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DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz (deutsch)

Veröffentlicht am 07.05.2012, 10:15
Aktualisiert 07.05.2012, 10:16
Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz

DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges

Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz

07.05.2012 / 10:15

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Dr. Andreas Dombret

'Großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft auch Fehlanreize'

Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz

Nach verschiedenen gigantischen Rettungspaketen, der Umschuldungsaktion

Griechenlands und Ankäufen von Staatsanleihen in Milliardenhöhe durch die

EZB heißt es immer noch, dass die europäischen Regierungen sich Zeit

kaufen. Andreas Dombret, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für

Finanzstabilität zuständig, erläutert in einem Interview mit dem

Finanzplatz, was getan werden muss, um die europäische Krise nachhaltig zu

überwinden. Dabei spricht er über die Vor- und Nachteile der großzügigen

Liquiditätsbereitstellung durch die EZB und die Intransparenz im

Schattenbankenbereich.

Interview mit Dr. Andreas Dombret,

Vorstandsmitglied, Deutsche Bundesbank*

Herr Dombret, wie viel Zeit zur Rettung Europas müssen wir uns noch kaufen?

Wie viel können wir uns noch leisten zu kaufen?

Die Ursachen der Krise liegen in erster Linie in der übermäßigen

Verschuldung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten

des Euroraums. Nachhaltig überwinden lässt sich die Krise daher nur, wenn

dort entschlossene Reformen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen

und zur Stärkung der Wachstumskräfte durchgeführt werden. Hilfszusagen

können diesen Anpassungsprozess zeitlich etwas strecken, ihn aber

keinesfalls ersetzen. Letztlich entscheidend für die Überwindung der Krise

sind der politische Wille und die Bereitschaft der Bevölkerung, diesen

Reformprozess zu tragen. Bei der Reformumsetzung sind die einzelnen Länder

unterschiedlich weit vorangekommen. Aber es muss klar sein, dass die

Umsetzung der vereinbarten Reformen eine unabdingbare Voraussetzung für die

weitere Gewährung finanzieller Hilfe ist.

Deutschland trägt die Hauptlasten der verschiedenen Rettungsaktionen.

Dennoch wird der deutschen Regierung international und auch in Europa

häufig vorgeworfen, auf der Bremse zu stehen. Auch die Bundesbank scheint

oft einen einsamen Kampf zu kämpfen. Steht Deutschland mit seinen Ansichten

isoliert? Wieso melden sich die anderen Notenbanken nicht lauter zu Wort?

Ausmaß und Komplexität der Krise sind einzigartig. Unterschiedliche

Einschätzungen überraschen mich daher nicht. Die Argumente der Bundesbank

werden sehr ernst genommen, wie mir die Kollegen aus anderen Ländern

regelmäßig bestätigen. Und gerade die Entwicklung der vergangenen Monate

hat gezeigt, dass das Vertrauen in die Krisenländer nur dann dauerhaft

zurückkehren wird, wenn die tieferen Ursachen der Krise beseitigt werden.

Eben dieses Anliegen ist der Kern der deutschen Position, und die wird sehr

wohl verstanden.

Mit Hinweis auf die Krise sind die Anforderungen an die bei der EZB zu

hinterlegenden Sicherheiten der Banken immer geringer geworden. Warum wurde

dies von der Bundesbank kritisiert? Haben nicht gerade die Maßnahmen dazu

geführt, dass die Geldversorgung auch in den Krisenstaaten stabil ist? Was

würde passieren, wenn die Anforderungen wieder auf Vorkrisenniveau

angehoben würden?

Die beiden großvolumigen, längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte dienen

der ausreichenden Versorgung solventer Banken mit Liquidität in Zeiten

hoher Unsicherheit und eines eingeschränkt funktionierenden

Interbankenmarktes. Dies erhöht die Planungssicherheit der Banken und

stützt so die Kreditvergabe. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass

die zusätzlichen Risiken für die Notenbanken im vertretbaren Rahmen bleiben

und die zur Verfügung gestellte Liquidität nicht zur künstlichen

Aufrechterhaltung nicht tragfähiger Geschäftsmodelle genutzt wird. Damit

würden wir uns einen Bärendienst erweisen.

Ein höherer Zins als sieben Prozent gilt für die Krisenstaaten als 'nicht

zumutbar'. Der Rettungsfonds verleiht daher Geld zu günstigeren

Konditionen, und die EZB/Nationalbanken kaufen in brenzligen Situationen

große Mengen Anleihen, um die Rendite zu drücken. Vor der Einführung des

Euro mussten diese Staaten deutlich höhere Zinsen zahlen. Wird mit dieser

Festlegung der Marktmechanismus, hohes Risiko - hohe Zinsen, nicht

konterkariert?

