Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz
DGAP-News: Deutsches Aktieninstitut e.V. / Schlagwort(e): Sonstiges
Deutsches Aktieninstitut e.V.: Finanzplatz
07.05.2012 / 10:15
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Dr. Andreas Dombret
'Großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft auch Fehlanreize'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Nach verschiedenen gigantischen Rettungspaketen, der Umschuldungsaktion
Griechenlands und Ankäufen von Staatsanleihen in Milliardenhöhe durch die
EZB heißt es immer noch, dass die europäischen Regierungen sich Zeit
kaufen. Andreas Dombret, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für
Finanzstabilität zuständig, erläutert in einem Interview mit dem
Finanzplatz, was getan werden muss, um die europäische Krise nachhaltig zu
überwinden. Dabei spricht er über die Vor- und Nachteile der großzügigen
Liquiditätsbereitstellung durch die EZB und die Intransparenz im
Schattenbankenbereich.
Interview mit Dr. Andreas Dombret,
Vorstandsmitglied, Deutsche Bundesbank*
Herr Dombret, wie viel Zeit zur Rettung Europas müssen wir uns noch kaufen?
Wie viel können wir uns noch leisten zu kaufen?
Die Ursachen der Krise liegen in erster Linie in der übermäßigen
Verschuldung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten
des Euroraums. Nachhaltig überwinden lässt sich die Krise daher nur, wenn
dort entschlossene Reformen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen
und zur Stärkung der Wachstumskräfte durchgeführt werden. Hilfszusagen
können diesen Anpassungsprozess zeitlich etwas strecken, ihn aber
keinesfalls ersetzen. Letztlich entscheidend für die Überwindung der Krise
sind der politische Wille und die Bereitschaft der Bevölkerung, diesen
Reformprozess zu tragen. Bei der Reformumsetzung sind die einzelnen Länder
unterschiedlich weit vorangekommen. Aber es muss klar sein, dass die
Umsetzung der vereinbarten Reformen eine unabdingbare Voraussetzung für die
weitere Gewährung finanzieller Hilfe ist.
Deutschland trägt die Hauptlasten der verschiedenen Rettungsaktionen.
Dennoch wird der deutschen Regierung international und auch in Europa
häufig vorgeworfen, auf der Bremse zu stehen. Auch die Bundesbank scheint
oft einen einsamen Kampf zu kämpfen. Steht Deutschland mit seinen Ansichten
isoliert? Wieso melden sich die anderen Notenbanken nicht lauter zu Wort?
Ausmaß und Komplexität der Krise sind einzigartig. Unterschiedliche
Einschätzungen überraschen mich daher nicht. Die Argumente der Bundesbank
werden sehr ernst genommen, wie mir die Kollegen aus anderen Ländern
regelmäßig bestätigen. Und gerade die Entwicklung der vergangenen Monate
hat gezeigt, dass das Vertrauen in die Krisenländer nur dann dauerhaft
zurückkehren wird, wenn die tieferen Ursachen der Krise beseitigt werden.
Eben dieses Anliegen ist der Kern der deutschen Position, und die wird sehr
wohl verstanden.
Mit Hinweis auf die Krise sind die Anforderungen an die bei der EZB zu
hinterlegenden Sicherheiten der Banken immer geringer geworden. Warum wurde
dies von der Bundesbank kritisiert? Haben nicht gerade die Maßnahmen dazu
geführt, dass die Geldversorgung auch in den Krisenstaaten stabil ist? Was
würde passieren, wenn die Anforderungen wieder auf Vorkrisenniveau
angehoben würden?
Die beiden großvolumigen, längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte dienen
der ausreichenden Versorgung solventer Banken mit Liquidität in Zeiten
hoher Unsicherheit und eines eingeschränkt funktionierenden
Interbankenmarktes. Dies erhöht die Planungssicherheit der Banken und
stützt so die Kreditvergabe. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass
die zusätzlichen Risiken für die Notenbanken im vertretbaren Rahmen bleiben
und die zur Verfügung gestellte Liquidität nicht zur künstlichen
Aufrechterhaltung nicht tragfähiger Geschäftsmodelle genutzt wird. Damit
würden wir uns einen Bärendienst erweisen.
