LUXEMBURG (dpa-AFX) - Die Inflation in der Eurozone hat sich im November deutlich abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen 2,4 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in Luxemburg mitteilte. Im Vormonat hatte die Teuerung noch 2,9 Prozent betragen und vor einem Jahr sogar 10,1 Prozent.
Wie bewerten Ökonomen die Entwicklung - und was bedeutet das für die Geldpolitik im Währungsraum?
Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank:
"Es ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate zur Jahresmitte 2024 auf oder zumindest in der Nähe des EZB-Ziels von 2 Prozent liegen wird - auch im Bereich der Kernteuerung. Damit eröffnet sich für die EZB erheblicher Zinssenkungsspielraum. (...) Läge im zweiten Halbjahr die Inflationsrate bei 2 Prozent und würden die Leitzinsen um 100 Basispunkte gesenkt, wäre die EZB bei einem dann gültigen Einlagensatz von 3 Prozent noch immer restriktiv. Der reale Leitzins läge nämlich immer noch bei Plus 1 Prozent. Ähnliches gilt für die Fed. (...) Die großen Notenbanken haben deutlichen Spielraum für Zinssenkungen, ohne damit den geldpolitisch restriktiven Bereich verlassen zu müssen."
Andrew Kenningham, Chefökonom Europa Capital Economics:
"Der stärker als erwartete Rückgang der Inflation im November führt dazu, dass es für die politischen Entscheidungsträger immer unhaltbarer wird, zu behaupten, dass sie nicht einmal über Zinssenkungen nachdenken. Wir erwarten nun eine erste Zinssenkung für nächsten Juni statt für September und gehen davon aus, dass die Notenbank die Zinsen bis Ende 2024 auf 3,0 Prozent senken wird (anstatt bisher 3,5 Prozent)."
Christoph Weil, Analyst der Commerzbank (ETR:CBKG):
"Überrascht hat vor allem der kräftige Rückgang der Teuerungsrate für Dienstleistungen. (...) Die heutigen Preisdaten dürften die Spekulationen auf eine baldige EZB-Leitzinssenkung befeuern. Angesichts des kräftigen Lohnauftriebs halten wir es jedoch für verfrüht, den Sieg über die Inflation zu verkünden."
Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg
"Das sind einmal mehr unerwartet gute Nachrichten von der Inflation. Der Preisdruck ist den dritten Monat in Folge deutlich stärker gesunken als erwartet. (...) Für die EZB impliziert dies, dass weitere Zinsanhebungen wohl definitiv vom Tisch sein dürften. Die aktuell am EUR-Geldmarkt ablesbare Schlussfolgerung vieler Finanzmarktteilnehmer, dass Zinssenkungen bereits im Frühjahr 2024 angesagt sind, halten wir aber noch immer für vorschnell."
Johannes Mayr, Chefvolkswirt beim Vermögensverwalter Eyb & Wallwitz:
"Zwar ist im Dezember mit einem Gegeneffekt zu rechnen. Dennoch scheint der unterliegende Preisdruck rascher abzunehmen als erwartet, auch weil sich die Konjunktur deutlich eingetrübt hat. Die EZB könnte 2024 erstmals vor der Fed mit Zinssenkungen beginnen. Sie dürfte diesen Weg aber nicht überstürzt antreten. Denn die Inflationsanker liegen über dem 2-Prozent-Ziel, und der Lohndruck wird noch einige Zeit erhöht bleiben.