß es in dem Protokoll. Daher sei es notwendig, die Leitzinsen auf ein restriktives Niveau anzuheben und sie dort eine Weile zu belassen, hieß es. Zu einem späteren Zeitpunkt sei es jedoch notwendig, das Tempo der Straffung zu verlangsamen, erklärten die Zentralbanker.
Für November gilt nach dem Inflationsbericht eine Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte auf dann 3,75 bis 4,00 Prozent als ausgemachte Sache. Die marktbasierten Erwartungen für die Dezember-Sitzung haben sich nun dahingehend verschoben, dass eine moderate Mehrheit (57,2 Prozent) nun ebenfalls eine Zinsanhebung um 75 Basispunkte auf der letzten Fed-Sitzung des Jahres erwartet. Zuvor hatte die Mehrheit mit 50 Basispunkten gerechnet.
Das sagen Ökonomen zu den US-Inflationsdaten:
James Knightley, internationaler Chefvolkswirt bei ING (AS:INGA): Die Tatsache, dass sich die Kerninflation in die falsche Richtung bewegt (und den höchsten Stand seit August 1982 erreicht hat) und das gestrige Fed-Protokoll der September-Sitzung des FOMC davor warnt, dass zu wenig zur Eindämmung der Inflation zu tun schlimmer ist als zu viel, bestätigt, dass eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte am 2. November das Minimum ist, wobei die Märkte nun die geringe Möglichkeit einer Erhöhung um 100 Basispunkte einpreisen. Die größte Bedeutung wird dem Bereich Wohnen bzw. Unterkunft zukommen, immerhin ist er die größte Komponente im Verbraucherpreisindex. Historisch gesehen hinkt die Shelter-Datenserie den Entwicklungen der Hauspreise um etwa 12 bis 14 Monate hinterher, aber in der vergangenen Woche haben rent.com, apartments.com und CoStar Group allesamt Mietpreisrückgänge in Großstädten gemeldet. Wir müssen abwarten, wie sich das entwickelt, aber wie bei der Preisgestaltung der Unternehmen und den Fahrzeugpreisen glauben wir weiterhin, dass die Inflation im Jahr 2023 schneller sinken wird als allgemein angenommen.
Sarah House, leitende Wirtschaftswissenschaftlerin bei Wells Fargo (NYSE:WFC): Der heutige Bericht wird den Offenmarktausschuss vermutlich zu einer weiteren Zinserhöhung um 75 Basispunkte auf seiner Sitzung am 2. November bewegen. Abgesehen davon werden wir immer zuversichtlicher, dass die Inflation in den kommenden Monaten spürbar zurückgehen wird. Der disinflationäre Druck bei den Kerngütern nimmt zu. Die nachlassende Verbrauchernachfrage nach Gütern, die sinkenden Transportkosten und die steigenden Lagerbestände deuten darauf hin, dass es für die Unternehmen schwieriger und weniger notwendig wird, die Güterpreise im gleichen rasanten Tempo wie in den letzten 18 Monaten zu erhöhen. Die Dienstleistungsinflation wird sich wahrscheinlich als hartnäckiger erweisen. Allerdings deuten die Mietpreise im privaten Sektor darauf hin, dass die monatlichen Zuwächse bei den Unterkunftskosten ihren Höhepunkt fast erreicht haben dürften, und da der anfängliche Ansturm von "Rache-Reisen" nach COVID hinter uns liegt, rechnen wir mit etwas schwächeren Monatssteigerungen im Bereich der Dienstleistungen. Die allmähliche Abschwächung der Inflation und die zunehmend straffe Geldpolitik dürften dem FOMC den nötigen Spielraum verschaffen, um das Tempo der Straffung von derzeit 75 Basispunkten je Sitzung zu verringern. Allerdings dürfte es auf dem Weg dorthin einige Stolpersteine geben, die die Fed in den nächsten Monaten in Atem halten werden. Die niedrigeren Benzinpreise waren in diesem Sommer ein wichtiger Balsam für die Inflation, aber in den letzten Wochen sind die Benzinpreise in einem nach wie vor angespannten geopolitischen Umfeld wieder angestiegen. Angesichts einer Jahresrate von 6,0 Prozent für den Kernverbraucherpreisindex in den letzten drei Monaten ist es außerdem noch ein weiter Weg, bis der Inflationstrend ein Tempo erreicht, mit dem die Fed leben kann. Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sind eine weitere treibende Kraft für den Inflationsdruck, der noch nicht vollständig abgeklungen ist. Trotz einer gewissen Verlangsamung an der Lohnfront in letzter Zeit steigen die Arbeitskosten weiterhin in einem Tempo, das mit einer Inflationsrate von 2 Prozent nicht vereinbar ist.