Ein höherer Zins als sieben Prozent gilt für die Krisenstaaten als 'nicht
zumutbar'. Der Rettungsfonds verleiht daher Geld zu günstigeren
Konditionen, und die EZB/Nationalbanken kaufen in brenzligen Situationen
große Mengen Anleihen, um die Rendite zu drücken. Vor der Einführung des
Euro mussten diese Staaten deutlich höhere Zinsen zahlen. Wird mit dieser
Festlegung der Marktmechanismus, hohes Risiko - hohe Zinsen, nicht
konterkariert?
Die günstigen Refinanzierungskonditionen von EFSF und fortan ESM mindern in
der Tat die Disziplinierungswirkung von Risikoaufschlägen - und im Übrigen
auch des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts. Auf diese
Schwachstelle hat die Bundesbank wiederholt hingewiesen. Eine konsequente
Umsetzung der neuen Fiskalregeln und der Vereinbarungen aus den
Hilfsprogrammen wird daher noch wichtiger.
Seit die Banken bei der EZB so günstig Geld leihen können, versorgen sich
selbst jene Banken, die sich auch anderweitig refinanzieren können, bei der
EZB mit Liquidität. Was machen die Banken mit dem Geld? Besteht hier nicht
die Gefahr der Fehlallokation?
Die Banken haben die Mittel recht unterschiedlich genutzt. Ein Teil wurde
gleich wieder beim Eurosystem angelegt oder zur Refinanzierung auslaufender
oder teurer Verbindlichkeiten gegenüber dem Eurosystem und privaten
Gläubigern verwendet.
Eine großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft dort Fehlanreize, wo
Banken, die zuvor keine Refinanzierungsschwierigkeiten hatten, nun Mittel
von Privatinvestoren gegen Notenbankliquidität ersetzen. Dadurch erhöht
sich nicht nur die unmittelbare Abhängigkeit des Bankensektors von
Notenbankliquidität. Vielmehr wird auch die künftige Investorenbasis für
Bankschuldtitel geschmälert: Potenzielle Investoren suchen aufgrund des
fehlenden Angebots nach Anlagealternativen. Diese Quellen stehen dann
möglicherweise fortan nicht mehr für die Refinanzierung zur Verfügung.
Kritisch ist, dass Banken aus überschuldeten Staaten den Bilanzanteil von
Staatsschulden weiter ausgebaut haben. Die Ansteckungsrisiken zwischen
Staaten und Banken wurden damit nicht gemindert.
Was bedeutet die Geldschwemme für den Wettbewerb unter den Banken?
Die großzügige Liquiditätsbereitstellung der vergangenen Monate hat den
unmittelbaren Anpassungsdruck von den Banken genommen, die Schwierigkeiten
im Wettbewerb um Refinanzierungsmittel hatten, und hat insofern zu einer
direkten Entspannung der Refinanzierungsbedingungen im Bankensektor
geführt. Ein ungeordneter Abbau von Aktiva, vor dem ich durchaus große
Sorge hatte, konnte verhindert werden. Die verbesserte Lage müssen Banken
und Aufseher nun aber nutzen, um die notwendigen Anpassungen in ihren
Bilanzen, Geschäftsmodellen und Refinanzierungsstrategien entschlossen
voranzubringen.
Die Banken sollen das von der EZB geliehene Geld in großem Umfang wieder in
europäische Staatsanleihen investieren. Die Anlagen in griechische
Staatsanleihen mussten sie gerade zum überwiegenden Teil abschreiben. Wann
werden Banken auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen? Was
halten Sie von dieser Forderung?
Grundsätzlich gilt: Auch Ausleihungen von Kreditinstituten an Staaten
werden bereits heute nach Basel II entsprechend ihrem Risikogehalt bewertet
und somit anteilig - je nach zugewiesenem Risikogewicht von 0% bis 100% -
mit Eigenkapital unterlegt. Allerdings hat die europäische Gesetzgebung
hiervon abweichend eine Ausnahmeregelung des Baseler Rahmenwerks genutzt
und bislang eine 0%-Risikogewichtung für Ausleihungen in Euro an EU-Staaten
vorgenommen.
