Börsen-Zeitung: Aktionäre zeigen Größe, Kommentar zur
Siemens-Hauptversammlung, von Michael Flämig.
Frankfurt (ots) - Die Hauptversammlung von Siemens hat ein Signal
gesetzt für die kommende Saison von Aktionärstreffen, das in den
Investor-Relations-Abteilungen vieler deutscher Unternehmen mit
Erleichterung aufgenommen werden dürfte. Denn bei den Münchnern war
annähernd die Hälfte des Grundkapitals an Bord, während zwölf Monate
zuvor nur ein Drittel den Weg nach München fand. Siemens hat es
geschafft, insbesondere die ausländischen Institutionellen wieder ins
Boot zu holen. Damit schwindet die Gefahr von Zufallsmehrheiten auf
diesjährigen Aktionärstreffen insbesondere von Gesellschaften mit
Namensaktien. Gut so.
Ebenfalls bemerkenswert bei der Siemens-Hauptversammlung:
Praktisch alle großen deutsche Fondsgesellschaften schickten nicht
nur die Abstimmungszettel nach München, sondern ließen einen Sprecher
auftreten. Von Union über Deka und der früheren DWS bis zu Allianz
Global Investors reicht die Liste - doch die versammelte Kompetenz
ist damit immer noch unvollständig beschrieben. Schließlich war die
Vereinigung Institutioneller Privatanleger ebenso präsent wie die
Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, auch Hermes trat
auf.
Der geballte Auftritt wurde sicherlich durch die besondere Lage
bei Siemens ausgelöst. Einen spektakulären Austausch des
Vorstandsvorsitzenden im vergangenen Jahr galt es zu sezieren, einen
Aufsichtsratschef zu einer Nachfolgeplanung zu drängen und Anregungen
für die bevorstehende strategische Neuausrichtung zu formulieren.
Doch die Debatte machte deutlich, welche Chancen gerade die
institutionellen Aktionäre häufig auslassen: eine Diskussion auf
intellektuell beachtlichem Niveau zu führen, kombiniert mit einer
garantierten Öffentlichkeits- und damit potenziell auch
Marketingwirkung.
Wichtiger noch: Derartige Auftritte hinterlassen Eindruck, auch
bei der Verwaltung. Sicherlich darf man die Wirkung nicht
überschätzen, schließlich ist ein Austausch in Vier-Augen-Gesprächen
häufig sehr produktiv. Doch jene Fondsgesellschaften, die sich damit
begnügen, versäumen die Chance, den Vorstand auf einer ganz anderen
Ebene zur Reflexion zur zwingen. Die Siemens-Hauptversammlung hat
gezeigt, welches Potenzial in derartigen Debatten steckt.
Das Bessere allerdings ist der Feind des Guten. Denn während
inländische Fonds immer häufiger Flagge zeigen, beschränken sich die
Ausländer meist auf ihre Präsenz und stimmen nach formalen
Gesichtspunkten ab. Eine eher inhaltliche Auseinandersetzung wäre
wünschenswert.
(Börsen-Zeitung, 29.1.2014)
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