Die günstigen Refinanzierungskonditionen von EFSF und fortan ESM mindern in

der Tat die Disziplinierungswirkung von Risikoaufschlägen - und im Übrigen

auch des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts. Auf diese

Schwachstelle hat die Bundesbank wiederholt hingewiesen. Eine konsequente

Umsetzung der neuen Fiskalregeln und der Vereinbarungen aus den

Hilfsprogrammen wird daher noch wichtiger.

Seit die Banken bei der EZB so günstig Geld leihen können, versorgen sich

selbst jene Banken, die sich auch anderweitig refinanzieren können, bei der

EZB mit Liquidität. Was machen die Banken mit dem Geld? Besteht hier nicht

die Gefahr der Fehlallokation?

Die Banken haben die Mittel recht unterschiedlich genutzt. Ein Teil wurde

gleich wieder beim Eurosystem angelegt oder zur Refinanzierung auslaufender

oder teurer Verbindlichkeiten gegenüber dem Eurosystem und privaten

Gläubigern verwendet.

Eine großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft dort Fehlanreize, wo

Banken, die zuvor keine Refinanzierungsschwierigkeiten hatten, nun Mittel

von Privatinvestoren gegen Notenbankliquidität ersetzen. Dadurch erhöht

sich nicht nur die unmittelbare Abhängigkeit des Bankensektors von

Notenbankliquidität. Vielmehr wird auch die künftige Investorenbasis für

Bankschuldtitel geschmälert: Potenzielle Investoren suchen aufgrund des

fehlenden Angebots nach Anlagealternativen. Diese Quellen stehen dann

möglicherweise fortan nicht mehr für die Refinanzierung zur Verfügung.

Kritisch ist, dass Banken aus überschuldeten Staaten den Bilanzanteil von

Staatsschulden weiter ausgebaut haben. Die Ansteckungsrisiken zwischen

Staaten und Banken wurden damit nicht gemindert.

Was bedeutet die Geldschwemme für den Wettbewerb unter den Banken?

Die großzügige Liquiditätsbereitstellung der vergangenen Monate hat den

unmittelbaren Anpassungsdruck von den Banken genommen, die Schwierigkeiten

im Wettbewerb um Refinanzierungsmittel hatten, und hat insofern zu einer

direkten Entspannung der Refinanzierungsbedingungen im Bankensektor

geführt. Ein ungeordneter Abbau von Aktiva, vor dem ich durchaus große

Sorge hatte, konnte verhindert werden. Die verbesserte Lage müssen Banken

und Aufseher nun aber nutzen, um die notwendigen Anpassungen in ihren

Bilanzen, Geschäftsmodellen und Refinanzierungsstrategien entschlossen

voranzubringen.

Die Banken sollen das von der EZB geliehene Geld in großem Umfang wieder in

europäische Staatsanleihen investieren. Die Anlagen in griechische

Staatsanleihen mussten sie gerade zum überwiegenden Teil abschreiben. Wann

werden Banken auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen? Was

halten Sie von dieser Forderung?

Grundsätzlich gilt: Auch Ausleihungen von Kreditinstituten an Staaten

werden bereits heute nach Basel II entsprechend ihrem Risikogehalt bewertet

und somit anteilig - je nach zugewiesenem Risikogewicht von 0% bis 100% -

mit Eigenkapital unterlegt. Allerdings hat die europäische Gesetzgebung

hiervon abweichend eine Ausnahmeregelung des Baseler Rahmenwerks genutzt

und bislang eine 0%-Risikogewichtung für Ausleihungen in Euro an EU-Staaten

vorgenommen.

Derzeit befindet sich die regulatorische Behandlung von eingegangenen

Risikopositionen der Kreditinstitute insgesamt im Fluss. Ich bin sehr

dafür, zu gegebener Zeit, auch die eben beschriebene Ausnahmeregelung zu

hinterfragen. Aber diese Zeit ist noch nicht gekommen.

Griechenland hat einen harten Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger

durchsetzen können. Mit welcher Begründung kann man von den privaten

Gläubigern einen Schuldenschnitt verlangen, während die Nationalstaaten und

Notenbanken einen solchen strikt verweigern?

Die öffentlichen Gläubiger sind erst im Zuge der Krise mit ihren Hilfen

eingesprungen. Dass die privaten Anleger für ihre früheren Entscheidungen

das Risiko tragen, ist meines Erachtens durchaus in Ordnung. Letztlich geht

von dem Schuldenschnitt ein wichtiges Signal aus, das nicht zuletzt auch

das Risikobewusstsein der Anleger und damit die eben angesprochene

Marktdisziplinierung stärken dürfte.

Die Notenbanken lehnen den Schuldenschnitt für sich ab, weil dieser

indirekt zu einer Staatsfinanzierung führen würde. Positiv, so scheint es,

stehen sie aber dem Verkauf der erworbenen Anleihen zu Einstandspreisen an

den EFSF gegenüber. Wieso handelt es sich, wenn der EFSF letztlich die

Verluste trägt, nicht auch um Staatsfinanzierung? Kann man über den Umweg

EZB hin zum EFSF das Problem Staatsfinanzierung tatsächlich vermeiden?