Derzeit befindet sich die regulatorische Behandlung von eingegangenen
Risikopositionen der Kreditinstitute insgesamt im Fluss. Ich bin sehr
dafür, zu gegebener Zeit, auch die eben beschriebene Ausnahmeregelung zu
hinterfragen. Aber diese Zeit ist noch nicht gekommen.
Griechenland hat einen harten Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger
durchsetzen können. Mit welcher Begründung kann man von den privaten
Gläubigern einen Schuldenschnitt verlangen, während die Nationalstaaten und
Notenbanken einen solchen strikt verweigern?
Die öffentlichen Gläubiger sind erst im Zuge der Krise mit ihren Hilfen
eingesprungen. Dass die privaten Anleger für ihre früheren Entscheidungen
das Risiko tragen, ist meines Erachtens durchaus in Ordnung. Letztlich geht
von dem Schuldenschnitt ein wichtiges Signal aus, das nicht zuletzt auch
das Risikobewusstsein der Anleger und damit die eben angesprochene
Marktdisziplinierung stärken dürfte.
Die Notenbanken lehnen den Schuldenschnitt für sich ab, weil dieser
indirekt zu einer Staatsfinanzierung führen würde. Positiv, so scheint es,
stehen sie aber dem Verkauf der erworbenen Anleihen zu Einstandspreisen an
den EFSF gegenüber. Wieso handelt es sich, wenn der EFSF letztlich die
Verluste trägt, nicht auch um Staatsfinanzierung? Kann man über den Umweg
EZB hin zum EFSF das Problem Staatsfinanzierung tatsächlich vermeiden?
Ein Schuldenschnitt stellt stets einen Transfer an das Schuldnerland dar,
doch es kommt darauf an, wer hierfür die Entscheidung trifft. Hätte das
Eurosystem in einen Schuldenschnitt eingewilligt, wäre dies ganz
offenkundig monetäre Staatsfinanzierung, die uns verboten ist. Bei der EFSF
entscheiden hingegen die Regierungen oder nationalen Parlamente der
Mitgliedstaaten - diese sind demokratisch legitimiert - über den mit einem
Schuldenschnitt verbundenen Transfer.
Obwohl einige Regulierungsvorhaben, wie z.B. Basel III, bereits auf den Weg
gebracht wurden, sind viele Regulierungsthemen noch in der Diskussion. 2012
sollen, so der EU-Präsident Manuel Barroso, die sogenannten Schattenbanken
im Fokus stehen. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um
diesen Bereich transparenter zu gestalten?
Teile des Schattenbankensystems waren maßgeblich am Ausbruch der
Finanzkrise beteiligt. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, diesen
Graubereich künftig besser auszuleuchten. Um Systemrisiken frühzeitig
erkennen zu können, brauchen wir vor allem aussagekräftige Statistiken. Die
Bundesbank drängt hier insbesondere auf bessere Daten zu Hedgefonds, denn
diese stellen nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Verbindung zu
systemrelevanten Finanzinstituten einen potenziellen Risikofaktor dar.
Hedgefonds müssen nach unserer festen Überzeugung statistische
Meldepflichten auferlegt werden. Das Schattenbankensystem sollte auch
besser reguliert werden. Das Financial Stability Board wird Mitte dieses
Jahres konkrete Regulierungsempfehlungen veröffentlichen.
Was halten Sie von der Idee des ehemaligen EZB-Chefvolkswirts Ottmar
Issing, auch für Schattenbanken eine Bankenabgabe einzuführen?
Ich finde es grundsätzlich richtig, den Finanzsektor an den Kosten zur
Bewältigung einer Finanzkrise zu beteiligen, und unterstütze Herrn Issing
auch sonst bei vielen seiner konstruktiven Vorschläge. In diesem speziellen
Fall bin ich allerdings skeptisch, was eine Ausweitung der mit dem
Restrukturierungsgesetz eingeführten Bankenabgabe auf das
Schattenbankensystem angeht. Denn zum einen hat die Bankenabgabe eine
spezielle Funktion zur Finanzierung der Abwicklung von Kreditinstituten.
Zum anderen zählen zum Schattenbankensystem nicht nur sehr unterschiedliche
Akteure wie Hedgefonds und Geldmarktfonds, sondern auch Aktivitäten wie
beispielsweise Verbriefungen. Schließlich unterliegt das sogenannte
Schattenbankensystem einem ständigen Wandel. Wir sollten uns meiner Meinung
nach daher darauf konzentrieren, größtmögliche Transparenz herzustellen, um
systemische Risiken frühzeitig erkennen zu können. Dies ist wohl wichtiger
als eine Bankenabgabe.
