Investing.com - Die Inflation in der Eurozone wird nach den Projektionen der Europäischen Zentralbank (EZB) später im Jahr 2022 allmählich zurückgehen, aber immer noch über dem Zielwert von 2 Prozent liegen, so EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Donnerstag in einem Interview mit Ta Nea.
"Die Inflation ist hartnäckiger und ausgeprägter als noch vor einigen Monaten angenommen, wird aber in den Jahren 2023 und 2024 weiter zurückgehen", sagte der EZB-Vize.
Zu den Bemühungen der EZB, die rasant ansteigenden Verbraucherpreise zu bekämpfen, bekräftigte De Guindos, dass die Zentralbank die Nettokäufe im Rahmen des APP-Programms am 1. Juli beenden und die Leitzinsen auf der für den 21. Juli angesetzten Sitzung um 0,25 Prozent anheben werde. "Für September können wir eine größere Erhöhung in Erwägung ziehen, falls die Inflationsaussichten unverändert bleiben oder sich sogar noch weiter verschlechtern", fügte er hinzu.
Die Verbraucherpreise in der Eurozone stiegen im Mai um 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr und lagen damit weit über dem 2 Prozent-Ziel der Zentralbank. Am Freitag gibt es die finalen Zahlen für Mai. Volkswirte erwarten einen unveränderten Wert.
Der EZB-Vizepräsident äußerte sich auch zur Euro-Wirtschaft und versicherte, der Euroraum werde nicht mit einer Rezession, sondern mit einem geringen Wirtschaftswachstum konfrontiert sein. "In extremeren Situationen - etwa bei einer schwerwiegenden Unterbrechung der Energieversorgung, wie sie in unserem Abwärtsszenario angenommen wird - würde das Wachstum im Jahr 2023 negativ werden", resümierte De Guindos.
Angesprochen auf die verspätete Reaktion der EZB auf die turmhohe Inflation im Vergleich zur Fed oder BOE sagte der EZB-Vize: "Bei der aktuellen Inflationswelle handelt es sich um ein globales Phänomen, das in Europa allerdings etwas später einsetzte als anderswo, was erklärt, warum wir etwas später reagiert haben als in anderen Ländern. Als wir feststellten, dass sich die Inflation verfestigte, haben wir schnell und entschlossen gehandelt. Anders als im Euroraum scheint die Binnennachfrage in den Vereinigten Staaten ein stärkerer Inflationstreiber gewesen zu sein."
Seit August letzten Jahres liegt die Gesamtinflation bereits über dem von der EZB angepeilten Richtwert von 2 Prozent. Seither nimmt die Teuerungsrate jeden Monat weiter zu. Bis kürzlich zögerten die Euro-Wächter jedoch, die Geldpolitik merklich zu straffen, auch um hochverschuldete Südländer wie Italien oder Spanien nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Mit der jüngsten Ausweitung der Peripherie-Spreads teilte die Notenbank gestern in einer Sondersitzung mit, sie beschleunige die Arbeiten an einem neuen Anti-Krisentool. Zudem will sie Gelder aus auslaufenden Anleihen des Corona-Notkaufprogramms PEPP flexibel wieder investieren.