MADRID/FRANKFURT (dpa-AFX) - Spaniens jüngste Bankenreform überzeugt die Finanzmärkte nicht - im Gegenteil: Anleger fliehen aus spanischen Anleihen. Nie waren die Risikoprämien für Papiere aus Spanien höher als zum Wochenauftakt. Die Versicherungskosten gegen einen Zahlungsausfall Madrids erreichten ebenfalls ein Rekordhoch und am Aktienmarkt wurden Titel der beiden Großbanken Santander und BBVA abverkauft. Experten gehen zunehmend davon aus, dass das Euro-Schwergewicht Hilfe von seinen europäischen Partnern braucht und warnen, die Probleme weiter zu verschleppen.
Während das Regierungschaos in Griechenland die Finanzmärkte in Panik versetzt, wird auch die Lage in Spanien immer kritischer. Der Befreiungsschlag, den Premierminister Mariano Rajoy sich von der mittlerweile vierten spanischen Bankenreform erhoffte, ist ausgeblieben. Gut gemeint, doch zu halbherzig und zu spät - so lassen sich die Einschätzungen von Experten zusammenfassen.
'Es sieht aus, als sei der Bailout der spanischen Banken bis zur allerletzten Minute verschoben worden', kritisieren die US-Ökonomen Megan Greene und Nouriel Roubini. Eine überzeugendere Lösung wäre allerdings sehr teuer und hätte den spanischen Staatshaushalt höchstwahrscheinlich in die Knie gezwungen. 'Der Markt scheint die neue Bankenreform als nicht weitgehend genug einzuschätzen', schreiben Eugen Keller und Mario Mattera, Analysten beim Bankhaus Metzler.
In Spanien leiden die Banken unter dem Zusammenbruch des Baubooms vor vier Jahren. In ihren Bilanzen lagern unzählige 'faule Kredite', die sie für den Wohnungsbau gewährt hatten und die nicht zurückgezahlt werden können. Nach Angaben der Regierung beläuft sich das Gesamtvolumen der Immobilienkredite in Spanien auf etwa 320 Milliarden Euro.
Volkswirte der Citigroup kommen in einer Analyse jedoch auf eine wesentlich höhere Summe: Demnach sitzen die spanischen Geldhäuser auf Krediten von rund einer Billion Euro, die am maroden Immobiliensektor hängen. Wie viel davon faul und damit vom Ausfall bedroht sind, kann kaum eingeschätzt werden. Die Kalkulationen reichen von 50 Milliarden bis zu 200 Milliarden Euro.
Am Freitag hatte die spanische Regierung bereits die zweite Bankenreform im laufenden Jahr bekanntgegeben: Die Banken müssen die Rückstellungen auf Immobilienkredite im Schnitt auf 30 Prozent anheben. Zudem sollen sie Auffanggesellschaften gründen, die die Tausenden von Wohnungen übernehmen und auf den Markt bringen, auf denen die Institute infolge von Kreditausfällen sitzen. Darüber hinaus holt Spanien externe Berater ins Land, die ausloten, wie kritisch die Lage im Finanzsektor tatsächlich ist.
Nach Einschätzung von Shahin Vallée, Ökonom der Großbank BNP Paribas, der sich für die Brüsseler Denkfabrik Bruegel engagiert, gehen die Maßnahmen zwar alle in die richtige Richtung. Allerdings sei der Zeitpunkt für Spanien, seine Bankenprobleme aus eigener Kraft in den Griff zu bekommen, bereits überschritten. 'Das Vertrauen ist zu weit gesunken, um dem Plan noch eine Chance zu geben.' Deshalb solle Spanien sich so schnell wie möglich an seine europäischen Partner wenden, um sein Bankensystem zu restrukturieren und zu rekapitalisieren.
'Wir halten es für wahrscheinlich, dass Spanien dieses Jahr eine Art von Troika-Programm beantragen wird', sagte Citigroup-Chefvolkswirt Willem Buiter bereits im vergangenen Monat. Allerdings geht der Ökonom nicht davon aus, dass das Land vollkommen vom Kapitalmarkt abgeschnitten wird. Buiter erwartet, dass sich Spanien - anders als Griechenland, Irland und Portugal - zumindest zum Teil weiter bei privaten Investoren Geld besorgen kann und lediglich zusätzliche Hilfen aus den Rettungsfonds ESM und EFSF oder vom Internationalen Währungsfonds erhalten würde.
Immer mehr Experten gehen davon aus, dass die viertgrößte Euro-Volkswirtschaft ihre Probleme alleine lösen kann. 'Der einzige Weg zu einem spanischen Happy End würde über schnelles Handeln in Brüssel, Frankfurt und den anderen europäischen Hauptstädten führen', heißt es in der Analyse von Greene und Roubini. Damit sei jedoch nicht zu rechnen. Die Entwicklung der Euro-Krise gleiche 'einem Zugunglück in Zeitlupe'.