Der Sparkassenpräsident, Heinrich Haasis, hält das Problem der
grenzüberschreitend tätigen Megabanken für nicht gelöst. Sehen Sie das auch
so? Was könnte man tun?
Herr Haasis hat recht: Im Moment ist das 'Too big to fail'-Problem noch
nicht gelöst. Für die Zukunft bin ich aber optimistischer als Herr Haasis.
Die G20 haben auf ihrem Gipfel in Cannes im November 2011 ein umfassendes
Rahmenwerk verabschiedet. Dieses stützt sich auf zwei Pfeiler: Der erste
Pfeiler wird die Gefahr verringern, dass SIFIs, also systemrelevante
Banken, in eine Schieflage geraten. Hierzu dient vor allem eine bessere
Eigenkapitalausstattung, die über die Basel III-Vorschriften zum Teil
deutlich hinausgeht. Der zweite Pfeiler soll verhindern, dass das Scheitern
eines oder mehrerer SIFIs das ganze System in Mitleidenschaft zieht. Hierzu
haben sich die G20 auf Kernelemente nationaler Abwicklungssysteme geeinigt.
Das alles stellt einen großen Schritt nach vorne dar. Aber wir sind noch
nicht am Ziel: Die Regelungen müssen nun in nationales Recht umgesetzt
werden. Dies ist - und da bin ich mir wieder mit Herrn Haasis einig - einer
der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste, Regulierungsschritt, der
noch gegangen werden muss. Die Bundesbank wird in den internationalen
Gremien unser ganzes Gewicht einbringen, um das 'Too big
to fail'-Problem nachhaltig zu entschärfen.
*) Das Interview wurde Mitte April geführt.
Ende der Corporate News
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07.05.2012 Veröffentlichung einer Corporate News/Finanznachricht,
übermittelt durch die DGAP - ein Unternehmen der EquityStory AG.
Für den Inhalt der Mitteilung ist der Emittent / Herausgeber
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168318 07.05.2012
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07.05.2012 / 10:15
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Dr. Andreas Dombret
'Großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft auch Fehlanreize'
Uta-Bettina von Altenbockum, Finanzplatz
Nach verschiedenen gigantischen Rettungspaketen, der Umschuldungsaktion
Griechenlands und Ankäufen von Staatsanleihen in Milliardenhöhe durch die
EZB heißt es immer noch, dass die europäischen Regierungen sich Zeit
kaufen. Andreas Dombret, im Vorstand der Deutschen Bundesbank für
Finanzstabilität zuständig, erläutert in einem Interview mit dem
Finanzplatz, was getan werden muss, um die europäische Krise nachhaltig zu
überwinden. Dabei spricht er über die Vor- und Nachteile der großzügigen
Liquiditätsbereitstellung durch die EZB und die Intransparenz im
Schattenbankenbereich.
Interview mit Dr. Andreas Dombret,
Vorstandsmitglied, Deutsche Bundesbank*
Herr Dombret, wie viel Zeit zur Rettung Europas müssen wir uns noch kaufen?
Wie viel können wir uns noch leisten zu kaufen?
Die Ursachen der Krise liegen in erster Linie in der übermäßigen
Verschuldung und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit einzelner Mitgliedstaaten
des Euroraums. Nachhaltig überwinden lässt sich die Krise daher nur, wenn
dort entschlossene Reformen zur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen
und zur Stärkung der Wachstumskräfte durchgeführt werden. Hilfszusagen
können diesen Anpassungsprozess zeitlich etwas strecken, ihn aber
keinesfalls ersetzen. Letztlich entscheidend für die Überwindung der Krise
sind der politische Wille und die Bereitschaft der Bevölkerung, diesen
Reformprozess zu tragen. Bei der Reformumsetzung sind die einzelnen Länder
unterschiedlich weit vorangekommen. Aber es muss klar sein, dass die
Umsetzung der vereinbarten Reformen eine unabdingbare Voraussetzung für die
weitere Gewährung finanzieller Hilfe ist.
