Börsen-Zeitung: Abschied vom starren Ziel, Kommentar zurkonjunkturellen Entwicklung in China von Norbert Hellmann Frankfurt (ots) - Mit 7,4% Wachstum ist die einem anhaltenden Schwungverlust ausgesetzte chinesische Wirtschaft noch ganz gut über die Runden gekommen. Das offizielle Wachstumsziel von 7,5% wurde nur knapp verfehlt. Im Spannungsfeld zwischen schmerzhaften, aber unverzichtbaren strukturellen Reformen und der Wahrung eines Wachstumstempos, das als notwendig erachtet wird, um der riesigen Bevölkerung anhaltende Einkommensfortschritte und eine stabile Beschäftigungslage zu sichern, bleibt die Balance vorerst gewahrt. Das staatsgelenkte Wirtschaftssystem ächzt, aber es wankt nicht.
Auf dem Papier sind 7,4% nominelles Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der schwächste Jahresausweis seit 1990, als sich das Reich der Mitte in einer totalen Umbruchphase befand, der sich ein zwei Jahrzehnte währendes Wirtschaftswunder anschloss. Chinas Wachstumsmodell ist wenn schon nicht einer Zerreißprobe, so aber doch einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Das Gros der Ökonomen geht davon aus, dass die Dynamik der Wachstumsraten der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft in den kommenden Jahren unaufhaltsam sinken wird.
Es stellt sich allerdings die Frage, ob Peking dies als natürlichen Anpassungsprozess auf dem Weg zu einem nachhaltigeren Wirtschaftsmodell hinzunehmen bereit ist - oder aber immer verzweifelter mit künstlichen Belebungsoffensiven, die in der Vergangenheit schwere Verwerfungen von Verschuldungsexzessen bis zu Vermögenspreisblasen nach sich gezogen haben, dagegenhält.