Paul Ashworth, Chefvolkswirt für die USA beim Analysehaus Capital Economics: Der unerwartet starke Anstieg der Verbraucherpreise im September um 0,4 Prozent, der einmal mehr auf einen stärkeren Zuwachs bei den Kernpreisen zurückzuführen ist, nährt die Erwartung einer Zinserhöhung um 75 Basispunkte auf der November-Sitzung und deutet im Gegensatz zu den gestern veröffentlichten Fed-Protokollen darauf hin, dass die Fed die Zinsen im Dezember und vielleicht auch darüber hinaus weiter in diesem Tempo erhöhen muss. Trotz der Anzeichen für eine anhaltend hohe Inflation in den VPI-Daten gibt es überall sonst klare Anzeichen für eine Disinflation, auch bei den Dienstleistungen. Die Umfragen deuten auf einen nachlassenden Preisdruck hin, der Lohndruck lässt offenbar nach, und die Messdaten aus dem privaten Sektor zu den Neuvermietungen deuten ebenfalls auf einen Rückgang der Shelter-Inflation hin - allerdings wird sich dies erst im ersten Halbjahr 2023 ernsthaft bemerkbar machen. Solange sich dies nicht in den Verbraucherpreisdaten niederschlägt, wird die Fed weiterhin aggressiv auftreten und auf schnelle Zinserhöhungen drängen.
Ulrich Wortberg, Ökonom bei der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen: Die Inflation in den USA ist den dritten Monat in Folge gesunken, wofür erneut nachgebende Benzinpreise verantwortlich sein dürften. Das Niveau ist aber weiterhin deutlich zu hoch und die Kernteuerung ist erneut gestiegen, was auf einen breit angelegten Preisauftrieb schließen lässt. Dies wird von vielen Vertretern der US-Notenbank kritisch gesehen und auch im FOMC-Sitzungsprotokoll wurde die hohe Kerninflation als besorgniserregend bezeichnet. Daher sollte kein Zweifel daran bestehen, dass die Fed weiter an der Zinsschraube drehen wird, sowohl in diesem Jahr als auch zu Beginn des Jahres 2023. Da die Inflationszahlen die Konsensschätzung übertroffen haben, werden auch die längerfristigen Zinserwartungen tendenziell gestärkt.
Commerzbank (ETR:CBKG): Die heutigen Zahlen bestätigen die Befürchtung der hochrangigen Fed-Beamten, dass die Inflation hartnäckiger ist als bisher angenommen. Selbst wenn sich die Energiepreise in den nächsten Monaten beruhigen, dürfte die Inflation nur leicht zurückgehen und weit über dem 2 Prozent-Ziel der Fed bleiben. Aus dem Protokoll der letzten FOMC-Sitzung geht die Entschlossenheit der Fed hervor, die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen. Um dies zu erreichen, müsste die Geldpolitik entsprechend restriktiv werden, und die Fed müsste diesen Kurs auch im Falle einer Abschwächung des Arbeitsmarktes beibehalten. Weitere deutliche Zinserhöhungen sind damit so gut wie sicher. Wir rechnen weiterhin mit einer weiteren großen Zinsanhebung um 75 Basispunkte auf der Sitzung Anfang November und prognostizieren den Zinsgipfel bei 5 Prozent.