Deutschland trägt die Hauptlasten der verschiedenen Rettungsaktionen.
Dennoch wird der deutschen Regierung international und auch in Europa
häufig vorgeworfen, auf der Bremse zu stehen. Auch die Bundesbank scheint
oft einen einsamen Kampf zu kämpfen. Steht Deutschland mit seinen Ansichten
isoliert? Wieso melden sich die anderen Notenbanken nicht lauter zu Wort?
Ausmaß und Komplexität der Krise sind einzigartig. Unterschiedliche
Einschätzungen überraschen mich daher nicht. Die Argumente der Bundesbank
werden sehr ernst genommen, wie mir die Kollegen aus anderen Ländern
regelmäßig bestätigen. Und gerade die Entwicklung der vergangenen Monate
hat gezeigt, dass das Vertrauen in die Krisenländer nur dann dauerhaft
zurückkehren wird, wenn die tieferen Ursachen der Krise beseitigt werden.
Eben dieses Anliegen ist der Kern der deutschen Position, und die wird sehr
wohl verstanden.
Mit Hinweis auf die Krise sind die Anforderungen an die bei der EZB zu
hinterlegenden Sicherheiten der Banken immer geringer geworden. Warum wurde
dies von der Bundesbank kritisiert? Haben nicht gerade die Maßnahmen dazu
geführt, dass die Geldversorgung auch in den Krisenstaaten stabil ist? Was
würde passieren, wenn die Anforderungen wieder auf Vorkrisenniveau
angehoben würden?
Die beiden großvolumigen, längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte dienen
der ausreichenden Versorgung solventer Banken mit Liquidität in Zeiten
hoher Unsicherheit und eines eingeschränkt funktionierenden
Interbankenmarktes. Dies erhöht die Planungssicherheit der Banken und
stützt so die Kreditvergabe. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass
die zusätzlichen Risiken für die Notenbanken im vertretbaren Rahmen bleiben
und die zur Verfügung gestellte Liquidität nicht zur künstlichen
Aufrechterhaltung nicht tragfähiger Geschäftsmodelle genutzt wird. Damit
würden wir uns einen Bärendienst erweisen.
Ein höherer Zins als sieben Prozent gilt für die Krisenstaaten als 'nicht
zumutbar'. Der Rettungsfonds verleiht daher Geld zu günstigeren
Konditionen, und die EZB/Nationalbanken kaufen in brenzligen Situationen
große Mengen Anleihen, um die Rendite zu drücken. Vor der Einführung des
Euro mussten diese Staaten deutlich höhere Zinsen zahlen. Wird mit dieser
Festlegung der Marktmechanismus, hohes Risiko - hohe Zinsen, nicht
konterkariert?
Die günstigen Refinanzierungskonditionen von EFSF und fortan ESM mindern in
der Tat die Disziplinierungswirkung von Risikoaufschlägen - und im Übrigen
auch des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts. Auf diese
Schwachstelle hat die Bundesbank wiederholt hingewiesen. Eine konsequente
Umsetzung der neuen Fiskalregeln und der Vereinbarungen aus den
Hilfsprogrammen wird daher noch wichtiger.
Seit die Banken bei der EZB so günstig Geld leihen können, versorgen sich
selbst jene Banken, die sich auch anderweitig refinanzieren können, bei der
EZB mit Liquidität. Was machen die Banken mit dem Geld? Besteht hier nicht
die Gefahr der Fehlallokation?
Die Banken haben die Mittel recht unterschiedlich genutzt. Ein Teil wurde
gleich wieder beim Eurosystem angelegt oder zur Refinanzierung auslaufender
oder teurer Verbindlichkeiten gegenüber dem Eurosystem und privaten
Gläubigern verwendet.
Eine großzügige Liquiditätsbereitstellung schafft dort Fehlanreize, wo
Banken, die zuvor keine Refinanzierungsschwierigkeiten hatten, nun Mittel
von Privatinvestoren gegen Notenbankliquidität ersetzen. Dadurch erhöht
sich nicht nur die unmittelbare Abhängigkeit des Bankensektors von
Notenbankliquidität. Vielmehr wird auch die künftige Investorenbasis für
Bankschuldtitel geschmälert: Potenzielle Investoren suchen aufgrund des
fehlenden Angebots nach Anlagealternativen. Diese Quellen stehen dann
möglicherweise fortan nicht mehr für die Refinanzierung zur Verfügung.