Zumindest die Gefahr eines Übergreifens auf den Rest des Euroraums hat sich zuletzt etwas verringert, da ausländische Investoren in großem Stil spanische Anleihen abgestoßen haben. Da ein Großteil der Papiere nun bei spanischen Banken liegt, ballen sich dort jedoch noch größere Risiken. Um zu sehen, wie kritisch Investoren die Ansteckungsrisiken bewerten, reicht ein Blick auf die Anleihemärkte. Im Fahrwasser der steigenden Renditen für spanische Titel ziehen auch die italienischen Pendants an./hbr/jsl/zb
--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---
Während das Regierungschaos in Griechenland die Finanzmärkte in Panik versetzt, wird auch die Lage in Spanien immer kritischer. Der Befreiungsschlag, den Premierminister Mariano Rajoy sich von der mittlerweile vierten spanischen Bankenreform erhoffte, ist ausgeblieben. Gut gemeint, doch zu halbherzig und zu spät - so lassen sich die Einschätzungen von Experten zusammenfassen.
'Es sieht aus, als sei der Bailout der spanischen Banken bis zur allerletzten Minute verschoben worden', kritisieren die US-Ökonomen Megan Greene und Nouriel Roubini. Eine überzeugendere Lösung wäre allerdings sehr teuer und hätte den spanischen Staatshaushalt höchstwahrscheinlich in die Knie gezwungen. 'Der Markt scheint die neue Bankenreform als nicht weitgehend genug einzuschätzen', schreiben Eugen Keller und Mario Mattera, Analysten beim Bankhaus Metzler.
In Spanien leiden die Banken unter dem Zusammenbruch des Baubooms vor vier Jahren. In ihren Bilanzen lagern unzählige 'faule Kredite', die sie für den Wohnungsbau gewährt hatten und die nicht zurückgezahlt werden können. Nach Angaben der Regierung beläuft sich das Gesamtvolumen der Immobilienkredite in Spanien auf etwa 320 Milliarden Euro.
Volkswirte der Citigroup
Am Freitag hatte die spanische Regierung bereits die zweite Bankenreform im laufenden Jahr bekanntgegeben: Die Banken müssen die Rückstellungen auf Immobilienkredite im Schnitt auf 30 Prozent anheben. Zudem sollen sie Auffanggesellschaften gründen, die die Tausenden von Wohnungen übernehmen und auf den Markt bringen, auf denen die Institute infolge von Kreditausfällen sitzen. Darüber hinaus holt Spanien externe Berater ins Land, die ausloten, wie kritisch die Lage im Finanzsektor tatsächlich ist.
Nach Einschätzung von Shahin Vallée, Ökonom der Großbank BNP Paribas
'Wir halten es für wahrscheinlich, dass Spanien dieses Jahr eine Art von Troika-Programm beantragen wird', sagte Citigroup-Chefvolkswirt Willem Buiter bereits im vergangenen Monat. Allerdings geht der Ökonom nicht davon aus, dass das Land vollkommen vom Kapitalmarkt abgeschnitten wird. Buiter erwartet, dass sich Spanien - anders als Griechenland, Irland und Portugal - zumindest zum Teil weiter bei privaten Investoren Geld besorgen kann und lediglich zusätzliche Hilfen aus den Rettungsfonds ESM und EFSF oder vom Internationalen Währungsfonds erhalten würde.
Immer mehr Experten gehen davon aus, dass die viertgrößte Euro-Volkswirtschaft ihre Probleme alleine lösen kann. 'Der einzige Weg zu einem spanischen Happy End würde über schnelles Handeln in Brüssel, Frankfurt und den anderen europäischen Hauptstädten führen', heißt es in der Analyse von Greene und Roubini. Damit sei jedoch nicht zu rechnen. Die Entwicklung der Euro-Krise gleiche 'einem Zugunglück in Zeitlupe'.
Zumindest die Gefahr eines Übergreifens auf den Rest des Euroraums hat sich zuletzt etwas verringert, da ausländische Investoren in großem Stil spanische Anleihen abgestoßen haben. Da ein Großteil der Papiere nun bei spanischen Banken liegt, ballen sich dort jedoch noch größere Risiken. Um zu sehen, wie kritisch Investoren die Ansteckungsrisiken bewerten, reicht ein Blick auf die Anleihemärkte. Im Fahrwasser der steigenden Renditen für spanische Titel ziehen auch die italienischen Pendants an./hbr/jsl/zb
--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---