BERLIN (dpa-AFX) - Für einen Mindestlohn ohne Ausnahmen, für die Rente mit 63 sowie den Abbau der kalten Progression sind rund 400 000 Gewerkschafter am "Tag der Arbeit" auf die Straße gegangen.
DGB-Chef Michael Sommer warnte am Donnerstag bei der zentralen Mai-Kundgebung der Gewerkschaften in Bremen, es dürfe bei dem von Schwarz-Rot geplanten flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn "keine Ausnahmen wegen des Alters oder Geschlechts, der Herkunft oder der sozialen Lage geben". Der scheidende DGB-Chef betonte: "Keine Stunde Arbeit darf billiger sein als 8,50 Euro."
Sommers designierter Nachfolger Reiner Hoffmann sagte in Duisburg, anders als die Regierung plane, dürften Beschäftigte unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose beim Mindestlohn nicht außenvorgelassen werden. Der Mindestlohn sei nur ein erster Schritt von notwendigen sozialpolitischen Korrekturen für eine neue Ordnung der Arbeit.
Verdi-Chef Frank Bsirske betonte in Frankfurt/Main, es sei höchste Zeit für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Er bekräftigte die Forderung nach einer baldigen Anhebung von 8,50 Euro auf zehn Euro pro Stunde. Ausnahmen zulasten von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen seien nicht hinnehmbar.
In München verlangte der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, soziale Korrekturen im Steuersystem. "Tarifliche Entgeltsteigerungen werden zunehmend von heimlichen Steuererhöhungen aufgefressen", sagte er mit Blick auf die sogenannte Kalte Progression. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach nannte in Kassel die Kritik an der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren "maßlos überzogen, scheinheilig und würdelos".
Die Pläne der großen Koalition, die Tarifeinheit wieder herstellen zu wollen, quittierten der dbb-Beamtenbund als Dachorganisation von rund 40 Fach- und Berufsgewerkschaften sowie die Ärzte-Organisation Marburger Bund mit einer Protest-Performance vor dem Bundeskanzleramt. Die kleineren Gewerkschaften fürchten eine Beschränkung ihres Streikrechts.
Laut Gewerkschaftsangaben beteiligten sich bundesweit rund 403 000 Menschen an über 493 Veranstaltungen der traditionellen Maikundgebungen. Die Walpurgisnacht verlief in Berlin und Hamburg verhältnismäßig friedlich. In Berlin wurden 15 Menschen festgenommen, zwei erlitten leichte Verletzungen, wie die Polizei mitteilte. In Hamburg blieb eine Demonstration linksgerichteter Gruppen mit mehr als 1300 Menschen ebenfalls weitgehend gewaltlos.
Am Donnerstag rüsteten sich dann die Polizeibeamten in der Hauptstadt und in der Hafenstadt für mögliche Krawalle. Zu der sogenannten Revolutionären-1.-Mai-Demonstration wurden am frühen Abend in Berlin mehr als 10 000 Teilnehmer erwartet. In Hamburg wurden bis zu 1400 Menschen zum Marsch durch das Schanzenviertel unter dem Motto "Hamburg sieht rot" erwartet.e