Kritisch ist, dass Banken aus überschuldeten Staaten den Bilanzanteil von
Staatsschulden weiter ausgebaut haben. Die Ansteckungsrisiken zwischen
Staaten und Banken wurden damit nicht gemindert.
Was bedeutet die Geldschwemme für den Wettbewerb unter den Banken?
Die großzügige Liquiditätsbereitstellung der vergangenen Monate hat den
unmittelbaren Anpassungsdruck von den Banken genommen, die Schwierigkeiten
im Wettbewerb um Refinanzierungsmittel hatten, und hat insofern zu einer
direkten Entspannung der Refinanzierungsbedingungen im Bankensektor
geführt. Ein ungeordneter Abbau von Aktiva, vor dem ich durchaus große
Sorge hatte, konnte verhindert werden. Die verbesserte Lage müssen Banken
und Aufseher nun aber nutzen, um die notwendigen Anpassungen in ihren
Bilanzen, Geschäftsmodellen und Refinanzierungsstrategien entschlossen
voranzubringen.
Die Banken sollen das von der EZB geliehene Geld in großem Umfang wieder in
europäische Staatsanleihen investieren. Die Anlagen in griechische
Staatsanleihen mussten sie gerade zum überwiegenden Teil abschreiben. Wann
werden Banken auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen? Was
halten Sie von dieser Forderung?
Grundsätzlich gilt: Auch Ausleihungen von Kreditinstituten an Staaten
werden bereits heute nach Basel II entsprechend ihrem Risikogehalt bewertet
und somit anteilig - je nach zugewiesenem Risikogewicht von 0% bis 100% -
mit Eigenkapital unterlegt. Allerdings hat die europäische Gesetzgebung
hiervon abweichend eine Ausnahmeregelung des Baseler Rahmenwerks genutzt
und bislang eine 0%-Risikogewichtung für Ausleihungen in Euro an EU-Staaten
vorgenommen.
Derzeit befindet sich die regulatorische Behandlung von eingegangenen
Risikopositionen der Kreditinstitute insgesamt im Fluss. Ich bin sehr
dafür, zu gegebener Zeit, auch die eben beschriebene Ausnahmeregelung zu
hinterfragen. Aber diese Zeit ist noch nicht gekommen.
Griechenland hat einen harten Schuldenschnitt für die privaten Gläubiger
durchsetzen können. Mit welcher Begründung kann man von den privaten
Gläubigern einen Schuldenschnitt verlangen, während die Nationalstaaten und
Notenbanken einen solchen strikt verweigern?
Die öffentlichen Gläubiger sind erst im Zuge der Krise mit ihren Hilfen
eingesprungen. Dass die privaten Anleger für ihre früheren Entscheidungen
das Risiko tragen, ist meines Erachtens durchaus in Ordnung. Letztlich geht
von dem Schuldenschnitt ein wichtiges Signal aus, das nicht zuletzt auch
das Risikobewusstsein der Anleger und damit die eben angesprochene
Marktdisziplinierung stärken dürfte.
Die Notenbanken lehnen den Schuldenschnitt für sich ab, weil dieser
indirekt zu einer Staatsfinanzierung führen würde. Positiv, so scheint es,
stehen sie aber dem Verkauf der erworbenen Anleihen zu Einstandspreisen an
den EFSF gegenüber. Wieso handelt es sich, wenn der EFSF letztlich die
Verluste trägt, nicht auch um Staatsfinanzierung? Kann man über den Umweg
EZB hin zum EFSF das Problem Staatsfinanzierung tatsächlich vermeiden?
Ein Schuldenschnitt stellt stets einen Transfer an das Schuldnerland dar,
doch es kommt darauf an, wer hierfür die Entscheidung trifft. Hätte das
Eurosystem in einen Schuldenschnitt eingewilligt, wäre dies ganz
offenkundig monetäre Staatsfinanzierung, die uns verboten ist. Bei der EFSF
entscheiden hingegen die Regierungen oder nationalen Parlamente der
Mitgliedstaaten - diese sind demokratisch legitimiert - über den mit einem
Schuldenschnitt verbundenen Transfer.