Ein Schuldenschnitt stellt stets einen Transfer an das Schuldnerland dar,

doch es kommt darauf an, wer hierfür die Entscheidung trifft. Hätte das

Eurosystem in einen Schuldenschnitt eingewilligt, wäre dies ganz

offenkundig monetäre Staatsfinanzierung, die uns verboten ist. Bei der EFSF

entscheiden hingegen die Regierungen oder nationalen Parlamente der

Mitgliedstaaten - diese sind demokratisch legitimiert - über den mit einem

Schuldenschnitt verbundenen Transfer.

Obwohl einige Regulierungsvorhaben, wie z.B. Basel III, bereits auf den Weg

gebracht wurden, sind viele Regulierungsthemen noch in der Diskussion. 2012

sollen, so der EU-Präsident Manuel Barroso, die sogenannten Schattenbanken

im Fokus stehen. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um

diesen Bereich transparenter zu gestalten?

Teile des Schattenbankensystems waren maßgeblich am Ausbruch der

Finanzkrise beteiligt. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, diesen

Graubereich künftig besser auszuleuchten. Um Systemrisiken frühzeitig

erkennen zu können, brauchen wir vor allem aussagekräftige Statistiken. Die

Bundesbank drängt hier insbesondere auf bessere Daten zu Hedgefonds, denn

diese stellen nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Verbindung zu

systemrelevanten Finanzinstituten einen potenziellen Risikofaktor dar.

Hedgefonds müssen nach unserer festen Überzeugung statistische

Meldepflichten auferlegt werden. Das Schattenbankensystem sollte auch

besser reguliert werden. Das Financial Stability Board wird Mitte dieses

Jahres konkrete Regulierungsempfehlungen veröffentlichen.

Was halten Sie von der Idee des ehemaligen EZB-Chefvolkswirts Ottmar

Issing, auch für Schattenbanken eine Bankenabgabe einzuführen?

Ich finde es grundsätzlich richtig, den Finanzsektor an den Kosten zur

Bewältigung einer Finanzkrise zu beteiligen, und unterstütze Herrn Issing

auch sonst bei vielen seiner konstruktiven Vorschläge. In diesem speziellen

Fall bin ich allerdings skeptisch, was eine Ausweitung der mit dem

Restrukturierungsgesetz eingeführten Bankenabgabe auf das

Schattenbankensystem angeht. Denn zum einen hat die Bankenabgabe eine

spezielle Funktion zur Finanzierung der Abwicklung von Kreditinstituten.

Zum anderen zählen zum Schattenbankensystem nicht nur sehr unterschiedliche

Akteure wie Hedgefonds und Geldmarktfonds, sondern auch Aktivitäten wie

beispielsweise Verbriefungen. Schließlich unterliegt das sogenannte

Schattenbankensystem einem ständigen Wandel. Wir sollten uns meiner Meinung

nach daher darauf konzentrieren, größtmögliche Transparenz herzustellen, um

systemische Risiken frühzeitig erkennen zu können. Dies ist wohl wichtiger

als eine Bankenabgabe.

Der Sparkassenpräsident, Heinrich Haasis, hält das Problem der

grenzüberschreitend tätigen Megabanken für nicht gelöst. Sehen Sie das auch

so? Was könnte man tun?

Herr Haasis hat recht: Im Moment ist das 'Too big to fail'-Problem noch

nicht gelöst. Für die Zukunft bin ich aber optimistischer als Herr Haasis.

Die G20 haben auf ihrem Gipfel in Cannes im November 2011 ein umfassendes

Rahmenwerk verabschiedet. Dieses stützt sich auf zwei Pfeiler: Der erste

Pfeiler wird die Gefahr verringern, dass SIFIs, also systemrelevante

Banken, in eine Schieflage geraten. Hierzu dient vor allem eine bessere

Eigenkapitalausstattung, die über die Basel III-Vorschriften zum Teil

deutlich hinausgeht. Der zweite Pfeiler soll verhindern, dass das Scheitern

eines oder mehrerer SIFIs das ganze System in Mitleidenschaft zieht. Hierzu

haben sich die G20 auf Kernelemente nationaler Abwicklungssysteme geeinigt.

Das alles stellt einen großen Schritt nach vorne dar. Aber wir sind noch

nicht am Ziel: Die Regelungen müssen nun in nationales Recht umgesetzt

werden. Dies ist - und da bin ich mir wieder mit Herrn Haasis einig - einer

der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste, Regulierungsschritt, der

noch gegangen werden muss. Die Bundesbank wird in den internationalen

Gremien unser ganzes Gewicht einbringen, um das 'Too big

to fail'-Problem nachhaltig zu entschärfen.

*) Das Interview wurde Mitte April geführt.

Ende der Corporate News

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07.05.2012 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht,

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