Obwohl einige Regulierungsvorhaben, wie z.B. Basel III, bereits auf den Weg
gebracht wurden, sind viele Regulierungsthemen noch in der Diskussion. 2012
sollen, so der EU-Präsident Manuel Barroso, die sogenannten Schattenbanken
im Fokus stehen. Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach erforderlich, um
diesen Bereich transparenter zu gestalten?
Teile des Schattenbankensystems waren maßgeblich am Ausbruch der
Finanzkrise beteiligt. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, diesen
Graubereich künftig besser auszuleuchten. Um Systemrisiken frühzeitig
erkennen zu können, brauchen wir vor allem aussagekräftige Statistiken. Die
Bundesbank drängt hier insbesondere auf bessere Daten zu Hedgefonds, denn
diese stellen nicht zuletzt aufgrund ihrer engen Verbindung zu
systemrelevanten Finanzinstituten einen potenziellen Risikofaktor dar.
Hedgefonds müssen nach unserer festen Überzeugung statistische
Meldepflichten auferlegt werden. Das Schattenbankensystem sollte auch
besser reguliert werden. Das Financial Stability Board wird Mitte dieses
Jahres konkrete Regulierungsempfehlungen veröffentlichen.
Was halten Sie von der Idee des ehemaligen EZB-Chefvolkswirts Ottmar
Issing, auch für Schattenbanken eine Bankenabgabe einzuführen?
Ich finde es grundsätzlich richtig, den Finanzsektor an den Kosten zur
Bewältigung einer Finanzkrise zu beteiligen, und unterstütze Herrn Issing
auch sonst bei vielen seiner konstruktiven Vorschläge. In diesem speziellen
Fall bin ich allerdings skeptisch, was eine Ausweitung der mit dem
Restrukturierungsgesetz eingeführten Bankenabgabe auf das
Schattenbankensystem angeht. Denn zum einen hat die Bankenabgabe eine
spezielle Funktion zur Finanzierung der Abwicklung von Kreditinstituten.
Zum anderen zählen zum Schattenbankensystem nicht nur sehr unterschiedliche
Akteure wie Hedgefonds und Geldmarktfonds, sondern auch Aktivitäten wie
beispielsweise Verbriefungen. Schließlich unterliegt das sogenannte
Schattenbankensystem einem ständigen Wandel. Wir sollten uns meiner Meinung
nach daher darauf konzentrieren, größtmögliche Transparenz herzustellen, um
systemische Risiken frühzeitig erkennen zu können. Dies ist wohl wichtiger
als eine Bankenabgabe.
Der Sparkassenpräsident, Heinrich Haasis, hält das Problem der
grenzüberschreitend tätigen Megabanken für nicht gelöst. Sehen Sie das auch
so? Was könnte man tun?
Herr Haasis hat recht: Im Moment ist das 'Too big to fail'-Problem noch
nicht gelöst. Für die Zukunft bin ich aber optimistischer als Herr Haasis.
Die G20 haben auf ihrem Gipfel in Cannes im November 2011 ein umfassendes
Rahmenwerk verabschiedet. Dieses stützt sich auf zwei Pfeiler: Der erste
Pfeiler wird die Gefahr verringern, dass SIFIs, also systemrelevante
Banken, in eine Schieflage geraten. Hierzu dient vor allem eine bessere
Eigenkapitalausstattung, die über die Basel III-Vorschriften zum Teil
deutlich hinausgeht. Der zweite Pfeiler soll verhindern, dass das Scheitern
eines oder mehrerer SIFIs das ganze System in Mitleidenschaft zieht. Hierzu
haben sich die G20 auf Kernelemente nationaler Abwicklungssysteme geeinigt.
Das alles stellt einen großen Schritt nach vorne dar. Aber wir sind noch
nicht am Ziel: Die Regelungen müssen nun in nationales Recht umgesetzt
werden. Dies ist - und da bin ich mir wieder mit Herrn Haasis einig - einer
der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste, Regulierungsschritt, der
noch gegangen werden muss. Die Bundesbank wird in den internationalen
Gremien unser ganzes Gewicht einbringen, um das 'Too big
to fail'-Problem nachhaltig zu entschärfen.
*) Das Interview wurde Mitte April geführt.
Ende der Corporate News
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168318 07.05.2012